Internat in Bad Godesberg wird geschlossen So geht es weiter mit dem Aloisiuskolleg

Bad Godesberg · Das Aloisiuskolleg in Bad Godesberg wird im Sommer sein Internat schließen. Die Schüler zeigen sich betroffen und verunsichert. Ehemalige sind entsetzt über die Entscheidung.

"Ich würde ganz gern bleiben", sagt Moritz. Für den Elfjährigen ist seit Montagabend klar, dass er ab Sommer nicht mehr im Aloisiuskolleg (Ako) wohnen kann. Denn dann schließt das Gymnasium an der Elisabethstraße sein Internat. „Mit großem Bedauern“, wie Rektor Pater Martin Löwenstein sagt. Die 68 Internen und auch die anderen Schüler zeigten sich betroffen und verunsichert, als die Nachricht offiziell verkündet wurde.

Schlafplätze gibt es für 150 Schüler: über der Verwaltung, wo die Jungs wohnen, und im Neubau für die Mädchen auf der anderen Straßenseite. „Früher war das Internat immer ausgebucht. Vor 20 Jahren fing es dann an zu bröckeln“, sagt Löwenstein. In den 2000er Jahren sei die Zahl der Bewohner auf 100 gesunken, stieg wieder auf Vollbelegung, als 2006 das Mädcheninternat eröffnet wurde. 2013 kam das Doppelabitur G8, zwei Jahrgänge zogen aus. „Davon haben wir uns nicht mehr erholt“, so der Rektor. Er bräuchte 80 Bewohner, um wirtschaftlich zu sein. Bei 60 hätte das Ako weitergemacht – im neuen Schuljahr wären es aber nur 50 gewesen.

Löwenstein denkt, dass heute viele Eltern ihre Kinder auf teure Landinternate mit kleinen Klassen schicken. Das kann das günstigere Ako, wo das Internatsjahr bei den Jesuiten rund 20.000 Euro kostet, nicht bieten. Mittlere und kleinere Einrichtungen stünden heute unter Druck, weil das schulische Ganztagsangebot ausgebaut und es immer mehr Privatschulen gebe. Was die Missbrauchsfälle angehe, hat der Jesuitenpater keine empirischen Daten: „Ich persönlich vermute aber, dass nach 2010 speziell für das Ako die Aufdeckung von Gewalt und Übergriffen eine Rolle gespielt hat, sei es, dass dadurch Vertrauen verloren gegangen ist, sei es, dass die einschneidenden pädagogischen Reformen in den Jahren seitdem von manchen Ehemaligen nicht mitgetragen wurden.“

Trauer bei ehemaligen Schülern

Er erinnere immer wieder daran, wenn Ehemalige von ihrer „guten Zeit“ auf dem Internat berichten, dass Schulkameraden zur selben Zeit auch viel Leid erfahren hätten. Der Eckige Tisch Bonn spricht von einem „längst überfälligen Schritt in die richtige Richtung“. Mit dem Internat schließe ein Ort des Missbrauchs, „der seit den 40er Jahren bis in unsere Tage viele Hundert beschädigte Biografien erzeugt hat“. Die Gründe für die Schließung seien in Fehlern der leitenden Jesuiten zu finden und nicht nur in einem Trend.

Wie viele Mitarbeiter von der Schließung betroffen sind, ergebe sich erst bei der Prüfung von Modellen für eine Schulkantine, so Löwenstein. Er rechnet, dass er fünf bis acht Angestellten kündigen muss. Die Internen werden rund um die Uhr im Dreischichtbetrieb betreut.

Ehemalige äußern in den sozialen Medien ihr Entsetzen: „Wir denken mit Freude und großer Dankbarkeit zurück.“ Das Internat sei „ein Stück Heimat“ für sie gewesen. „All das ist sehr schade, fast nicht zu glauben.“ Ein Ex-Schüler mutmaßt: Aus „reiner Missgunst“ sei „diese familiäre Institution gezielt zerstört und jetzt in der Konsequenz abgewickelt“ worden.

„Es ist eine schmerzhafte Entscheidung, die der Rektor getroffen hat“, so FDP-Bundestagsabgeordneter Alexander Graf Lambsdorff. Die Internen, die einen Teil ihrer Jugend zusammen waren, hätten eine enge Verbindung zueinander. „Stefan Raab war damals ein Jahr unter uns, er war da schon lustig“, so der Bonner, der mit Ashok Sridharan in eine Klasse ging. So bedauert auch der Oberbürgermeister (Abi '85) die Schließung, „weil es für die Schüler, die weiter weg wohnen, eine Alternative gewesen ist, um das Ako zu besuchen“. Künstler Leon Löwentraut, 2008 bis 2012 am Ako, meint: „Mir tun vor allem die internen Schüler leid, die sich an das Internat gewöhnt haben und nun aus der Gemeinschaft gerissen werden“. Den 20-Jährigen habe man sehr bei seiner Malerei unterstützt, „dafür bin ich sehr dankbar“.

Im Mädcheninternat soll nun eine Oberstufenwohngemeinschaft für die letzten Jahre bis zum Abitur entstehen – „vielleicht sogar langfristig“, sagt Löwenstein. Für die Altbauten werde noch nach Konzepten gesucht. Vielleicht wären die Gebäude ja für eine Bildungsstiftung oder eine UN-Organisation interessant, so der aus Bayern stammende Pater, der seit 2017 am Ako ist. Das Gymnasium hat 738 Schüler und ist auch im kommenden Jahr voll ausgelastet.

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