Ökumenische Initiative Heiderhof Keine Zeit für private Kontakte

BAD GODESBERG · "Der kann ja Polnisch", sagt Lidia Bartusik bass erstaunt und schaut ihren Sitznachbarn an. Pfarrer Jozef Pieniazek greift hier am Tisch im evangelischen Gemeindezentrum Immanuelkirche kräftig in die Gitarrensaiten und stimmt ein polnisches Lied an.

 Die Polin Lidia Bartusik arbeitet als Pflegekraft in einem Godesberger Haushalt. Sie freut sich, Kolleginnen zu treffen.

Die Polin Lidia Bartusik arbeitet als Pflegekraft in einem Godesberger Haushalt. Sie freut sich, Kolleginnen zu treffen.

Foto: Ebba Hagenberg-Miliu

Sofort fallen an den gedeckten Kaffeetischen mit Lidia Bartusik das gute Dutzend ebenfalls polnischer Frauen und ein Mann mit ein. Der evangelische Pfarrer Rainer Fincke klatscht den Takt mit. "Ich hätte nicht gedacht, dass es hier so viele Leute gibt, die meine Muttersprache sprechen", meint Bartusik nach dem Treffen, das eine ökumenische Gruppe um Professor Peter Wilhelmi auf dem Heiderhof organisiert hat. Der schaut als Mitglied der Grünen Herren regelmäßig in Haushalten bei Alten und Pflegebedürftigen vorbei.

"Da ist mir aufgefallen, dass die meist polnischen Betreuerinnen, die ja rund um die Uhr einen so schweren Job leisten, wohl ziemlich einsam unter uns leben", sagt Wilhelmi. Mit Lili Krieger und Elisabeth Schwüppe von den Kirchengemeinden war bald ein Treffen arrangiert. "Ein voller Erfolg, so viele sind gekommen", freut sich Wilhelmi, der zwei Kuchen beisteuert.

Vor Dankbarkeit sind schon einige Tränen geflossen. "Wir kommen doch sonst nicht unter Leute", erklärt Lidia Bartusik in perfektem Deutsch. Gut gelaunt posiert sie fürs Foto vor der Kirchenorgel. Die Dame, die sie betreut, hat besonderes Glück gehabt: Die 25-Jährige aus dem Städtchen Biecz hat nämlich Germanistik studiert.

Und warum ist sie hier? "Es ist eben anders gelaufen als geplant. Und meinen Eltern wollte ich nie zur Last fallen", antwortet die junge Frau. Altenpflegekenntnisse kann sie selbstverständlich auch vorweisen. Eine Firma hat sie folgerichtig nach Deutschland vermittelt. "Ich habe Erfahrung mit Krebs-, aber auch mit psychisch Kranken und Dementen", so Bartusik.

Und wie sieht ihr Tag im deutschen Haushalt aus? "Anfangs war es sehr schwer, weil ich die Dame pausenlos bei allem unterstützen musste", berichtet die junge Polin. Sie verstehe inzwischen, was die Seniorin wolle, indem sie ihr genau zuhöre. Jetzt könne die Witwe schon wieder alleine laufen und wolle sich auch alleine beschäftigen.

"Da kann ich mich dann in mein Zimmer zurückziehen und lesen oder im Internet schauen." Spaziergänge unternehme sie mit der Dame täglich. "Besonders schön ist es am Rhein. Ich liebe es, da zu laufen und einen Kaffee zu trinken", schwärmt Lidia Bartusik. Bonn sei eine herrliche Stadt. Sie sei froh, dass sie auf diese Weise etwas von Deutschland zu sehen bekomme.

Und wen hat sie hier schon kennengelernt? Bartusik schaut verständnislos. "Die Bekannten der Dame natürlich." Keine Gleichaltrigen? "Wie denn?", fragt sie zurück. Nach vier oder sechs Wochen schicke die Firma sie wieder für einen Monat nach Polen. Dann betreue eine andere Kraft die Frau. Danach komme sie wieder. Und lohnt sich die Arbeit finanziell ? Sie habe selbst noch keine Familie gegründet, lebe bei den Eltern.

"Wenn man einen Monat in Deutschland arbeitet, kann man davon in Polen einen Monat lang leben", rechnet Bartusik vor. Letztlich sei sie froh, beim heutigen Treffen erste neue Kontakte geknüpft zu haben. "Mir wurde gesagt, dass es solche Termine jetzt auch in anderen Kirchen geben soll. Da gehe ich auf jeden Fall hin."

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