Macher und Menschenfischer Pfarrer Wolfgang Picken feiert silbernes Priesterjubiläum

Bonn · Pfarrer Wolfgang Picken feiert am Sonntag, 17. Juni, mit einem Festgottesdienst in der Kirche St. Marien sein silbernes Priesterjubiläum. Er ist ein politischer Mensch in gesellschaftlicher Mission.

Beruf oder Berufung: Wie haben Sie Ihren Weg eingeschlagen?

Wolfgang Picken: Ursprünglich habe ich nicht Priester werden wollen. In der Oberstufe war mein Wunsch, Journalist zu werden oder in die Politik zu gehen. Aber es sollte anders kommen. Ich bin in der sehr lebendigen Dompfarrei von Köln groß geworden. In einem Gesprächskreis für Jugendliche stellte uns unser Kaplan die Frage: Priester werden Ja oder Nein? Diese Diskussion hat ein monatelanges Nachdenken in mir ausgelöst. Nach der Abi-Zeugnisübergabe habe ich mich dann unerwartet am Schreibtisch wiedergefunden. Ich bat den Kardinal um Aufnahme unter die Priesteramtskandidaten und schrieb ihm zugleich, unter welchen Bedingungen ich bereit wäre, ein Jahr zur Probe in das Priesterseminar zu gehen – so was von peinlich. Er hat aber ganz gütig geantwortet und mich als Kandidat angenommen. Das war die wichtigste Weichenstellung in meinem Leben und hat mir den Weg in den schönsten Beruf eröffnet, den ich mir denken kann.

Wie lief das Studium in Bonn?

Picken: Ich fand es am Anfang nur schrecklich. Damals wohnten im Albertinum fast 200 Priesteramtskandidaten. Alles Theologen mit demselben Ziel. Mir war das zu einseitig, zu eng. Ich wollte abbrechen. Der Direktor schlug dann vor, dass ich parallel Politik studieren sollte. Von dem Moment an war ich innerlich zufrieden, weil ich auch meine gesellschaftlichen und sozialen Interessen mit meinem Berufsziel verbinden konnte. Ein Jahr später wurde ich für das Erzbistum in das römische „Collegium Germanicum et Hungaricum“ geschickt. Die Folge war, ich musste das Zweitstudium wieder aufgeben. Das war der falsche Weg! Also kehrte ich nach einem Jahr nach Bonn zurück, um die Studienkombination abzuschließen.

Kommen Sie aus einer Familie, die der Kirche nahesteht?

Picken: Ja. Ich komme aus einer Familie, in der es selbstverständlich ist, seinen Glauben zu leben und ihn auch mit Politik und gesellschaftlichen Dingen zu verknüpfen. Diese Religiosität war eine wichtige Grundlage für meine Entscheidung und eine Hilfe für den weiteren Weg. Mein Berufswunsch wurde mit Wohlwollen, durchaus auch kritisch begleitet, aber es gab keine Widerstände.

Haben Sie bei der Priesterweihe geahnt, dass Sie in einem Pfarrhaus mit Rheinblick landen, aber auch in einer so riesigen Gemeinde?

Picken: Wie sich die Kirche entwickeln würde, das war vor 25 Jahren nicht absehbar. Mein Ziel war es immer, als Seelsorger in einer Gemeinde zu arbeiten. Dass sie so groß sein würde, hätte ich nicht gedacht. Nach der Promotion wären auch andere Tätigkeiten denkbar gewesen. Aber ich bin meiner Entscheidung treu geblieben und Pfarrer geworden. Das war kein Fehler, im Gegenteil!

Bei der Zusammenlegung der Godesberger Gemeinden gab es einigen Gegenwind.

Picken: Als ich 2004 Pfarrer im Rheinviertel wurde, war vereinbart, dass dies für die nächsten zehn Jahre meine Aufgabe bleibt. Als 2009 das Erzbistum Köln forderte, dass ich ganz Bad Godesberg übernehmen solle, war das eine totale Überraschung. Der verständliche Widerstand, den es in der Bevölkerung gab, war auch meiner. Ich konnte mir schlecht vorstellen, dass Bad Godesberg mit seinen vielen Dörfern und Kirchorten ein Seelsorgebereich werden könnte. Das Bistum blieb aber bei seiner Entscheidung. Rückblickend würde ich sagen, dass das Zusammenrücken weitgehend gelungen ist und die Kirche stark gemacht hat, ohne dass die Identität der einzelnen Kirchorte gelitten hätte. Wir sind für die nächsten Jahre gut aufgestellt, während jetzt überall sonst die Gemeinden ähnliche Prozesse vor sich haben.

Was bedeutet der große Seelsorgebereich im Alltag?

Picken: Es ist zunächst ein Vorteil des großen Seelsorgebereichs, dass sich anders als früher alle anderen Mitglieder im Pastoralteam ausschließlich der Seelsorge widmen können. Für mich bedeutet das aber, dass Leitung und Organisation auf meinen Schultern lasten. Als Pfarrer von Bad Godesberg ist man nicht nur Impulsgeber für die Pastoral, sondern auch Leiter eines großen mittelständischen Unternehmens mit 250 Mitarbeitern und vielen Institutionen. Seit Jahren fordern wir hier Veränderung und Entlastung. Im September nimmt endlich eine Verwaltungskoordination ihre Arbeit auf. Dann wird mir wieder mehr Zeit für die unmittelbare Seelsorge bleiben.

Sie haben viele Projekte auf die Schiene gesetzt, auch mit Rückhalt der Bürgerstiftung Rheinviertel. Wäre das alles auch ohne das finanzkräftige Umfeld möglich?

Picken: Die Stiftung wäre missverstanden, wenn es nur darum ginge, Geld zu sammeln. Die Idee ist größer. Wir wollten die Menschen dafür gewinnen, sich vor Ort für die Probleme zu interessieren und sie gemeinsam zu lösen. Dabei soll jeder seine „Gabe zu geben“ einbringen können. Die einen tun dies mit ihren Spenden, die anderen mit ihrer Zeit, ihren Ideen und Kompetenzen. Beides ist gleichbedeutend. Toll ist, dass diese Idee aufgegangen ist und die Stiftung sich so erfolgreich entwickeln konnte. Ich bin sehr bewegt davon, was möglich wird und verändert werden kann, wenn Menschen sich gemeinsam engagieren. Das macht Mut für die Zukunft.

Ein wichtiges Feld ist die Flüchtlingshilfe geworden. Glauben Sie, dass Integration klappen kann?

Picken: Es ist dem großen Einsatz vieler Bürger und dem Engagement des Runden Tischs Flüchtlingshilfe zu verdanken, dass es in Bad Godesberg nicht zu nennenswerten Schwierigkeiten gekommen ist. Die erste Phase der Integration der Geflüchteten ist sehr gut gelungen. Jetzt wird die große politische Debatte entscheiden, ob günstige Rahmenbedingungen für eine weiter fortschreitende Integration geschaffen werden. Will man die Geflüchteten weiter integrieren oder will man sie möglichst schnell, wenn Frieden ist, wieder loswerden? Wollen wir sie als Mitbürger und Kollegen? Solange diese Fragen nicht wohlwollend geklärt sind und die polarisierenden Debatten kein Ende finden, wird der Integrationsprozess stocken. Niemand – am Ende auch die Flüchtlinge selbst – weiß, wo sie hingehören.

Nach der brutalen Attacke auf Niklas Pöhler vor zwei Jahren gab es auch Stimmen, Sie wollten das Thema medial für sich nutzen. Wie kam es überhaupt zur engen Anbindung an die Familie Pöhler?

Picken: Eine enge Freundin der Familie Pöhler arbeitet in meinem Team. Sie bat mich, mit Niklas' Mutter in Bad Breisig Kontakt aufzunehmen und sie zu unterstützen. Das war noch zu dem Zeitpunkt, als Niklas im Krankenhaus lag. Daraus hat sich mit der Zeit eine intensive seelsorgliche Begleitung entwickelt. Schon zu Beginn wurde klar, dass es der Familie wichtig war, dass Konsequenzen aus dem tragischen Tod gezogen werden. Sie hat mich gebeten, dieses Anliegen in ihrem Auftrag zu verfolgen. Ihnen selbst fehlte die Kraft dazu. Ich habe das getan, nicht zuletzt, weil ich sicher war, dass es für Bad Godesberg, aber auch über den Stadtbezirk hinaus notwendig ist, dass wir ehrlich hinsehen und offen darüber diskutieren, wie wir soziale Konflikte und Aggressionen vermeiden und ähnliche Vorfälle verhindern. Die Kooperation mit den Medien war dafür unumgänglich. Das Ergebnis schließlich gibt uns recht: Es hat sich vieles zum Guten verändert, weiteres ist im Prozess.

Welche Ziele haben Sie?

Picken: Wir sind in Bad Godesberg, was die kirchlichen Strukturen und pastoralen Ideen angeht, ein gutes Stück weitergekommen, das muss man weiterentwickeln und etablieren. Was den Stadtbezirk betrifft, werde ich alles dafür tun, was unser Bad Godesberg nach vorne bringt und belebt. Es ist so schön, hier zu leben! Mit der Bürgerstiftung Rheinviertel möchte ich mich der Frage zuwenden, wie wir Menschen im Alter unterstützen können. Gerne würde ich einen ambulanten Dienst einrichten, der dementiell Erkrankte und ihre Angehörigen begleitet. Persönlich: Ich will als Pfarrer von Bad Godesberg weiter das tolle Potenzial nutzen, das diese Gemeinden und die Menschen hier bieten.

Der Festgottesdienst beginnt am Sonntag um 11.30 Uhr in der Kirche St. Marien an der Burgstraße, parallel dazu Kleinkindergottesdienst im Pfarrzentrum. Im Anschluss lädt die Gemeinde zu einem Empfang ein.

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