Buchvorstellung Industrie im Badeort

BAD GODESBERG · Rauchende Fabrikschlote und Erholung - das scheint sich auf den ersten Blick zu widersprechen. Der Bad Godesberger Bürgermeister Anton Dengler setzte deshalb ab 1888 auf Kurgäste und reiche Pensionäre, Industrie wurde an den Stadtrand verbannt.

 Blick in die Firma Litholin Dauerwäsche um 1914: Hier wurden steife Kragen, Vatermörder genannt, produziert.

Blick in die Firma Litholin Dauerwäsche um 1914: Hier wurden steife Kragen, Vatermörder genannt, produziert.

Foto: D. F. Voigt/Stadtarchiv Bonn

Der Kurbetrieb kurbelte nicht nur die örtliche Steppdeckenproduktion an, sondern zog auch weitere Unternehmer an, die die "weichen Standortfaktoren" wie gute Schulen und moderne Krankenhäuser schätzten.

Wie sich in diesem Spannungsfeld die Industrie im Badeort Godesberg entwickelt hat, das beschreibt Horst Heidermann in einem neuen Buch. Seine ersten Forschungsergebnisse sind bereits in den Godesberger Heimatblättern erschienen.

Der Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg hat nun die vollständige Arbeit veröffentlicht und ehrt damit den Autor, der in der kommenden Woche seinen 85. Geburtstag feiert.

Der Muffendorfer Heidermann hatte als Volkswirt und Soziologe einen Bezug zum Thema. "Das Faszinierendste sind für mich die Unternehmergestalten", sagte der Autor am Freitag bei der Buchvorstellung im Haus an der Redoute.

Bauunternehmer Theodor Wilhelm Düren kommt ebenso vor wie die Gießerei-Betreiber der Familie Stolle und Sanitärfachmann Bernhard Becker, der die Gas-Badeöfen sicherer machte.

An manche Unternehmen erinnern heute nur noch historische Werbeplakate und Firmenlogos. "Vatermörder" zum Beispiel finden heute keinen Absatz mehr. Ein historisches Foto zeigt die Produktion von Chemisettchen und gestärkten Kragen an der Drachenburgstraße 24, wo die Litholin Dauerwäsche GmbH von 1911 bis 1931 ihren Sitz hatte.

Anders die SGL Carbon auf dem traditionsreichen Gelände der Ringsdorff-Werke in Mehlem: Sie produziert heute Graphit für die Halbleiter- und Solarindustrie. Heidermann beschreibt in seinem Buch erstmals die kommunalen Betriebe wie Wasserwerk und Schlachthof.

Außerdem hat er einen Brief von Albert Schweitzer aus dem Jahr 1953 entdeckt, der im Krankenhaus in Lambarene neues Verbandsmaterial der Godesberger Firma Vulnoplast auf Tropentauglichkeit testetet.

Mit "Humor und Gründlichkeit" habe Heidermann die Industriegeschichte beschrieben, lobte Bezirksbürgermeisterin Annette Schwolen-Flümann. Sie dankte dem Verein für Heimatgeschichte und seinem Vorsitzenden Martin Ammermüller dafür, dass er das Buch herausgegeben hat.

Das Buch "Die Entwicklung der Industrie in dem Badeort Godesberg" ist für 14 Euro erhältlich im Stadtmarketing-Pavillon am Bahnhof, in der SWB-Servicestelle, Alte Bahnhofstraße, sowie dienstags von 16 bis 18 Uhr in der Geschäftsstelle des Heimatvereins im Rathaus.

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