Diskussion über Flüchtlingspolitik "Schnellen Zugang zu Arbeit gewähren"

BAD GODESBERG · Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer und im Pazifik, Militäraktionen gegen Schlepperschiffe, Diskussionen um die Einführung einer Quote zur Verteilung von Flüchtlingen in den EU-Ländern. Dazu Übergriffe in Asylbewerberheimen auf der einen, engagierte Willkommenskultur auf der anderen Seite. Unter diesen aktuellen Vorzeichen fand am Donnerstag die erste Folge der neuen Veranstaltungsreihe "Bonner Republik" statt.

Gastgeber Alexander Graf Lambsdorff, FDP-Abgeordneter und Vizepräsident des Europäischen Parlaments, hatte unter dem Titel "Refugees Welcome? - Angst vor Überfremdung oder Pflicht zur Hilfe?" den Cap-Anamur- und Grünhelme-Gründer Rupert Neudeck in den restaurierten Gemeindesaal der evangelischen Erlöserkirche im Godesberger Villenviertel eingeladen.

Zusammen mit Joachim Stamp, integrationspolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, und der Bad Godesberger Bezirksbürgermeisterin Simone Stein-Lücke (CDU) diskutierten sie vor mehr als 200 interessierten Bürgern über den erforderlichen Wandel in der EU-Flüchtlingspolitik und die Situation in Nordrhein-Westfalen und Bad Godesberg. Hier werde Willkommenskultur groß geschrieben, findet Stein-Lücke.

Gerade durch die von Jana Biesenbach vom DRK vorbildlich geleitete Notunterkunft in Muffendorf mit Platz für 216 Asylbewerber habe ihr Stadtbezirk eine besondere Rolle. Mit ihrer Modellaktion "Good Godesberg" hatte sie bereits im März Restaurantbesitzer dazu gewonnen, Flüchtlinge mit einem kostenlosen Essen zu begrüßen. Außerdem hätten sich einige Friseure bereit erklärt, einigen der in Muffendorf auf ihre Asylverfahren wartenden Menschen aus den Balkan-Staaten, dem Iran, Irak, Afghanistan, aber auch Haiti oder Aserbaidschan kostenlos die Haare zu schneiden, so Stein-Lücke. Das Ziel hinter der Kampagne: "Die Flüchtlinge zu den Einheimischen bringen und umgekehrt!"

Dieses persönliche Engagement von Bürgern, Kirchen und Vereinen und deren Fantasie sieht Neudeck leider viel zu selten im Mittelpunkt der medialen und öffentlichen Wahrnehmung. Die Vorfälle etwa in Burbach oder gerade erst in Hannover dürfe man zwar nicht verschweigen, da sind sich alle auf dem Podium einig. Doch auf die deutsche Bevölkerung könne man sich in der Regel verlassen, findet der in Troisdorf lebende Friedensaktivist. Die meisten der nach Deutschland kommenden Menschen seien gar keine Flüchtlinge, sondern Zuwanderer, die Arbeit suchen, sagt Neudeck.

Da Europa heute der Magnet der Welt sei, machten sich Millionen vor allem junge mit einem Kredit ihres Dorfes ausgestattete Afrikaner auf den Weg nach Europa, um eine Ausbildung zu machen. Sie wollten sich eine Perspektive für eine spätere Rückkehr in ihr Land schaffen. Neudeck ist sich deshalb sicher: "Wir werden die Menschen auch in Zukunft nicht abwehren können. Wir brauchen eine ganz neue Politik, und die sehe ich noch nicht." Er selbst versucht mit Hilfsorganisationen Berufsausbildungszentren etwa in Mauretanien, aber auch in Deutschland ins Leben zu rufen. "Denen muss man Möglichkeiten geben zu arbeiten, denn das ist ein Menschenrecht", so Neudeck.

Das sieht auch Stamp so. Er kämpf als Landtagsabgeordneter dafür, dass Flüchtlinge und Arbeitsmigranten vom ersten Tag an Zugang zu Arbeit bekommen. Für ihn ist die Teilnahme am Arbeitsmarkt der Schlüssel zur Integration und Identifikation. Deshalb könne auch keine Rede von wirtschaftlicher Ausbeutung sein.

Eine Quote hält vor allem Neudeck für dringlich, damit die Mittelmeerstaaten endlich entlastet werden können. Deutschland stehe dabei zusammen mit Skandinavien an der Spitze und dürfe nicht auf alle europäischen Staaten warten. Lambsdorff: "Wir müssen jetzt vorangehen."

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