Prozess vor dem Bonner Landgericht Sturz auf glattem Überweg - Stadt nicht haftbar

BONN · 55-jährige Ärztin klagte auf mehr als 70.000 Euro Schmerzensgeld und Schadensersatz.

Der Sturz war nicht nur schmerzhaft, sondern er hatte auch einen monatelangen beruflichen Totalausfall zur Folge: Auf dem Fußgängerüberweg an der Gotenstraße/Ecke Mittelstraße in Plittersdorf stürzte eine heute 55 Jahre alte Ärztin. Mit dem Bruch eines Brustwirbels lag die Frau zwei Wochen lang im Krankenhaus. In den folgenden fünf Monaten war an Arbeit nicht zu denken. Nur mit einem Korsett konnte sich die Verletzte überhaupt bewegen.

Vor dem Bonner Landgericht verklagte die am Morgen des 10. Februar 2012 gegen 7.20 Uhr gestürzte Frau daraufhin die Stadt Bonn. Ihrer Meinung nach führte eine Amtspflichtverletzung zu dem folgenschweren Unfall. Sie sei nur gestürzt, da die ihren Angaben zufolge sehr glatte Straße nicht gestreut war.

Die Stelle wurde an jenem Morgen vom Winterdienst, der bereits ab 4 Uhr unterwegs war, erst nach 8.25 Uhr abgestreut. Obwohl sie Winterstiefel getragen und sich sehr vorsichtig bewegt habe, sei der Sturz nicht zu verhindern gewesen, so die Klägerin. Von der Stadt forderte sie nicht nur ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 10.000 Euro.

Gutachten gibt den Ausschlag: Überweg nicht belebt genug

Zusätzlich verlangte die Medizinerin fast 27.000 Euro Schadensersatz aufgrund von Einkommenseinbußen und für Fahrten zu Behandlungen. Des Weiteren machte die Frau einen Haushaltsführungsschaden geltend, da sie aufgrund der Verletzung unter anderem keine Lasten, die schwerer als zweieinhalb Kilogramm sind, mehr tragen darf. Für die ersten Monate nach dem Sturz klagte die Frau knapp 5000 Euro ein. Zudem verlangte sie, dass ihr bis 2034 vierteljährlich etwa 1600 Euro gezahlt werden.

Die Richter der Ersten Zivilkammer wiesen die Klage jetzt jedoch ab. Nach der Einholung mehrerer Gutachten kamen sie zu dem Schluss, dass die Stadt keine Verkehrssicherungspflicht verletzt habe. Bei der Einteilung des Winterdienstes müsse vor allem geprüft werden, wann ein Fußgängerüberweg "belebt und unentbehrlich" sei. Um ein Bild von der Unfallstelle zu bekommen, wurde ein Ingenieur mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt.

Das Verfahren zog sich in die Länge, da der Experte zwar im Februar 2013 eine Personenzählung vornahm - allerdings zählte er mittags nur eine Stunde lang. Auch die zweite angeordnete Zählung brachte keine brauchbaren Ergebnisse: Der Ingenieur zählte diesmal - im November 2013 - nur zwischen 7 und 9.30 Uhr. Erst ein neuer Gutachter lieferte brauchbare Zahlen: Tagsüber wird der Weg von durchschnittlich 73 Personen pro Stunde genutzt.

Zwar gibt es keinen festgesetzten Schwellenwert, ab wann die Verkehrswichtigkeit einer Stelle steigt. Die Richter orientierten sich nun allerdings an einem vergleichbaren älteren Fall, bei dem 2007 entschieden worden war, dass mindestens 100 Personen pro Stunde nötig sind, um von einem "belebten Fußgängerüberweg" sprechen zu können.

AZ: LG Bonn 1 O 155/12

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