Überschwemmung in Bad Godesberg Geologe wirft der Stadt Mitschuld vor

Bad Godesberg · Trägt die Stadt eine Mitschuld an der verheerenden Überschwemmung vom 4. Juni in Bad Godesberg? Geht es nach dem promovierten Geologen Detlef Kurth, hätten zumindest die Schäden vieler Bürger minimiert werden können.

Der 51-jährige gebürtige Berliner, der beim Geoinformationsdienst der Bundeswehr in Euskirchen arbeitet, wohnt seit etwa acht Jahren in der Junkerstraße, die von den Wassermassen besonders stark betroffen war. Er hat sich nach dem Hochwasser entlang des Godesberger Baches auf Spurensuchen begeben, um nach Ursachen für die Überschwemmung vom 4. Juni zu suchen. „Bei der Bundeswehr habe ich gelernt, für andere Verantwortung zu übernehmen. Die Stadt tut das derzeit nicht. Also musste ich aktiv werden“, so Kurth.

In einem von ihm zusammengestellten Dossier nennt er zwei neuralgische Punkte, die für die Wucht, mit der die Wassermassen auf die Bad Godesberger Innenstadt zuströmten, verantwortlich sein könnten – zum einen die Brücke am Minigolfplatz und zum anderen die Retentionsfläche an der Brunnenallee.

So habe die Brücke am Minigolfplatz zum Beispiel einen deutlich kleineren Durchlass als alle übrigen Übergänge des Godesberger Baches. „Die Öffnung lässt nur ein Drittel von dem durch, was die anderen Konstruktionen am Bach zulassen“, argumentiert Kurth. Die daraus resultierende Stauung habe mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Flutwelle ausgelöst, die mit großer Geschwindigkeit auf die Bad Godesberger Innenstadt zuraste. Und in der Tat gibt es Hinweise, die darauf hindeuten: So weist die Marienforster Promenade mehrere Erosionsrinnen auf. Teile des Weges sind weggebrochen, Pflanzen niedergewalzt. Auf Höhe der Kirche muss der Bach eine Breite von etwa 15 Metern gehabt haben, vermutet Kurth. „Die Brücke am Minigolfplatz ist sanierungsbedürftig. Für mich ist es unverständlich, dass die Stadt seit 2013 in dieser Hinsicht noch nichts unternommen hat.“

Doch es gebe noch eine weitere Fehlplanung unterhalb der Brücke am Minigolfplatz. Es geht um die von der Bezirksregierung Köln ausgewiesene Retentionsfläche an der Brunnenallee Ecke Max-Franz-Straße. „Die Tiefe des Beckens ist mit anderthalb Metern viel zu gering, um das übertretende Wasser aus dem Bach aufzunehmen. Dieses konnte ungehindert in Richtung Brunnenallee weiterfließen“, bemängelt Kurth.

Stadt: Durchlass entspricht den Regeln der Technik

Auch hierfür gibt es Anhaltspunkte. Sämtliche Sträucher auf der Grünfläche sind in Richtung der Brunnenallee abgeknickt. Für Kurth ist es bis heute unverständlich, dass keiner der Anwohner auf die 2013 festgelegte Überschwemmungsfläche hingewiesen wurde, zumal dort ein Spielplatz steht. „Ich bin durch schreiende Nachbarskinder, die vor dem Wasser weggelaufen sind, auf die Überschwemmung aufmerksam geworden. Nicht auszumalen, was passiert wäre, wenn auf dem Spielplatz eine Mutter mit zwei kleinen Kindern gewesen wäre.“ Im Netz finde man nur nach intensiver Suche Informationen über die potenzielle Gefahr einer Überflutung. „Es kann keine dauerhafte Lösung sein, den Menschen im Nachhinein durch Spendenkonten zu helfen. Die Stadt muss nun dringend präventive Maßnahmen ergreifen“, so Kurth.

Das Presseamt der Stadt teilte hierzu mit, dass der Durchlass der Brücke am Minigolfplatz den Regeln der Technik entspreche. Eine Veranlassung, diesen größer zu gestalten, könne aus den Hochwassergefahrenkarten nicht abgeleitet werden. Das Unwetter, so sei ermittelt worden, sei ein Extremereignis gewesen, das sich nur alle tausend Jahre ereigne. Eine solche „Naturkatastrophe“ könne durch bauliche Maßnahmen nicht verhindert werden. Laut der Bezirksregierung Köln erfolgte auch die Festsetzung der Retentionsfläche in enger Abstimmung mit der Stadt und beruhe auf eigens dafür erhobenen Daten.

Kurth hat nur wenig Verständnis für die Argumente der Stadt. „Natürlich handelte es sich um ein Extremereignis, dennoch hätten die Schäden geringer ausfallen können, wenn man nach dem Hochwasser 2013 rechtzeitig präventive Maßnahmen ergriffen hätte.“ Vielleicht hätte er dann auch die Diasammlung seines Großvaters retten können, die er im Keller aufbewahrt hatte. Etwa 2000 historische Aufnahmen der Familie sind nun wohl für immer verloren.

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