Initiative „Kurze Beine – Kurze Wege“ Konfession soll bei Aufnahme an Schule kein Kriterium sein

Bad Godesberg · Die Initiative „Kurze Beine – Kurze Wege“ will, dass das Bekenntnis keine Rolle dabei spielt, an welcher Schule Kinder aufgenommen werden. Seit zehn Jahren setzt sich die Gruppe von Eltern dafür ein.

 Die Aktivisten freuen sich über das, was sie in den letzten zehn Jahre erreicht haben. Max Ehlers (3.v.r.) hat Flyer erstellt. Rechts ist  Beatrix Buttler zu sehen.

Die Aktivisten freuen sich über das, was sie in den letzten zehn Jahre erreicht haben. Max Ehlers (3.v.r.) hat Flyer erstellt. Rechts ist  Beatrix Buttler zu sehen.

Foto: Meike Böschemeyer

Nein, ihr Zehnjähriges sei kein Grund zum Feiern, sagt Max Ehlers, Mitgründer der Initiative „Kurze Beine – Kurze Wege“, die sich 2009 in Godesberg bildete und inzwischen landes- und bundesweit ausstrahlt. „Wir können nicht fassen, dass an 30 Prozent aller Grundschulen in NRW nach wie vor die Konfession eines Kindes das wichtigste Aufnahmekriterium ist“, führt Ehlers aus. Laut NRW-Recht werden in katholischen und evangelischen Bekenntnisschulen Kinder „nach den Grundsätzen des betreffenden Bekenntnisses unterrichtet und erzogen“.

In Gemeinschaftsschulen werden Schüler „auf der Grundlage christlicher Bildungs- und Kulturwerte in Offenheit für die christlichen Bekenntnisse und für andere religiöse und weltanschauliche Überzeugungen gemeinsam unterrichtet und erzogen“. Beide Schulformen sind öffentlich. Öffentliche Schulen, die von allen Steuerzahlern zu 100 Prozent finanziert würden (und das sind eben auch die katholischen und evangelischen Bekenntnisschulen), könnten, so Ehlers, in NRW Lehrkräfte und Schüler aufgrund ihres Glaubens ausgrenzen. Kinder, die nebeneinander wohnten und gemeinsam in den Kindergarten gegangen seien, dürften in Bonn mancherorts nicht gemeinsam auf die gleiche Grundschule gehen.

Sogar in Bayern ist die Trennung abgeschafft

Ehlers spielt auf die Tatsache an, dass seit der Aufhebung der Schulbezirksgrenzen durch die schwarz-gelbe NRW-Regierung 2009 auch in Bonn der Zugang zu den hier insgesamt 47 Grundschulen neu geregelt ist: an den 18 katholischen und zwei evangelischen Schulen zählt  auch die Konfession und nicht mehr nur die Wohnortnähe. Wie berichtet, erhalten seither immer wieder Bonner Familien Ablehnungen für die nächstgelegene Grundschule, in denen dann getaufte Kinder bevorzugt werden müssen. „Ein himmelschreiender Anachronismus“, meint Ehlers. Das Schulgesetz von NRW sei in dieser Hinsicht im Bund einmalig. Selbst in Bayern sei die konfessionelle Trennung an Grundschulen seit 50 Jahren abgeschafft.

„Kurze Beine brauchen doch zu Fuß kurze Wege“, erläutert Beatrix Buttler den Gruppennamen. Klagen von Eltern gegen Ablehnungen seien in NRW aber noch nicht zum Ziel gelangt. Die Initiative, im Kern gut ein Dutzend Eltern aus Godesberg bis Siegburg, stelle noch heute das Landesrecht in Frage. Auch Gemeinschaftsgrundschulen seien dazu verpflichtet, „auf der Grundlage christlicher Bildungs- und Kulturwerte“ zu erziehen, betont Buttler. Und Birgit Wolz, ebenfalls Gründungsmitglied, vermutet: „Wenn Eltern Bekenntnisschulen verteidigen, tun sie dies vor allem, weil sie ihnen vergleichsweise migrationsfreie Lernräume für ihre Kinder bieten und nicht weil Religion tatsächlich eine so entscheidende Rolle in ihrem Leben spielt.“ So gebe es keine Zukunft für das Zusammenleben von Menschen jeglicher Herkunft in einem Stadtviertel.

Kinder sollen gemeinsam in die Schule gehen

Was Kirchenvertreter anders sehen. 2017 äußerte der katholische Schulrat im Schulausschuss, Bekenntnisschulen seien aus qualitativen Gründen in einem hohen Maße nachgefragt. Man dürfe Eltern zudem nicht absprechen, dass sie den aufrichtigen Wunsch nach einer religiösen Erziehung in der Schule hätten. Ehlers, der von der Politik als Sachverständiger angefragt wird, verweist auf Erfolge der Gruppe. „Die Schulrechtsänderung von 2015 erfolgte ganz klar auf unseren Druck hin.“

Seit damals gebe es in NRW auch an katholischen Grundschulen ein Recht auf evangelischen Religionsunterricht. Und die Hürden für die Umwandlung einer Bekenntnis- in eine Gemeinschaftsgrundschule seien herabgesetzt worden. 2012 hatten in Bonn an der katholischen Kettelerschule Eltern die Änderung in eine Gemeinschaftsgrundschule durchgesetzt. Dagegen scheiterte der Versuch in Buschdorf mehrfach. Die Initiative engagiere sich weiter dafür, dass Kinder auch in NRW selbstverständlich gemeinsam auf die Grundschule in ihrem Viertel gehen könnten, sagen Ehlers und Buttler. Und zwar dahin, wo ihnen Werte wie Mitmenschlichkeit und Respekt vor der Würde des Menschen unabhängig von Glauben und Herkunft vermittelt würden.

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