Waldspaziergang an Heiligabend Förster nimmt Kinder auf Waldabenteuer mit

Bad Godesberg · Die Stunden bis zur Bescherung können für die Kinder ganz schön lang werden. Im Interview erklärt Förster Roland Migende aus Mehlem, wie er sie aus dieser gespannten Langeweile heraus reißt und mit auf Entdeckungsreise in den Wald mit.

Wie oft gehen Sie heute noch in den Wald?

Roland Migende: Jeden Morgen um 6.15 Uhr bin ich sowieso in der Natur und mache einen Rundgang über den Rodderberg. Ich bin aber relativ häufig im Bonner Stadtwald und spaziere gern an der Waldau. Näher ist es für mich zum Gemeindewald Niederbachem.

Was bedeutet das für Sie?

Migende: Nachdenken über Alltagsdinge, Politik oder regionale Ereignisse. Ich habe dann dafür den Kopf frei. Dann stürmt es da oben auf der Höhe des Rolandsbogens. Da kann man dann wirklich klar denken. Ich beobachte aber auch gerne die Natur und schaue, was sich in den Jahreszeiten verändert, etwa bei den Pflanzen. Der Wechsel zwischen Waldstrukturen, freiem Feld und Wiesen ist auf dem Rodderberg sehr ausgeprägt und ungestört. Da ist noch weitgehend alles in Takt.

An Heiligabend nehmen Sie aber wieder viele Leute mit. Was erwartet die Kinder und Erwachsenen auf diesem Spaziergang vor Weihnachten?

Migende: Es soll ja jedes Jahr etwas anderes sein. Diesmal habe ich mir etwas ausgedacht, wo man normalerweise gar nicht darauf achtet, wenn man in der Natur unterwegs ist. Wer achtet denn, wenn er auf den Boden schaut, auf die Eichengallwespe? Unter Eichen sieht man auf den Blättern kleine Kügelchen, die Äpfel (also Fruchtkörper) dieser Insekten. Darin befinden sich die Larven. Ich habe auf dem Weg dann natürlich auch solche Blätter dabei, wenn es zum Suchen an Zeit fehlt. Denn der Spaziergang dauert eine gute Stunde. Wir suchen auch die Frucht der Heckengallwespe an Heckenrosensträuchern. Und es gibt noch so einiges mehr.

Wie locken Sie die Kinder denn von ihren Spielekonsolen und Handys weg?

Migende: Der technische Fortschritt soll nicht bestritten werden. Aber: Es ist unerlässlich, dass elementare Kenntnisse über die Umwelt und Natur vermittelt werden. Deshalb bemühe ich mich innerhalb der offenen Ganztagsschule, hier und da bei Wald-Arbeitsgemeinschaften mitzuwirken. An Heiligabend versuche ich natürlich die Kinder anzuregen, häufiger mal vor die Tür zu gehen und sich als Entdecker und Forscher zu betätigen. Also nicht nur geradeaus schauen und so mit dem Handy durch den Wald gehen.

Das Walderlebnis scheint wieder im Trend zu liegen. Woher kommt das?

Migende: Ich weiß nicht, voll kann ich es noch nicht bestätigen, weil mir noch die anderen Einflüsse in der Freizeit zu sehr überwiegen. Im Fernsehen laufen ja schon früh am Nachmittag Fernsehserien. Das ist nur ein Beispiel.

Ihr Kollege Peter Wohlleben aus der Eifel hat das Buch „Das Seelenleben der Bäume“ geschrieben. Was sagen Sie dazu?

Migende: Der Wald hat klare Aufgaben zu erfüllen, nämlich Nutz-, Schutz- und Erholungsaufgaben. Peter Wohlleben hebt mir etwas sehr stark auf das Emotionale ab, drückt mir zu viele Gefühle über die Bäume und den Wald aus. Es scheint aber offenbar anzukommen, sonst würde er die Bestsellerlisten ja nicht oben anführen. Wir haben gerade in Deutschland seit 500 Jahren das Prinzip der Nachhaltigkeit. Das heißt, es wird kein Baum gefällt, wo nicht entsprechende Holzmasse nachwächst. Und gerade auch hier im Stadtwald Bonn überwiegen in weiten Teilen die Naherholungsaufgaben, auf die auch vorbildlich Rücksicht genommen wird. Aber auch ich lasse bei jeder Führung die Teilnehmer einen Baum anfassen. Das heißt aber nicht, dass wenn wir unseren Holzbedarf decken wollen, nicht auch mal gefällt werden muss. Ohne natürlich Raubbau zu betreiben.

Wo sollten Spaziergänger gerade jetzt im Winter mal hinschauen?

Migende: Ich würde empfehlen, gerade jetzt im unbelaubten Zustand, sich die unterschiedliche Kronenausbildung anzuschauen und sich zu überlegen, dass genau die gleiche Ausbildung im Umfang auch die Wurzeln haben.

Was sind Dinge, die im Wald gar nicht gehen?

Migende: Von den gekennzeichneten Wegen abgehen. Weil oft, kleine Nutzpflanzen nicht ohne Weiteres zu erkennen sind und dann umgetreten werden. Ich plädiere dafür, die Hunde anzuleinen, damit das Wild nicht beunruhigt wird.

Was ist Ihre liebste Stelle?

Migende: Vom Rodderberg aus der Blick aufs Siegengebirge. Man hat den herrlichen Blick über den Rhein und erkennt die Struktur der einzelnen Berge. Im Frühling und Herbst ist dann die unterschiedliche Laubfärbung zu sehen. Das ist dann natürlich fantastisch.

Sie engagieren sich auch seit fast 30 Jahren in Ungarn. Wieso?

Migende: Ich komme gerade von zwei Projekten in Ungarn zurück. Da ging es einmal um das Motto „Mehr wissen wollen“ an einer Grundschule. Das andere war an der Uni in der Stadt Györ, wo es um moderne Lehrmethoden im Unterricht ging. Der Kontakt begann als ein Dank an das Land für die entscheidenden Maßnahmen zur Grenzöffnung, die letztendlich zur deutschen Wiedervereinigung geführt hat. Ich fühle mich weiterhin ermuntert, das fortzuführen, weil es weiter notwendig ist und dankbar angenommen wird. Nur leider kann ich kein Ungarisch, es wird dann übersetzt.

Was wünschen Sie sich zu Weihnachten?

Migende: Möglichst ein Fortbestand oder gar eine Erweiterung der fünf Jugendwaldheime in Nordrhein-Westfalen als außerschulische Lernorte. Ich betrachte es als unerträglich, wenn Schulen mindestens drei Jahre im Voraus einen Aufenthalt dort anmelden müssen. Ansonsten möchte ich fit und gesund bleiben.

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