Demenz Seniorin bringt Nachbarn in Bad Godesberg in Gefahr

Bad Godesberg · Anwohner verhindern einen Brand in der Wohnung einer Demenzkranken und fühlen sich mit der Hilfe für sie überfordert. Doch wer für die Dame zuständig ist, bleibt unklar.

 Symbolbild: Ein junger Mann geht mit einer Dementen spazieren.

Symbolbild: Ein junger Mann geht mit einer Dementen spazieren.

Foto: picture alliance / dpa

Qualm dringt aus der Tür der Wohnung einer allein lebenden dementen Frau. Den Nachbarn im Mehrfamilienhaus gelingt es erst nach einigen Anläufen, die Frau zum Öffnen der Tür zu bewegen. Sie können gerade noch einen Brand verhindern: Die alte Dame hatte ihre Herdplatten nicht abgestellt. Als die Polizei eintrifft, beschuldigt die Dame plötzlich die Nachbarn, ihre Wohnung anzünden zu wollen. „Wir fragen uns, was erst passieren muss, damit endlich jemand tätig wird?“, wenden sich die Nachbarn nun an den GA.

Das Gesundheitsamt habe bei der Dame zwar längst Demenz mit deutlich aggressiven Zügen festgestellt. Eine Einweisung werde aber von dem Sohn, der weit entfernt wohne, verhindert. Einziger Ansprechpartner bleibe ein Pflegedienst, der vorbeikomme. „In unserem Haus guckt keiner weg, wir versuchen, uns gegenseitig zu helfen. Aber wir sind mit dieser Erkrankung überfordert“, sagen die Nachbarn. Sie sorgten sich um die alte Dame, aber auch um sich selbst und vor allem ihre kleinen Kinder. Alle seien gefährdet.

Auf GA-Anfrage bestätigt Polizeisprecher Michael Beyer, dass die Kollegen bei jeder Gefahrenmeldung sofort vor Ort kämen und, wenn nötig, die Feuerwehr herbeiriefen. In schwierigen Fällen wie dem geschilderten liege wohl eine Fremdgefährdung, aber offensichtlich keine Straftat vor. Somit benachrichtige die Polizei das zuständige Ordnungsamt. Ist also die Stadt zuständig, für die Sicherheit dementer Bürger und ihrer Nachbarn zu sorgen?

Bevollmächtigter muss für Pflegedienst sorgen

Das Sozialamt erklärt dazu, die rechtliche Vertretung von demenz- oder psychisch kranken Bürgern sei über das Betreuungsgesetz im Rahmen einer rechtlichen Betreuung oder privatrechtlicher Vorsorge durch Vollmacht geregelt. Aufgabe der Kommune sei es, bei Bekanntwerden von Umständen, die die Einrichtung einer rechtlichen Betreuung möglich erscheinen ließen, den Betreuungsbedarf zu prüfen.

Die Aufgabe des Bevollmächtigten sei es wiederum, Demenzbetreuer oder Pflegedienste zu installieren, also auch dafür zu sorgen, dass Herde abgestellt werden und dass etwa über Medikamente sogenannte Aggressionsspitzen abgeschwächt werden. Hiervon profitierten dann die demenzkranke Person und das Umfeld. Der rechtliche Vertreter sei aber an Wunsch und Wohl des Betreuten gebunden. Ein stellvertretendes Handeln im Sinne von „Wegsperren“ oder „Zwangsbehandlung“, wie es sich das Umfeld wünschen möge, sei rechtlich nicht möglich, erläutert das Sozialamt.

Und wie können Nachbarn sich schützen, wenn Maßnahmen nicht greifen? Indem sie dann selbst Altenhilfe, Gesundheitsamt, Betreuungsstelle oder das Amtsgericht informierten, um zu versuchen, ihre Rechte gegenüber der kranken Person durchzusetzen, antwortet das Sozialamt.

Das Thema sei eine „heikle Gradwanderung“, weiß auch Dirk Wolter, Chefarzt für Gerontopsychiatrie der LVR-Klinik. Man möge immer auch die Perspektive der Kranken einbeziehen: „Der Frau in diesem Fall geht es offensichtlich so schlecht, dass sie jede Veränderung als bedrohlich erlebt und aggressiv reagiert.“ Andererseits schlägt Wolter Spielregeln für die Angehörigen vor: etwa in Herde Abschaltmechanismen einzubauen. Und wenn Angehörige aus der Entfernung nicht direkt helfen könnten, mögen sie doch die Betreuung in Hände vor Ort legen.

Ein Pflegedienst reiche da oft wohl nicht mehr aus. „Vorbehalte gegen die Psychiatrie sollten übrigens nicht sein. In einer Klinik fliegt keiner über's Kuckucksnest“, wehrt sich der Chefarzt, dass Parallelen zum gleichnamigen Film gezogen würden. Die Nachbarn von Dementen wiederum sollten versuchen, den Ball flach zu halten und die Situation nicht eskalieren zu lassen. „Sie sollten immer im Gespräch bleiben: mit den Dementen, dem Pflegedienst, dem Hausarzt und den Angehörigen.“

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