Dialogforum Demenz Das Liebe oder Böse kann sich verstärken

BAD GODESBERG · Beim ersten Bad Godesberger Dialogforum Demenz dreht sich alles um die würdevolle Begleitung von Dementen. Mit Referentin Brigitte Merkwitz sprach Ebba Hagenberg-Miliu.

Sie treten beim Dialogforum Demenz auf. Warum ist ein solcher Nachmittag wichtig?
Brigitte Merkwitz: Für mich ist wichtig, dass Tabus aufgehoben werden; dass man miteinander eben über diese besonderen Belastungen der Pflege demenziell veränderter Menschen im häuslichen Bereich spricht. Weiter gilt es, Informationen zu geben, also auch aufzuklären und Hilfestellungen zu geben.

Wer genau kann davon profitieren?
Merkwitz: Die pflegenden Angehörigen und weitere Personen, die an der Betreuung beteiligt sind, und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die auch in der ambulanten Pflege arbeiten. Letztendlich geht es natürlich um das Wohlergehen der Menschen mit Demenz, die nicht mehr für sich eintreten können.

Demenz ist inzwischen ja kein Tabuthema mehr. Was sind die sicheren Anzeichen?
Merkwitz: Es müssen mehrere Symptome auftreten, und zwar über einen Zeitraum von sechs Monaten, damit man von einer Demenz sprechen kann. Das sind stärker werdende Beeinträchtigungen des Gedächtnisses und Vergessen. Erst einmal werden die ganz aktuellen Dinge vergessen. Dann nimmt das Urteils- und Denkvermögen, also die kognitiven Fähigkeiten, ab. Dazu kommen Orientierungsprobleme bezogen auf die Zeit, den Ort, die Situation. Ein weiteres Symptom ist emotionale Labilität.

Sie selbst tabuisieren nicht, dass Menschen mit Demenz verbale und körperliche Gewalt äußern. Wie kann sich das zeigen?
Merkwitz: Alle möglichen Schimpfworte, die früher nicht ausgesprochen worden sind, können zutreffen: um sich schlagen, schreien, den anderen schupsen, sexuell übergriffiges Verhalten.

Was sind mögliche Ursachen?
Merkwitz: Diese müssen immer direkt mitbedacht werden: Warum macht er/ sie das? Geht es um nicht verstanden werden, sich nicht verständlich machen können; sind es Schmerzen, unerfüllte Bedürfnisse, Angst, um nur einige Ursachen zu nennen.

Und was können Angehörige und Pflegende dagegen tun?
Merkwitz: Man sollte Informationen über Krankheitsbilder sammeln, so früh wie möglich Hilfe von außen dazuziehen, eigene Bedürfnisse nicht vernachlässigen und angemessene Kommunikation lernen. Also gewaltfreie Kommunikation und vor allem, was man "Integrative Validation" nennt, anwenden, also die Balance lernen zwischen Nähe und Distanz, man muss Grenzen setzen.

Aber es ist nicht schwer, einen geliebten Menschen, der Gewalt ausübt, zu verstehen und ihm zu verzeihen?
Merkwitz:
Das ist natürlich immer schwer. Was hilft, ist, sich immer wieder vor Augen zu führen: Das ist die Krankheit, also Distanz einzunehmen. Hilfreich ist auch, die jeweilige Beziehung insgesamt zu reflektieren und zu schauen, was es noch zu klären, zu lösen gilt. Und: Verzeihen wollen ist eine bewusste Entscheidung, die man trifft und die eben manchmal Zeit braucht.

Es gibt aber auch von Demenz Betroffene, die besonders lieb und freundlich bleiben. Kennt man die Gründe für die eine oder andere Verhaltensweise?
Merkwitz: Nein. Manchmal ist es so, dass Eigenschaften sich in der Demenz verstärken. Und manchmal ist es auch so, dass sich genau entgegengesetzte Seiten zeigen.

Sie haben selbst aus einer eigenen Pflegesituation gelernt, ja?
Merkwitz: Ja, ich war selbst pflegende Angehörige, das ist über zehn Jahre her. Ich war damals schon in diesem Bereich professionell tätig, doch ich habe natürlich auch Fehler gemacht. Für mich wesentliche Dinge würde ich jedoch heute auch wieder so entscheiden.

Zur Person

Brigitte Merkwitz ist Diplom-Pädagogin, Supervisorin und Inhaberin einer Praxis für Lebensgestaltung mit dem Schwerpunkt Beratung für pflegende Angehörige in Alfter.

Dialogforum Demenz

Unter dem Motto "Das Meer der Verrücktheit. Menschen mit Demenz verstehen" lädt die HomeInstead Seniorenbetreuung Bonn für kommenden Freitag, 6. März, von 14 bis 18 Uhr in die Stadthalle, Koblenzer Straße 80. Der Eintritt ist frei. Ab 14.15 Uhr spricht Schirmherrin Professor Ursula Lehr zu "Demenz darf kein Tabu sein".

Ab 14.45 Uhr führt Erich Schützendorf, Lehrbeauftragter für Altenbildung, in die Gefühlswelt von Demenzkranken ein. Ab 16.45 Uhr spricht Brigitte Merkwitz zu "Gewalt in der Demenz". Von 16.15 bis 16.45 Uhr besteht Zeit für den Austausch bei einer Tasse Kaffee. Der Einlader "HomeInstead. Daheim leben - Betreuungsdienste Nowak" ist Spezialist für die stundenweise Betreuung von Senioren zu Hause. Kontakt und Infos unter www.homeinstead.de.

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