Erinnerung an Agnes Gröppner Ein Festmahl mit Weihwasser

BAD GODESBERG · Agnes Gröppner, genannt „et Nieß“, war Küsterin an der Michaelskapelle. Als Witwe mit sieben Kindern musste sie selbst für den Unterhalt der Familie sorgen.

 Agnes Gröppner war Küsterin in der Michaelskapelle unterhalb der Godesburg.

Agnes Gröppner war Küsterin in der Michaelskapelle unterhalb der Godesburg.

Foto: Ronald Friese

Der Wein in der Eremitage an der Michaelskapelle schmeckte scheußlich. Gastgeberin Agnes Gröppner feierte gerade ihr 50-jähriges Dienstjubiläum als Küsterin des Gotteshauses unter der Godesburg. Bürgermeister Josef Zander, Dechant Hermann-Josef Winter und sein Kaplan Peter Luck saßen als prominente Gäste brav mit am Tisch.

Es war das Jahr 1919. Man war froh, den Ersten Weltkrieg überlebt zu haben. Und „et Nieß“, die rheinische Koseform für Agnes, tischte auf, was sie als arme Malerswitwe aufbieten konnte. So berichtet der Heimatforscher Hans Kleinpass in seinem Beitrag in den aktuellen „Heimatblättern“ über die letzte Küsterin der Michaelskapelle.

Mutter und Tochten wohnten in der ehemaligen Eremitage

„Et Nieß“ war 1848 als Tochter von Gertrud Blatzheim, der vormaligen Küsterin des Kapellchens, in Godesberg geboren worden. Als 21-Jährige hatte Agnes schon bei der Pflege der Kapelle ausgeholfen, neben der die verwitwete Mutter in der ehemaligen Eremitage wohnte, hat Kleinpass recherchiert.

Agnes sprang auch hilfsbereit auf den Burgberg, nachdem sie den Anstreicher Johann Bernard Gröppner geheiratet und ihm sieben Kinder geboren hatte. 1883 hatte ihr Mann eines Tages plötzlich tot in der Koblenzer Straße gelegen.

Von da an hatte „et Nieß“ alleine für den Unterhalt sorgen müssen, den sie als Nachfolgerin der Mutter 1890 mit Hilfe eines Vertrags mit dem katholische Kirchenvorstand bestritt: Auch die Tochter zog verwitwet in die Klause neben der Kapelle ein und konnte 1919 schließlich ihr 50-Jähriges dort feiern. Und das mit den Prominenten, aber auch mit dem damals 34-jährigen Malermeister Jean „Schäng“ Arenz.

Den hatte sie laut Kleinpass zur Feier eingeladen, weil der ortsbekannte Büttenredner, wie „et Nieß“ selbst ein Godesberger Original, tags zuvor ein Loblied auf die 71-jährige Küsterin in die Lokalzeitung lanciert hatte.

Mit einem Geranientopf bewaffnet hatte sich der Spaßvogel beschwingt auf den Burgberg aufgemacht. Die Alte habe ihn sofort in breitestem Godesberger Dialekt an ihre Seite manövriert, erinnerte sich Arenz später an die Begebenheit: „De Schäng, dat eß rääch, Plaatz gemaat, de Schäng moß nävve mir setze“, also der „Schäng“, das sei recht, Platz gemacht, der müsse neben ihr sitzen, sagte „et Nieß“. Der Kaplan vis-à-vis kniepte ihm verständnisvoll zu.

"Also broß, leve Jong – drink"

Der Enkel der Gröppner eilte flugs in die Sakristei, wo das Buffet aufgebaut war. „Düres“, rief die Küsterin, „alle marsch, däm Schäng vom beste Wing, dä do eß, enngeschott“, der Enkel gieße dem neuen Gast sofort vom besten Wein, der da stehe, tüchtig ein. Schon lief er in sein Glas.

„Also broß, leve Jong – drink“, prostete ihm „et Nieß“ fröhlich zu. „Ich wönschen Uech, dat Ihr noch wiggere 50 Johr mem Streck am Michelsglöckelche treckt“, er wünsche ihr weitere 50 Jahre tägliches Glockenläuten für den Heiligen Michael, erwiderte der „Schäng“ – und verzog das Gesicht „wie ein Schaf, dem man statt Wasser Petroleum zum Saufen gegeben hätte“, zitiert Kleinpass Jean Arenz, der später alles so niederschrieb.

Sei denn der Wein nicht gut, habe die mütterliche Frau ihn geneckt, um dann ihren edlen Tropfen selbst zu probieren. „Jösses, Mariendeies“, habe sie sofort geschrien, da habe der Bengel in der Sakristei doch die Flaschen verwechselt und dem „Schäng“ das Weihwasser zu trinken gegeben. „Jott enä, wenn mer net övverall selever derbei eß!“, sie müsse halt überall aufpassen, rief „de Nieß“, der das Malheur dann doch vor aller Augen recht peinlich war.

Man kann sich vorstellen, dass die alte Frau in etwa so handfest mit ihrer Festgesellschaft feixte, wie sie der Godesberger Maler Walther Rath auf dem verschollenen Ölgemälde „Frau im Sonntagshut“ malte, von dem nur noch eine verkleinerte Kopie existiert.

„Och“, habe Jean Arenz, der ja nun auch nicht auf den Mund gefallen war, der Witwe Gröppner geantwortet, „wenn wer jetz at et Weihwasse drinke, dann soll et mich net wondere, wenn de Ovend beim Esse och de gesänte Krutwösch als Feldschlot op de Desch küt“. Auf Hochdeutsch: Wenn wir jetzt Weihwasser trinken, sollte es ihn nicht wundern, wenn am Abend zum Essen noch die gesegneten Palmzweige als Feldsalat auf den Tisch kommen.

Heiliger Michael soll sich vor Lachen geschüttelt haben

Es sei wohl selten an der alten Burgklause so viel gelacht worden wie an jenem Festnachmittag, zitiert Hans Kleinpass in seinem unterhaltsamen Beitrag den alten „Schäng“.

Der, als er sich am späten Abend durch die Michaelskapelle wankend auf den Heimweg machte, auf einem goldenen Söckelchen einen anderen, einen Heiligen, erblickte, wie der sich ebenfalls vor Lachen ausschüttete: „Wie ich am späde Ovend dörch de Kapell op hem ging, do hat ich dat Geföhl, al hät sich selevs Zönt Michel in singem golde Kamisölche fö Laache geschöddelt.“

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