Historische Ansichten Schon 1960 war Wohnraum in Bad Godesberg knapp

Heiderhof · Lokalhistoriker Wilfried Rometsch erzählt von den Anfängen der Siedlung Heiderhof. Viele Bundesbeamte hausten seinerzeit in möblierten Zimmern.

 Das Karussell Enterprise steht auf der großen Kirmes.

Das Karussell Enterprise steht auf der großen Kirmes.

Foto: GA-Archiv

„Eigentlich entstand Ihr Ortsteil vor allem aus der Not“, meinte Referent Wilfried Rometsch zu Beginn des „Andere-Bücherei“-Termins der katholischen Kirche Frieden Christi. Organisator Joachim Schick konnte sich darüber freuen, sozusagen den halben heutigen Heiderhof an den zum Bersten vollen Cafétischen begrüßen zu können.

Rometsch, ein Lokalhistoriker mit Herz, holte weit aus: Bis es 1962 bei Baubeginn des Höhenortsteils zu Presseschlagzeilen kam wie „Ein Heiderhof für alle“ und „Nun doch kein Stadtteil für Millionäre“, musste eine ganze Menge Wasser den Rhein herunterfließen. Und der Stadtrat des damals noch selbstständigen Bad Godesberg musste sich etliche Male die Köpfe heiß reden. Denn das im Einzugsbereich der Bundeshauptstadt liegende Godesberg hatte nach 1945 enorme Wohnungsnot. Von 43 000 Einwohnern war man bis 1960 auf satte 68 000 angewachsen. Und die neu hinzugezogenen Bundesbeamten hockten schon über Jahre in möblierten Zimmern herum.

Neubaugebiet über den Dächern Bad Godesbergs

1960 sei der Stadtrat endlich überein gekommen: Ein großes Neubaugebiet musste her, am besten auf den Wiesen über den Dächern Godesbergs. Doch da war die Verwaltung mit Stadtdirektor Fritz Brüse vor: Mit allen Mitteln hätten sie versucht, sich die dafür nötigen Erschließungs- und Planungsarbeiten zu ersparen, so Rometsch. Und dann noch eine extra Zufahrtsstraße bauen? Nein, habe Brüse gemeint, es gebe doch im Pennenfeld noch genügend Bauland.

Dem seien jedoch die Godesberger Politiker nicht auf den Leim gegangen. Denn parallel sei der Bauunternehmer Hans Blatzheim schon auf dem besten Weg gewesen, den Privatbesitzern den 500 000 Quadratmeter großen Heiderhof separat abzukaufen. Im Januar 1961 hätten die CDU-, SPD- und FDP-Politiker mit Blatzheim Klartext gesprochen. Sie wüssten zu verhindern, dass er allein baue, und das, wie man wisse, möglichst nur für betuchte Käufer.

„So wurde beschlossen, dass der Heiderhof auch für minderbemittelte Siedler wohnbar gemacht werden musste“, berichtete Rometsch, und ein Murmeln ging durch die Reihen. Doch, genauso habe es in den Akten geheißen, antwortete der Referent lachend. Und dann berichtete er in einem Ritt durch die weitere Baugeschichte, wie der an Wohnraum für seine Mitarbeiter interessierte Bund 1962 als Vorkäufer den Heiderhof erwarb.

Autos sollten außen vor bleiben

Wie er ihn dann zu genauen Vierteln an drei Wohnbaugesellschaften, darunter auch die Blatzheims, und an die Stadt Bad Godesberg weitergab. Wie der erste Architektenentwurf abgeschmettert wurde, der massive Hochhäuser und üppige Straßenziehungen vorsah. Und wie man sich schließlich innerhalb eines Demonstrativbaumodells des Bundes auf das Prinzip einigte, mit einer Ringstraße möglichst viel Wohnraum von Straßen freizuhalten. „Das Auto muss hier nicht vor jeder Tür bereitstehen“, sei das Motto gewesen.

Die weiteren Schritte zum beliebten Ortsteil schloss Rometsch natürlich auch an. Aber er verweilte besonders gerne beim aufmüpfigen Naturell der Neubürger. Wo habe schon mal eine Siedlergemeinschaft erfolgreich gegen zu hohe Kosten eines Heizwerks geklagt? Und wo habe eine früh ökumenisch handelnde Elternschaft die geplante Trennung in eine evangelische und eine katholische Schule so stark argumentierend zu verhindern gewusst? „1999 und 1967 auf dem Heiderhof“, antwortete Rometschs Zuhörerschaft.

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