Islamischer Religionsunterricht Ein Besuch in der Godesberger Andreasschule

BONN · 44 Grundschulen in Nordrhein-Westfalen bieten seit den Sommerferien das Fach an, darunter vier in Bonn. Ein Besuch in der Godesberger Andreasschule.

Unterrichtet an vier Godesberger Grundschulen islamische Religion: Bernd Ridwan Bauknecht in der Andreasschule.

Unterrichtet an vier Godesberger Grundschulen islamische Religion: Bernd Ridwan Bauknecht in der Andreasschule.

Foto: Barbara Frommann

"Wisst Ihr eigentlich, was Islam heißt?", fragt Bernd Ridwan Bauknecht an diesem Morgen seine Schüler. Schweigen unter den Dritt- und Viertklässlern im neuen islamischen Religionsunterricht an der Bad Godesberger Andreasschule. "Irgendwas mit Ramadan? Oder kein Schweinefleisch essen?", ist aus den Reihen der Schüler zu hören. Der Lehrer ist enttäuscht. Mehr wissen die Schüler nicht, die bisher in Islamkunde unterrichtet wurden?

"Wir singen doch immer das Lied: Salam - as salam aleikum. Islam bedeutet Frieden. Lasst uns Frieden machen", platzt es da plötzlich aus Amin heraus. "Gut aufgepasst", sagt Bauknecht und strahlt. Islam heiße "Hingabe in Frieden an Gott", schreibt der Sozial- und Islamwissenschaftler nun an die Tafel. Und ein guter Muslim sei deshalb ein gottergebener Mensch, fügt der 46-Jährige hinzu. Aber das heiße nicht, dass ein Muslim allein das Vorrecht habe, ins Paradies zu gelangen. "Den Lohn können auch andere Gottergebene vom Herrn erhalten. Das werden wir im Koran nachlesen", macht Bauknecht die Kinder neugierig.

Der Lehrer ist konvertierter Muslim, Mitglied der Deutschen Islamkonferenz und hat nach einer Zusatzqualifikation seit acht Jahren den Schulversuch Islamkunde an drei Bad Godesberger Grundschulen sowie an der Johannes-Rau-Hauptschule aufgebaut. Die Aufwertung seiner Arbeit hin zu einem ordentlichen deutschsprachigen Fach empfindet er als längst überfällig. "Religionsunterricht, sei er nun katholisch, evangelisch oder islamisch, ist ein sehr hohes Gut", erklärt Bauknecht nach der Stunde.

Gerade das Bekenntnisfach möge wie der christliche Unterricht den Schülern Handlungsorientierung und Reflexionsmöglichkeiten geben. "Und hier in der Schule kann Religion ja auch kritisch betrachtet werden", so Bauknecht. Man biete eine Innenperspektive der Religion, fordere die Schüler aber auch zum Perspektivwechsel auf. "Wir arbeiten wie die anderen interreligiös. Wir besprechen selbstverständlich auch die anderen Religionen."

Zurück in den Unterricht: Der Lehrer und seine 28 Schüler sprechen jetzt über das Thema "Vom Streit zur Versöhnung". Die Kinder vertiefen sich in eine Geschichte aus ihrem Schulalltag. "Das eine Mädchen ist eifersüchtig, es will seine Freundin nicht verlieren", deutet Iliaz den beschriebenen Zickenkrieg. Eigentlich seien die Streitpunkte ja Kleinigkeiten, meint Emine nachdenklich. "Ja, und was würdet ihr den Mädchen im Text empfehlen?", hakt der Lehrer nach. "Einfach wieder miteinander spielen", schlägt Tarik vor. "Vielleicht erst mal in Ruhe drüber reden", sagt Yasmin und erhält Zustimmung von allen Seiten. Das schüchterne Mädchen müsse endlich mal den Mund aufmachen.

Bauknecht wird in den kommenden Stunden darüber reden, wie es zu dem Streit gekommen ist und welche Konfliktpunkte unterschwellig bestanden. Er wird mit den Kindern über ihre eigenen Auseinandersetzungen sprechen und mit ihnen Streitregeln aufstellen. "Wir werden schauen, was der Koran dazu sagt und was das Grundgesetz", kündigt er an.

Wie man hier sehe, diene auch islamischer Religionsunterricht keineswegs der Bekehrung, meint Dorothea Paschen. Die Andreasschul-Rektorin hat die verschiedenen Stufen zum jetzigen Lehrfach in NRW-Kommissionen mitgestaltet. Schon ab 2001 bot sie Islamkunde als "wichtigen Baustein der Teilhabe muslimischer Kinder an der pluralistischen Gesellschaft" an. Sie hat mit Bauknecht ein weiterhin gültiges Islamkunde-Lehrbuch herausgegeben. Für das neue Fach sollen jetzt erst Materialien und Lehrpläne entstehen.

"Muslimische Kinder dürfen nicht ausgeschlossen werden", so Paschen. Auch sie hätten das Recht, aus der Perspektive ihrer Religion Werteerziehung zu erhalten. Und zwar, wie beim christlichen Religionsunterricht, auf der Basis der Freiwilligkeit. "Die Abstimmung mit den Füßen zeigt aber: Fast alle muslimischen Familien schicken ihre Kinder, egal welcher Herkunft und welcher Glaubensrichtung sie sind", freut sich die Rektorin.

Und sie hofft auf Zuwachs: "Wir brauchen einfach mehr gut ausgebildete Lehrkräfte und auch die Gelder dafür", bringt es die Rektorin auf den Punkt. Seit Jahren fragten auch weitere Bonner Schulen beim Land nach unter deutscher Schulaufsicht stehenden Islamkunde-Lehrern.

Bisher können über die genannten Schulen hinaus jedoch nur die Carl-Schurz-Grundschule und die Freiherr-vom-Stein-Realschule Islamkunde anbieten. "Es ist ein politisches Gebot der Stunde, dass dafür auch flächendeckend die Kapazitäten geschaffen werden", fordert Paschen.

Derweil setzen die Andreasschüler gerade mit Lehrer Bauknecht zum Abschiedslied an. "Wir sind zusammen hier, dafür danken wir Dir, Allah", schallt es aus dem Klassenraum.

Das sagt die Bonner Integrationsbeauftragte

Auch Bonns Integrationsbeauftragte Coletta Manemann freut sich über den Start des neuen Angebots. "Aus meiner Sicht ist der islamische Religionsunterricht ein guter und wichtiger Schritt", so Manemann. Die Einrichtung des ordentlichen Fachs fördere die Integration der Muslime in der Gesellschaft weiter. "Ich hoffe, dass künftig in Bonn noch viel mehr muslimische Schüler davon profitieren können. Denn für viele Fragen, die ja auch muslimische Familien beschäftigen, kann der Religionsunterricht Raum schaffen." Und er signalisiere allen Schülern, Lehrern und Eltern, dass das ganz normal sei, so Manemann.

Islamischer Religionsunterricht im südlichen Rheinland

Bonn und da besonders der Stadtteil Bad Godesberg gelten für das bundesweit neue Fach Islamischer Religionsunterricht als Hochburgen. Von den zehn Grundschulen im Regierungsbezirk Köln, in denen jetzt Religionsunterricht statt Islamkunde gelehrt wird, befinden sich vier in der Bundesstadt: die Gemeinschaftsgrundschule (GGS) Jahnschule, die GGS Andreasschule, die Katholische Grundschule (KGS) Am Domhof sowie die GGS Robert-Koch-Schule. Dazu kommen noch Schulen aus Bergheim, Hürth, Alsdorf und Stolberg. Köln ist noch bei der eher kulturwissenschaftlich orientierten Islamkunde geblieben.

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