Rundgang der Werkstatt Baukultur Qualitäten des Altstadtcenters

BAD GODESBERG · Martin Bredenbeck ist Kunsthistoriker und arbeitet in der Werkstatt Baukultur der Universität Bonn mit. Bei seiner Führung rund um das umstrittene Bad Godesberger Altstadtcenter hatte er noch einen Nebenjob als Anwalt für schwierige Fälle. Einen besseren Verteidiger könnte sich wohl niemand wünschen.

 Die Wassertreppe sprudelt allerdings nicht mehr.

Die Wassertreppe sprudelt allerdings nicht mehr.

Die große Zahl Architekturinteressierter, die sich auf Einladung von Volkshochschule Bonn und Werkstatt Baukultur zum kostenlosen Rundgang zusammengefunden hatte, erfuhr nicht nur alles über die sichtbaren baulichen Besonderheiten des Gebäudes, sondern auch über das Unsichtbare.

Welche Vorstellungen beherrschten das Denken von Politikern, Architekten und Investoren während des langen Planungszeitraums über die gesamten 1970er Jahre hinweg? Wieso wurden die Häuschen im "Knolleveedel" für den 8600 Quadratmeter großen Neubau so freimütig abgerissen? Bredenbeck erklärte: "Das damalige Ideal hieß Sanierung - heilen und besser machen.

Alte Häuser verkörperten keinen Wert, die meisten bevorzugten etwas Komfortables, Neues. Architekt Gottfried Böhm wollte das Beste aus der Geschichte in eine Baustruktur der Gegenwart überführen." Viele Details zeugen davon: Die bräunlichen Keramikkacheln, die Erker, Rücksprünge und markisenartigen Steinschürzen erinnern an alte Dörfer, genauso der mittige Platz, die Pergolen und die Bogenlaternen.

Als zusätzlicher Blickfang sollte das Gebäude zwischen der Fußgängerzone und der Godesburg "schweben". Doch schon damals protestierten Bürger, denen der Böhm-Bau zu dominant erschien. Sie erreichten eine Planungsänderung von zehn auf sechs Geschosse. Am Fuße der steinernen Rampe, der auffälligsten Eigenheit des Altstadt-Centers, herrschte unter den Teilnehmern der Führung Übereinstimmung: Sie sei eher hinderlich als nützlich, für ältere Leute schwierig zu erklimmen und Schuld daran, dass attraktive Geschäfte mangels Umsatz wieder ausgezogen sind. "Anwalt" Bredenbeck machte sich erneut stark für den Angeklagten. "Hier war ja ursprünglich eine Wassertreppe. Überlegen Sie, wie viel mehr an Lebensqualität es bedeuten würde, wenn sie wieder sprudeln würde."

Doch er räumte auch ein: "Raufzukommen ist im Moment kein Lustgewinn - das ist das große Problem. Die Frage ist nur, ob die bisherigen Nutzer etwas falsch gemacht haben oder die Architektur es erschwert hat?" Sollte der langgestreckte Zugang tatsächlich als architektonische Hemmschwelle wirken, bekäme das möglicherweise auch der neue Investor zu spüren.

Denn dieser soll, wie Johannes Plate von der Volkshochschule zu ergänzen wusste, dem hochbetagten Gottfried Böhm zugesichert haben, "seine" Rampe zu erhalten. Das Gebäude steht nicht unter Denkmalschutz. Doch als Urheber hätte der berühmte 94-jährige Architekt die Möglichkeit, sogenannte "Veränderungssperren" zu verhängen. "Ich kann mir allerdings nicht vorstellen", vermutete Bredenbeck, "dass er am Ende seines langen Arbeitslebens solche Kämpfe noch ausfechten möchte."

Nach einem Besichtigung der backsteinverkleideten Rückseite des Centers, die mit ihrem vielfach gefalteten, abgeschrägten Sockel an eine trutzige mittelalterliche Burg erinnert, hielt der Kunsthistoriker auf dem verwaisten Plateau ein engagiertes Abschlussplädoyer. Das Altstadtcenter sei aus heutiger Sicht bestimmt kein perfektes Gebäude, "doch der Mangel an Alternativen schärft den Blick für die Qualitäten des Bestandes".

So mancher Rundgangs-Teilnehmer schritt am Schluss die Rampe mit einem etwas milderen Blick auf das viel diskutierte Ensemble hinunter. Auch die Bad Godesbergerin Elke Thomas-Zernack empfand die geschichtliche und architektonische Einordnung durch den Fachmann als gewinnbringend: "Persönlich bin ich jetzt noch fester überzeugt, dass man versuchen sollte, die vorhandenen Strukturen zu erhalten."

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