Interview mit Pitt Hoffmann von Haus&Grund "Viele fürchten die kalte Enteignung"

Als Vorsitzender des Vereins Haus & Grund Bad Godesberg und Umgebung vertritt Pitt Hoffmann die Interessen von rund 1100 Haus- und Wohnungseigentümern. Unter denen herrscht Unruhe.

 Medizintouristen bringen viel Geld nach Bad Godesberg. Doch das Geschäft mit ihnen bringt auch negative Auswirkungen mit sich.

Medizintouristen bringen viel Geld nach Bad Godesberg. Doch das Geschäft mit ihnen bringt auch negative Auswirkungen mit sich.

Foto: Axel Vogel

Grund ist die steigende Zahl von Wohnungen, die zum Zwecke der Vermietung für Medizintouristen aus dem Nahen Osten und Nordafrika aufgekauft werden. Für heute Abend hat Haus & Grund eine öffentliche Informationsveranstaltung zu dem Thema organisiert. Vorab sprach darüber Rüdiger Franz mit Pitt Hoffmann.

Was ist der Zweck der heutigen Veranstaltung?
Pitt Hoffmann: Es gibt große Verunsicherung unter den Godesbergern und Skepsis gegenüber den vielen Medizintouristen, die unsere Stadt bevölkern. Dem wollen wir begegnen, indem wir einerseits für Aufklärung sorgen, andererseits aber die Sorgen der Betroffenen aufgreifen.

Inwieweit bedarf es der Aufklärung?
Hoffmann: Zunächst einmal will ich unterstreichen, dass sich aus dem Potenzial des Medizintourismus enorme Vorteile für die Stadt ergeben können. Schließlich geht es auch um Kaufkraft. Mit unbegründeten Ängsten sollten wir deshalb aufräumen. Wir sind eine internationale Stadt mit Sitz von Institutionen der Vereinten Nationen. Als solcher stehen uns Gastfreundlichkeit und Weltoffenheit zunächst einmal gut zu Gesicht.

Das klingt, als folge nun ein Aber....
Hoffmann: Der andere Aspekt ist der, dass viele unserer Mitglieder als Wohnungseigentümer in jüngster Zeit Nachteile erfahren, die unmittelbar mit der gewerblichen Kurzzeitvermietung von benachbartem Wohnraum in Zusammenhang stehen. Aufgrund der sehr kurzen Aufenthaltsfrequenzen wird es unmöglich, sich auf Mitbewohner einzustellen.

Es gibt zahlreiche Berichte über Belästigungen durch fremdartiges Wohnverhalten, Müll und Lärm. Welche Probleme ergeben sich strukturell?
Hoffmann: In Eigentümergemeinschaften können sich je nach Abrechnungsmodus erhebliche Ungerechtigkeiten ergeben, wenn beispielsweise die Heizkosten rasant in die Höhe schnellen, weil eine Wohnung plötzlich überbelegt ist. In manchen Gebäuden stellen die Kurzzeitvermieter inzwischen die Mehrheit unter den Eignern. Weil die Wohnungen zumeist ausschließlich zum Zwecke der gewerblichen Nutzung erworben wurden, entstehen zwangsläufig Verzerrungen im Gefüge der Eigentümergemeinschaft.

Was tun?
Hoffmann: Wir sehen uns als Verein darin gefordert, diesen Eigentümern dabei zu helfen, dass sie nicht total untergebuttert werden. Wir überlegen beispielsweise, ob wir im Rahmen eines Musterprozesses für Klarheit sorgen lassen, inwieweit eine ausschließlich hotelmäßige Nutzung und davon ausgehende überproportionale Belastung der Normalbewohner von Eigentumswohnungen eigentlich zulässig ist.

Über welche Dimension sprechen wir eigentlich? Wie viele Wohneinheiten sind in der Innenstadt und dem nahen Umfeld von dem Negativphänomen betroffen?
Hoffmann: Genau wissen wir das auch nicht, es sind aber sicher mehr als 100, Tendenz steigend. In einigen neueren Wohnanlagen wird die Majorität nicht mehr von den alteingesessenen Bewohnern gestellt.

Was ist aus Sicht Ihrer Mitglieder das schlimmste Szenario?
Hoffmann: Ein Szenario, das faktisch bereits Realität ist: Wenn sich ein alteingesessener Eigentümer entschließt, seine Wohnung zu verkaufen, weil es für ihn inzwischen zu kompliziert und ungemütlich geworden ist, bekommt er dafür nicht annähernd den Kaufpreis, den er sich vermutlich vor wenigen Jahren erhofft hat. Weil die Chancen einer Vermietung auch schlecht stehen, bleibt ihm eigentlich nur die Möglichkeit, seinerseits ebenfalls an Kurzzeitvermieter zu verkaufen. Vor einer solchen "kalten Enteignung" geht die Angst um.

Die Folge ist ein Verdrängungseffekt...
Hoffmann: ...und im schlimmsten Falle eine teilweise Ghettoisierung. Als Mitbegründer des Vereins Stadtmarketing mache ich mir auch Sorgen darüber, welche Auswirkungen die Veränderung auf das Geschäftsleben hat. Durchaus hoffnungsvoll stimmen beispielsweise die aktuellen Initiativen der Bezirksbürgermeisterin, sich dem Negativtrend entgegenzustellen.

Welche Hoffnung hegen Sie konkret, um negativen Auswirkungen in Wohngegenden und im Geschäftsleben entgegenzusteuern?
Hoffmann: Dass es mit den Initiativen gelingt, die Kurzzeitvermieter zu Spielregeln zu bewegen, die den allgemeinen Gepflogenheiten unter Vermietern entsprechen. Denn ein anderer wichtiger Aspekt darf bei aller Klage nicht aus dem Blick verloren werden: Wir wollen, dass Bad Godesberg bei Medizintouristen ein gutes Image hat. Das kann aber nur gelingen, wenn sich die Gäste zu vernünftigen Preisen in Wohnungen mit guter Ausstattung wiederfinden. Sollten die Menschen hier dauerhaft "abgezockt" werden, wird sich der Markt des Gesundheitstourismus mittelfristig verlagern. Länder wie Katar verfügen zweifellos über die Möglichkeit, selbst beste Kliniken aufzubauen. Dann kommen keine Medizintouristen mehr hierher.

Losgelöst vom Thema Gesundheitstourismus: Wie bewerten Sie den Wohnungsmarkt in Bad Godesberg insgesamt?
Hoffmann: Der Markt ist im oberen Segment meines Erachtens zurzeit ausgeglichen. Einem guten Angebot steht hier eine rege Nachfrage gegenüber. Probleme gibt es im unteren Bereich, wo nicht mehr jeder Mieter mit den üppig steigenden Preisen mithalten kann und insofern Probleme hat, eine stadtnahe und zugleich günstige Wohnung zu finden.

Die öffentliche Informationsveranstaltung zum Thema Medizintourismus beginnt am Donnerstag, 4. Dezember, um 20 Uhr im Kleinen Saal der Stadthalle. Teilnehmen werden Experten aus den Bereichen Wirtschaft, Recht, Medizin und Wirtschaftsförderung.

Zur Person

Pitt Hoffmann wurde 1943 in Kassel geboren, wuchs in Duderstadt auf und kam zum Studium nach Bonn. Nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre fand er den beruflichen Einstieg in der PR-Branche. Seit 1976 ist er als Immobilienmakler tätig und ist seit 25 Jahren Vorsitzender des Vereins Haus und Grund Bad Godesberg und Umgebung.

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