Godesheim und Johannes-Gutenberg-Schule Schulverweigerer erfahren das Lernen neu

BAD GODESBERG · Eine richtig muntere Schülerrunde hat da an diesem Nachmittag im Godesheim zusammengefunden. Justin erzählt erst noch ein wenig schüchtern, dann aber umso begeisterter, wie er Fahrradschläuche flicken gelernt hat. "Wenn du keinen Platten mehr haben willst, darf der Schlauch danach im Wasser nicht mehr blubbern", erläutert der Zwölfjährige anschaulich. Und sein Freund Jason ergänzt, was auf das Loch zu kleben ist und wie das dann auch hält.

Der zwölfjährige Justin kennt sich mit Fahrradreifenreparatur inzwischen bestens aus. Das hat er in einem Werkstattkursus gelernt.

Der zwölfjährige Justin kennt sich mit Fahrradreifenreparatur inzwischen bestens aus. Das hat er in einem Werkstattkursus gelernt.

Foto: Godesheim

Die beiden haben beim Godesheim-Sozialpädagogen Frank Pfeil eine Fahrradwerkstatt durchlaufen. Pfeil wirft Bilder von schwitzenden Schülern an die Wand, wie sie mit Eifer ihre Räder reparieren und dann im Wald einen Parcours für die Bikergruppe anlegen. "Diese Strecke wollen wir noch fertig stellen und einen Film über eine Rallye drehen."

Die Werkstatt ist Teil eines erfolgreichen Projekts, in dem chronischen Schulverweigerern wie Jason und Justin die Angst vor dem Lernen genommen wird. "PEB-Schule" nennen die Sonderpädagogen der Johannes-Gutenberg-Schule und der Jugendhilfe Godesheim ihre Kooperation. Die schulische Betreuung wird für demotivierte Jugendliche mit lebensnahen Angeboten angereichert. "Es ist eine Schule der etwas anderen Art: Sie nimmt sich der Jugendlichen an, die jahrelang jede Bindung an das tradierte Schulsystem verloren haben und vor dem bildungsbezogenen Nichts stehen. Sie erfahren hier Schule neu. Genau hier zündet PEB", erklärt fürs Godesheim Kerstin Rüttgerodt. Man zeige den jungen Leuten, dass Lernen Spaß machen könne. Und zwar durch individuell zugeschnittene Lerninhalte, Einzel- oder Kleingruppenunterricht, durch ein persönliches Vertrauensverhältnis zwischen Schülern und Lehrern, durch Praxismotivation.

"Sie werden an stufen- und prüfungsrelevante Lerninhalte herangeführt und können, je nach Leistungsstand, erneut in eine Regelschule integriert werden." In der munteren Runde werden gerade die Karten neu gemischt: Die Lehrer sollen nun die von den Schülern erläuterten Arbeitsschritte des Reifenflickens verbalisieren: Und siehe da, Jason, Justin und die anderen Schüler müssen ihren Pädagogen beim Fachvokabular einige Male aus der Patsche helfen. "Toll, Ihr seid Spitze", gibt Nadine Bamberger, Lehrerein der Gutenberg-Schule, neidlos zu. Die PEB-Schüler freuen sich. An den Wänden stehen Gedächtnisstützen geschrieben wie "Ich lasse den anderen ausreden", "Ich halte mich an Gesprächsregeln" und "Ich höre dir zu". Noch fällt es einigen Jugendlichen schwer, sich daran zu halten. Ehrgeizig wollen sie zeigen, was sie alles gelernt haben.

Aaron und Felix machen dann vor, wie das klappt, indem man auch die Spielregeln einhält. Peter Thomas, Sozialpädagoge des Godesheims, befragt die 14-Jährigen nach den Ergebnissen ihrer Kunstwerkstatt. Aaron kann sofort die Maltechnik in Pastellfarben erklären. Felix berichtet von einer Gruppenexkursion zum Kölner Dom. Was Gotik ist? "Das ist, wenn man baut und immer nach Licht sucht", antwortet der Schüler. Alle sind voll konzentriert. Den Ausflug ins Mittelalters haben sie in guter Erinnerung. Und was machten die Menschen in gotischen Gebäuden? "Beten", kommt sofort aus der Schülergruppe. Und zu was seien die Kathedralen der Moderne, die Hochhäuser, da? "Na, nicht zum Beten, zum Arbeiten." Erneut Punkt für die PEB-Schüler.

Die PEB-Schule

Sich selbst etwas zutrauen, ist die Basis für jegliches Lernen. Dasist die Devise des Kooperationsprojekts von Godesheim undJohannes-Gutenberg-Schule für Schulverweigerer. Die Kinder könnenin praktischen Kursen Individualität ausbilden und durch neueschulische Erfolgserlebnisse schrittweise das nötige Vertrauen inihre Fähigkeiten gewinnen. Seit 2008 wird das Projekt vom RotaryClub- Bonn- Museumsmeile mit einer Unterstützung von mehr als 20 000 Euro finanziell ermöglicht.

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