Martin Semmelrogge in Bad Godesberg Mit 60 endlich angekommen

Plittersdorf · Schauspieler Martin Semmelrogge ist der erste Gast beim neuen Talk im Bistro „Pura Vida“. Er findet, dass es "viel Schrott im Fernsehen" gibt.

 Plaudern über die Zeiten als kleiner Lausbub, das Fernsehen und den Burn-out: Veronika Prühs und Martin Semmelrogge.

Plaudern über die Zeiten als kleiner Lausbub, das Fernsehen und den Burn-out: Veronika Prühs und Martin Semmelrogge.

Foto: Horst Müller

Da passte der erste Gast der neuen Talkreihe „Von Mensch zu Mensch“ im Bistro „Pura Vida“ gleich nahezu perfekt zum Namen des Hauses, denn: Mit seinen Aufs und Abs, seinen Eskapaden und Erfolgen repräsentiert Martin Semmelrogge, das Enfant terrible der deutschen Schauspielerzunft, sozusagen das „pure Leben.“

Daran ließ Semmelrogge, der zurzeit wieder mit dem Kleinen Theater unterwegs ist, das Publikum teilhaben. „Is ja ganz schön Alarm hier“, freute sich der mittlerweile 60-jährige Schauspieler mit der markant-kauzigen Stimme, als er nach viel Beifall neben Gastgeberin Veronika Prühs Platz nahm.

Die Rüngsdorferin, die seit neun Monaten das Bistro an der Wurzerstraße betreibt, kennt Semmelrogge aus Mallorca, wo dieser, wenn er nicht gerade durch deutsche Lande tourt, seinen Lebensmittelpunkt gefunden hat. „Mallorca ist einfach die schönste Insel der Welt, außerdem muss ich mich dort beim Fahrradfahren nicht gleich anschnallen“, meinte er süffisant.

Sowohl auf der Mittelmeerinsel als auch hier in der Region ist der drahtige Mann in den vergangenen Jahren viel mit dem Rad unterwegs: „Sport und Natur sind mittlerweile meine Rückzugsgebiete“, verriet er. „Man muss seine Mitte finden.“ Das war nicht immer so. „Ich war ein Lausbub vom Land“, bekannte der 1955 in der Schwäbischen Alb geborene Schauspieler.

Ob frühe Schauspielerfolge als Teenager, dann seine Drogen- und Revoluzzerzeit in den 1970ern, sein endgültiger Durchbruch mit dem Welterfolg von „Das Boot“, missglückte Auswanderungsversuche oder geglückte Familiengründung – Martin Semmelrogge schilderte sein turbulentes Leben unter anderem auch mit einer Vorleseepisode aus seinem 2014 erschienenen Buch „Ein wilder Ritt durch 50 Jahre Paragraphistan“, wo er auf humorvolle und selbstironische Weise das Publikum auf seiner Reise durch die vergangenen fünf Jahrzehnte in Deutschland und anderswo mitnahm.

„Ich wäre so gern ein Hippie gewesen, aber leider musste ich in die Waldorfschule“, erinnerte er sich. „Schon mit 19 Jahren hatte ich den ersten Burn-out“, sagte Semmelrogge. Der Grund: Zu viele Serien wie „Derrick“, „Der Alte“, „Tatort“ oder „Ein Fall für zwei“, in denen er den meist liebenswerten Gauner mimte. Dabei wurde seine aufgeschlossene, unkonventionelle Art und sein entwaffnendes Lächeln zu seinem Markenzeichen.

2008 entdeckte er, „eher aus Verlegenheit“, wieder die Theaterbühne für sich. „Ich bin ein Theaterkind und war immer an der Front“ – wo man ihn von Bad Godesberg bis nach Bad Segeberg bei den Karl-May-Festspielen in den vergangenen Jahren sehen konnte. Ende 2015 spielte er in Godesberg in „Biedermann und die Brandstifter“ in einem Klassiker von Max Frisch „so eine Art Goebbels“, wie er meinte. „Ich kriege eben leider so wenige romantische Rollen angeboten“, gab er dabei zu Protokoll.

Am TV von heute ließ er kein gutes Haar: „Es gibt einfach zu viel Schrott im Fernsehen. Ich bin wirklich nicht begeistert, was da so gezeigt wird“, sagte er. Dass er selbst noch vor drei Jahren bei Promi-Big- Brother beim Privatfernsehen mitmachte, war wohl eher dem guten Taschengeld geschuldet, dass es für den Auftritt gab.

Mit 60, resümierte er, sei er endlich angekommen. Vielleicht trägt auch die Tatsache mit dazu bei, dass er mittlerweile Großvater ist. Seine beiden Kinder, mit denen er in Bad Segeberg schon zu dritt auf der Bühne stand, sind nun in die Fußstapfen des Vaters getreten. Denn eines steht bei Semmelrogges fest: „Schauspieler ist der schönste Beruf auf der Welt.“

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