Serie „Alltagshelden in der Corona-Krise“ Bonner sind als Demenzfachkräfte im Einsatz gegen das Vergessen

Bad Godesberg · Petra Banger und Marc Dörnemann betreuen als ambulante Demenzfachkräfte 17 Klienten in Bad Godesberg. Gerade in Zeiten von Corona ist das keine leichte Aufgabe.

 Marc Dörnemann und Petra Banger vor ihrem roten Dienstfahrzeug, mit dem sie ihre Klienten besuchen.

Marc Dörnemann und Petra Banger vor ihrem roten Dienstfahrzeug, mit dem sie ihre Klienten besuchen.

Foto: Bürgerstiftung Rheinviertel

Es ist ein Schritt, den sich wohl kein Angehöriger von demenziell Erkrankten leicht macht, manchmal aber scheint er unumgänglich, um der Überforderung Herr zu werden: der stationäre Aufenthalt jenseits der eigenen vier Wände. Denn wenn mit dem Fortschreiten der Krankheit die Persönlichkeit und die eigene Geschichte langsam abgebaut werden, nimmt die Belastung für pflegende Ehepartner, Kinder oder Geschwister zu. Damit die Lage beherrschbar bleibt, um Entlastung zu bieten, zu beraten und Hilfestellungen zu geben, sind Petra Banger und Marc Dörnemann als ambulante Demenzfachkräfte für die Bürgerstiftung Rheinviertel in Bad Godesberg unterwegs, Kooperationspartner ist der Caritasverband.

Gerade in Zeiten von Corona ist das keine leichte Aufgabe. 17 Klienten zählt das Duo derzeit, zwölf sucht es regelmäßig auf – zwischen eineinhalb und zwei Stunden pro Woche. „Andere haben sporadische Anliegen“, erzählt Banger. Dann zum Beispiel, wenn der Ehepartner einen Termin wahrnehmen muss und den Kranken nicht allein zu Hause lassen möchte und kann. Oder wenn Familien und Betroffene die Diagnose erhalten haben und auf der Suche nach Beratungsangeboten sind.

Genau bei den Erstgesprächen ist es derzeit – trotz aller Lockerungen – schwierig, zählen doch die meisten Betroffenen zur Risikogruppe. Ein Treffen von Angesicht zu Angesicht ist momentan nicht möglich, Videokonferenzen sind keine Option, erklärt Dörnemann. Häufig sei die Technik ein Problem. „Wir versuchen, den ersten Kontakt telefonisch herzustellen“, ergänzt Banger.

Bei den 17 Frauen und Männern, die schon zum Klientenstamm gehören, sieht das anders aus. „Wir haben alle angerufen und gefragt, ob wir weiter kommen sollen“, so die 58-Jährige, die in Bad Godesberg lebt. „Abgesagt hat keiner.“ Corona zum Trotz finden die Hausbesuche also weiterhin statt. Wenn auch anders, als in vorpandemischen Zeiten. Mundschutz und Handschuhe gehören von Anfang an dazu, genau wie Abstand halten. Was für Probleme sorgen kann. Denn: Einige Klienten erkennen die beiden hinter dem Mundschutz nicht mehr und entwickeln Ängste.

 Darüber hinaus läuft die Arbeit meist normal. Kleinere Besorgungen, Gedächtnistraining, die Vermittlung von Kurzzeitpflegeplätzen, die Abholung von Rezepten und Krankenkassenkarten oder die Vermittlung von ehrenamtlicher Unterstützung können weiterhin stattfinden. Auch für Spaziergänge und Gespräche mit Betroffenen und Angehörigen nehmen sich Banger und Dörnemann Zeit. Doch es folgt ein Aber: „Wir haben Klienten mit Hinlauftendenz“, berichtet Banger. Diese haben den Drang, ein bestimmtes Ziel – zum Beispiel eine alte Wohnung – aufzusuchen und begeben sich mehrfach am Tag dorthin. „Ihnen zu sagen, dass es Ausgangsbeschränkungen und Kontaktsperren gibt, ist sinnlos. Für sie ist es nicht möglich, im Haus zu bleiben.“

Ein weiteres Problem stellt sich bei den Klienten, die in Pflegeheimen leben – und zwar nicht stationär, sondern in einer eigenen Wohnung mit Service. Wochenlang durften sie niemanden empfangen, und auch jetzt gibt es nur kurze Besuchs-Zeitfenster. „Demenziell erkrankte Menschen brauchen eine Bezugsperson“, erklärt Dörnemann die Problematik. Diese aber dürfen – wenn überhaupt – nur selten vorbeischauen. „Auch für die Angehörigen ist es schwer, sie sind vielfach sehr besorgt“, ergänzt Banger. So stellen beide eine Veränderung im Verhalten der Erkrankten fest. „Viele sind unruhiger, nervöser und begreifen die Situation nicht.“ Kleine Karten, Blumengrüße und Telefonangebote bleiben, um die Situation zu entschärfen. Was vielfach gelingt. Aber nicht immer.

Doch es gibt auch positive Entwicklungen. „Wir sind berührt von der großen Hilfsbereitschaft der Ehrenamtler“, sagt Dörnemann. Als das Demenzhilfe-Team sich ein Mobile und ein Nestelkissen für Klienten wünschte, dauerte es nicht lang – und beides war da. Selbstgemacht. Die Rettung für einen bettlägerigen Mann, der ausschließlich an die Decke schaut. Und dessen Blick nun auf „ein tolles Mobile“ fällt, so Banger, die sich in ihrer Freizeit meist der Acrylmalerei und Science-Fiction-Büchern widmet. Rund zwei Monate unterstützt das Duo seine Klienten intensiv, dann kommen ehrenamtliche Helfer ins Spiel. Dabei, so Dörnemann, wird darauf geachtet, dass beide zusammenpassen. Und: „Wir bilden die Ehrenamtler selbst aus“, sagt der 49-jährige Plittersdorfer, bei dem neben dem Job Fahrradfahren und Museumsbesuche auf der Agenda stehen.

Die nächste Schulung sollte eigentlich im kommenden November stattfinden. Ob das angesichts der Einschränkungen gelingt? Schulterzucken. „Wir würden uns auf jeden Fall freuen, wenn wir sie anbieten könnten.“

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