Sechseinhalb Jahre Jugendstrafe für 16-Jährigen nach Mord auf dem Heiderhof

Bad Godesberg · Im September 2016 wurde ein Jugendlicher bei einem Drogengeschäft von einem 16-Jährigen erstochen. Am Freitag fiel das Urteil in dem Prozess, der aufgrund des Alters des Angeklagten unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand.

 In Gedenken an den Tod des 18-Jährigen haben Passanten Blumen und Kerzen am Tatort abgelegt.

In Gedenken an den Tod des 18-Jährigen haben Passanten Blumen und Kerzen am Tatort abgelegt.

Foto: Ronald Friese

Eine Bank in der Waldeinsamkeit: Frische Blumen, Grablichter, Kerzen, Wort der Liebe, des Abschieds. Die Bilder der Tatorte in Godesberg, bei denen zwei junge Menschen Opfer von Verbrechen geworden sind, ähneln sich und liegen kaum einen Kilometer Luftlinie auseinander. Der Schüler Niklas P., der am 7. Mai 2016 am Godesberger Rondell durch einen Faustschlag tödlich verletzt wurde - und die Tragödie um den 18-jährigen Schüler Amir V. , der am 24. September 2016 von einem einzigen Messerstich mitten ins Herz getötet wurde. An einem einsamen Feldweg auf dem Heiderhof.

Am Freitag hat das Bonner Jugendschwurgericht, das auch über den Fall Niklas zu Gericht gesessen hat, den 16-Jährigen verurteilt: Sechseinhalb Jahre Jugendstrafe wegen Mordes und Rauschgifthandels. Ein tragischer Fall, so die Bonner Richter im Urteil, wegen eines Streits um 35 Gramm Marihuana musste ein Mensch sterben.

Amir V. und der Angeklagte hatten sich einen Tag zuvor erst kennengelernt und sich zu einem Drogengeschäft verabredet. Der 18-Jährige und ein jüngerer Kumpel, ebenfalls 16 Jahre alt, wollten Marihuana von dem damals noch 15-jährigen Angeklagten kaufen. An der Haltestelle Ollenhauerstrasse trafen sich die drei - und fuhren im Auto an den einsamen Ort. Dann geschah etwas für den „Jungdealer“ Überraschendes: Während er auf der Bank das Rauschgift abwog, hatte sich der 18-Jährige - urplötzlich - den Beutel Gras geschnappt, hatte sich ins Auto gesetzt und wollte wegfahren. Da habe er sich betrogen gefühlt, so die Richter, sei hinterher gerannt und habe es noch gerade geschafft, seine „Kunden“ zu stoppen. Bei einem sich anschließenden Gerangel, hatte der Angeklagte das Messer gezogen und zugestochen. Mitten ins Herz. Nur, weil er sein Rauschgift zurück wollte.

Tod wegen einer "Nichtigkeit"

Der Angeklagte habe „wegen einer Nichtigkeit einen vollendeten Mord (zur Ermöglichung einer Straftat) in Kauf genommen“, hieß es im Urteil. Allerdings haben die Richter zu seinen Gunsten in die Waagschale geworfen, dass Amir Z. und sein Kumpel den Nachwuchsdealer offenbar gezielt in einen Hinterhalt gelockt - und ihn überhaupt erst in diese Situation gebracht hatten. Denn es gebe Anzeichen, so die Richter, dass die beiden Jugendlichen zuvor durchaus geplant hatten, dem Angeklagten das Gras abzunehmen. Denn Amir V. habe nur 20 Euro bei sich gehabt. Und keineswegs die 350 Euro, die 35 Gramm im Straßenverkauf gekostet hätten.

„Nie im Leben habe ich gewollt, dass der stirbt“, hatte der 16-Jährige im Prozess gesagt. Der Versuch, den Eltern von Amir Z. einen Brief zu schreiben, sei ihm nicht gelungen. „Ich habe keine Worte gefunden.“

Die Tragödie des Falls war am Freitag im Gerichtssaal spürbar. Der Vater des Getöteten saß als Nebenkläger im Prozess und kann in seinem unsäglichen Schmerz nicht glauben, dass sein Sohn in Rauschgiftgeschäfte verwickelt gewesen sein soll. Untröstlich auch die Mutter des Angeklagten, die am Freitag im Rollstuhl saß und bittere Tränen weinte. Durch ihre schwere Erkrankung vor zehn Jahren verlor ihr Ehemann, der sie gepflegt hat, seinen Job - und brachte die Familie ins soziale Aus.

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