Viele Synergieeffekte sind denkbar

Bachelorarbeit über die Sanierung eines kompletten Straßenzuges am Beispiel der Bonner Straße in Bad Godesberg liegt vor

 Studentin Tabea Riss (von links) zeigt Nicole Wolff und Naphawan Böttcher ihre Bachelorarbeit; im Hintergrund das Haus an der Bonner Straße in Bad Godesberg, das Familie Böttcher zum Passivhaus umbauen will.

Studentin Tabea Riss (von links) zeigt Nicole Wolff und Naphawan Böttcher ihre Bachelorarbeit; im Hintergrund das Haus an der Bonner Straße in Bad Godesberg, das Familie Böttcher zum Passivhaus umbauen will.

Foto: Axel Vogel

Es war ein ambitioniertes Projekt, das sich Tabea Riss im Frühjahr 2012 am Beispiel der Bonner Straße in Bad Godesberg vorgenommen hatte. Die 26-Jährige studierte an der Hochschule Bremerhaven das Fach Gebäude-Energietechnik. Als Thema für ihre Bachelorarbeit interessierte Riss nun: Welche Möglichkeiten eröffnen sich, wenn man bei einer Haussanierung in größeren Zusammenhängen denkt? Will heißen: Gibt es Synergieeffekte, wenn statt eines Hauses ein Straßenzug mit vergleichbaren Gebäuden saniert wird? Dabei diente Tabea Riss das Sanierungsprojekt der Familie Böttcher an der Bonner Straße als Muster.

Wie seit Anfang vergangenen Jahres in einer lockeren Serie berichtet, möchte die Familie den Altbau zu einem Passivhaus umbauen. Derzeit warten Bauherrin Naphawan Böttcher und ihre Architektin Nicole Wolff auf die Baugenehmigung. Inzwischen hat Riss ihre Bachelorarbeit abgeschlossen. Vor rund einer Woche stellte die Studentin in Bonn der Familie Böttcher und Architektin Wolff die Ergebnisse vor.

Angeschoben hatte das Bachelor-Projekt der Hennefer Klimadesigner Horst Behr, und zwar in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des "EnergieKompetenzKreises Bonn Rhein-Sieg". Durch die Berichte des General-Anzeigers war der Verein auf das Projekt der Familie aufmerksam geworden. Den interdisziplinär aufgestellten EnergieKompetenzKreis, der "energieleichteren Lebensstilen" für das Zeitalter der erneuerbaren Energien den Weg bereiten will, trieb die Frage um: Ergeben sich Synergieeffekte, wenn gleich mehrere Immobilienbesitzer an einer Straße ihre Altbauten sanieren wollen? Umso mehr, wenn es um Häuser wie an der Bonner Straße geht, wo viele einen vergleichbaren Sanierungsbedarf aufweisen. Ein Ansatz, der laut Behr, der sich für die Bachelorarbeit auch als Zweitprüfer zur Verfügung gestellt hatte, so noch nicht untersucht worden ist. Handfeste Anhaltspunkte und Datenmaterial gewann Riss dabei anhand des Sanierungsprojektes von Bauherrin Böttcher.

[Serie]In ihrer Bachelorarbeit spielte die Studentin verschiedene Sanierungsmodelle durch und verglich diese miteinander; vor allem hinsichtlich der Investitions- und Energiekosten. Zum einen stellte die Autorin etwa eine Einzelhaussanierung einer Straßenzugsanierung mit insgesamt fünf annähernd identischen Häusern wie dem der Böttchers gegenüber. Und zwar wurde in einer Variante eine Sanierung nach dem Standard der Energieeinsparverordnung (EnEV) durchdacht und in einer weiteren nach dem Passivhaus-Standard. Ebenfalls ein Aspekt der Arbeit: ein Vergleich der EnEV mit Passivhaus-Standard bei einer Einzelsanierung und bei einer Straßenzugsanierung.

Auch wurden bei allen Varianten unterschiedliche Haustechnik-Ausführungen unter die Lupe genommen: so eine Gasbrennwertheizung mit einer Wärmepumpe und einem Pelletkessel verglichen. Was die Komplexität der Untersuchung noch erhöhte: Alle Varianten hat Riss mit und ohne eine Solaranlage analysiert sowie mit und ohne eine Lüftungsanlage. Gerade was die Alternativen bei der Haustechnik anging, waren für Riss "Vergleichswerte zur Energieeffizienz und Wirtschaftlichkeit ganz wichtig".

Bei der Umsetzung des Projektes half Architektin Wolff: "Ich habe Tabea Riss bei konkreten technischen Fragestellungen unterstützt, wie bei den passivhaus-relevanten Aspekten der geplanten Sanierung."

Die Bachelorarbeit schloss Tabea Riss schließlich mit der Note "Sehr Gut" ab. Interessant sind konkrete Praxisbezüge, die sie auf insgesamt 88 Seiten plus Anhang herausgearbeitet hat. So empfahl sie Bauherrin Böttcher eine Pelletheizung, "die man zunächst wegen der höheren Kosten weniger in Betracht gezogen hatte", erklärte Architektin Wolff. Aktuell will Wolff nun mit Auftraggeberin Böttcher über die Variante diskutieren, "da sie im Vergleich einen recht niedrigen Primärenergiegehalt aufzeigt". Für Wolff ist genau das auch ein Ergebnis der Bachelorarbeit: "Neue Konzepte werden durchgespielt."

Was Riss auch feststellte: "Der Sanierungsaufwand für das Haus der Familie Böttcher ist sehr hoch. Damit steigt aber erst recht die Wirtschaftlichkeit einer Sanierung." Da in einigen Jahren Neubauten im Passivhaus-Standard geplant werden sollen, würde man mit diesem alten Haus der Zukunft vorgreifen, ergänzt Wolff.

Hocheffizient könnte aber auch eine Straßenzugsanierung mit fünf Objekten ausfallen, wie sie Tabea Riss am Beispiel der Bonner Straße durchgespielt hat: "Da durch die Verwendung einer einzigen Heizung für alle fünf Objekte, etwa einem Blockkraftheizwerk, weniger Technik zum Einsatz kommt, treten weniger Verluste bei Nichtbenutzung der Heizungsanlage auf." Zudem steige die Wirtschaftlichkeit, da man wegen eines größeren Auftragsvolumens geringere Investitionssummen annehmen dürfe.

Für Architektin Wolff taugt die Arbeit durchaus als Blaupause für andere Städte im Allgemeinen und für Bonn im Besonderen: "Hier ist der Bestand an unsanierten Altbauten mit 70 Prozent noch sehr hoch." Für sie ist daher auch eine zentrale Botschaft der Arbeit: "Investoren, Eigentümergemeinschaften oder Wohnungsbaugesellschaften sollen bei Sanierungsvorhaben eine Straßenzugsanierung in Betracht ziehen."

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