GA-Serie "Godesberger Originale" Irene Diederichs: Mutter Courage, Kulturförderin und Winzerin

MUFFENDORF · Neulich hatte Irene Diederichs wieder mal zum Hofkonzert geladen. In ihrem malerischen Siegburger Hof unterhalb der Muffendorfer Kapelle Alt St. Martin spielte der chinesische Pianist Jingge Yan Traumhaftes von Mozart bis Schumann.

 Die Frau an der Kelter: Dieses Bild symbolisiert nicht nur, dass Irene Diederichs eine begeisterte Winzerin ist. Sie nimmt auch im übertragenen Sinn die Dinge gerne in die Hand.

Die Frau an der Kelter: Dieses Bild symbolisiert nicht nur, dass Irene Diederichs eine begeisterte Winzerin ist. Sie nimmt auch im übertragenen Sinn die Dinge gerne in die Hand.

Foto: Ronald Friese

Die Hausherrin hatte den Gewinner des Beethoven-Wettbewerbs 2011 für ein Benefizkonzert der von ihr mitgegründeten Johannes Wasmuth Gesellschaft geworben. Opulent, auch mit Speis und Trank, und wunderbar vom Atmosphärischen her sei der Abend im schönen Fachwerkensemble gewesen, schwärmten die Teilnehmer.

Dort hatte im 18. Jahrhundert das Hofgericht der Siegburger Abtei getagt, erzählt Irene Diederich gerne aus der Historie der 1975 von ihrem mittlerweile verstorbenen Mann gekauften Immobilie. Und dann zeigt sie den Grenzstein am Hofeingang mit dem Churkölnischen Kreuz und der Jahreszahl 1734.

Robert Diederichs hatte als Ortsausschussvorsitzender viel für Muffendorf und damit für Bad Godesberg getan. Seine Witwe Irene steht ihm in nichts nach. Förderin vielversprechender junger Musiker wie des chinesischen Jungstars ist sie mit Begeisterung. "Musik ist mein Leben", schwärmt sie, die selbst gerne Klavier spielt.

Ihr Leben dürfte aber genauso das Theater und die Bildende Kunst sein. Sie organisiert im Kelterhaus, das dieses Jahr 100 wird, Ausstellungen und Plattenaufnahmen. Die örtliche Heimatbühne wurde vor 25 Jahren von ihr gegründet. Bis heute sei sie deren "Mutter Courage". Diederichs lacht.

Komödien werden aufgeführt, die von ihr und echten Muffendorferinnen ins Rheinische übersetzt und mit Lokalkolorit versehen werden. "Denn ich bin ja eigentlich ein Kriegskind aus Düren, das erst nach Bayern und dann als Schülerin nach Bonn kam", erzählt sie. Somit könne sie den Dialekt der "Eingeborenen" auch nicht wirklich sprechen.

"Ich musste bei einem Stück mal spontan einspringen. Und da habe ich die Stimme der kranken Schauspielerin eigentlich nur nach dem Gehör kopiert", erzählt Diederichs schmunzelnd. 2016 soll das nächste Stück inszeniert werden. "Aber wir wissen ja noch nicht, was aus unserem Muffendorfer Saal wird."

Und dann hat Diederichs ja noch eine vierte Leidenschaft: den Weinbau. Pralle blaue Trauben hängen auch diesen Herbst in schweren Reben am Hof in der Septembersonne. "Jetzt müssen unbedingt die Netze über dem Weinberg angebracht werden. Sonst würden uns die Stare in einer Nacht die gesamte Ernte abfressen. Die stürzen sich regelrecht auf Trauben", berichtet Diederichs. Am letzten September- und am ersten Oktoberwochenende soll Ernte sein.

"Die Trauben reifen ja nicht alle zur selben Zeit." Ihr 2006 verstorbener Ehemann Robert, den sie als Bonner Clara-Schumann-Abiturientin beim Schulfest kennenlernte, hatte 1975 begonnen, die gute alte Muffendorfer Winzertradition wiederzubeleben. Sie führt das Handwerk mit Kellermeister Martin Lindner und ihren Söhnen Guido und Martin weiter.

Die über die Region bekannte Weinsorte "Muffendorfer Klosterberg" wird also weiter vor Ort erzeugt und gekeltert. Und auch die Enkel machen schon mit, wenn die relativ pilzresistente Neuzüchtung blauer Trauben, die Sorte Regent, gelesen wird.

"Hier im Dorf ist es so schön"

Die Winzerin erzählt aus der Historie, als in dem bis weit ins 19. Jahrhundert von der Kelterei lebenden Dorf plötzlich die Reblaus die Weinstöcke befiel und die Bewohner umsatteln mussten: erst einmal auf Pfirsiche, bis auch diese Pracht einer Welle von Schädlingen zum Opfer fiel. 1989 hat sie mit Ulrich Hauschild die Muffendorfer Geschichte im mit vielen Fotos versehenen Buch "Wie im Blomekorf, su schön litt Muffendorf" aufgearbeitet. Der ehemalige GA-Karikaturist Klaus Böhle lieferte die frechen Zeichnungen.

14 ihrer Freundinnen sind jedes Jahr bei der Weinlese mit dabei, erzählt Diederichs. Im Kelterhaus fertigen die Männer dann aus den Trauben die Maische, die gären muss. Dann trennen sie mit dem nächsten Gerät, der Presse, die letzten festen Teile von der Flüssigkeit. In den Fässern muss sich schließlich die Hefe absetzen. Also sie glaube, das werde dieses Jahr ein guter Tropfen, meint Irene Diederichs, die Kennerin. Die Trauben hätten sicher 80 Grad Öchsle. Die leidenschaftliche Winzerin lächelt stolz.

Seit 1961 lebt sie nun schon in Muffendorf, anfangs in einem Nachbarhaus in der Klosterbergstraße. "Da habe ich meinem Mann gesagt: “Hier im Dorf ist es so schön. Hier will ich nie wieder weg.„"

Und woraus schöpft sie im Alter immer noch so viel Kraft? "Die Dinge an der richtigen Stelle anzupacken, das füllt mich aus, das macht mich glücklich", meint Diederichs. Sie erfahre zudem so viel Anerkennung für das, was sie in der Kulturförderung und im Weinbau tue, dass sie da doch selbstverständlich mit gutem Mut weitermache. Diederichs lacht herzlich. Ach ja, da hätte sie doch beinahe etwas vergessen. "Mein Rezept ist das Lachen und die Freude an allem, was ich tue."

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