Arzt verweigert Mitnahme Bonnerin durfte mit Blindenhund nicht in Arztpraxis

Bad Godesberg · Es klingt irritierend, ist aber rechtlich wohl nicht zu beanstanden. Eine sehbehinderte Frau aus Bad Godesberg wollte mit ihrem Blindenhund „Bella“ in eine Arztpraxis gehen. Doch das wurde ihr verwehrt. Der Hund musste draußen bleiben.

 Die Bad Godesbergerin Marlies Schade ist auf ihren Blindenhund Bella angewiesen. Bei einem Arztbesuch durfte der Labrador nicht mit in die Praxis - obwohl es vorher kein Problem war.

Die Bad Godesbergerin Marlies Schade ist auf ihren Blindenhund Bella angewiesen. Bei einem Arztbesuch durfte der Labrador nicht mit in die Praxis - obwohl es vorher kein Problem war.

Foto: Axel Vogel

Wenn Marlies Schade ihr Zuhause verlässt, geschieht das so gut wie nie ohne ihre Labradorhündin. Bella ist nicht einfach nur eine treue Begleiterin; sie ersetzt durch ihre Fähigkeiten das Augenlicht der Bad Godesbergerin. Vor einer Woche hatte die blinde Frau einen lange vereinbarten Arzttermin in der City. "Doch als ich in der Praxis ankam, bat mich der Arzt auf einmal, ich möge diese mit dem Hund wieder verlassen", erzählt Schade.

Was sie besonders verärgerte: Der Mediziner habe gesagt, sie sei doch noch nie mit Hund da gewesen. "Und das war nicht die Wahrheit, denn ich war bestimmt schon sieben bis acht Mal dort und habe mich mit dem Arzt sogar über meinen dreijährigen Hund unterhalten", so die 63-Jährige. Bella nämlich habe während der Untersuchungen immer brav hinten im Wartezimmer gelegen. Nur nach einem Unfall habe sie statt des Hundes ihr Partner begleitet. "Diesmal sollte ich Bella, wenn ich den Termin wegen meiner Schmerzen behalten wollte, im Treppenhaus anbinden", sagt Schade. Das jedoch könne sie weder dem Tier noch der es finanzierenden Krankenkasse gegenüber verantworten.

Gesundheitsamt sieht grundsätzlich keine Bedenken

Auf GA-Anfrage wollte sich der Arzt nicht zu seinen Beweggründen äußern. Muss er aber überhaupt Begleit- oder Blindenführhunde in seiner Praxis zulassen? "Es steht jedem Inhaber frei, einen Blindenhund von seiner Praxis fernzuhalten", sagt Marc Hoffmann, Vize-Sprecher der Stadt Bonn. Aus hygienischer Sicht bestünden laut Gesundheitsamt aber keine grundsätzlichen Bedenken gegen eine Mitnahme, solange das Tier einen vollständigen Impfschutz habe, regelmäßig entwurmt sowie auf Zecken- und Flohbefall untersucht werde. "Allenfalls bei einer allergologisch ausgerichteten Praxis könnten Bedenken bestehen, weil sich dort mit höherer Wahrscheinlichkeit Menschen mit Hundehaarallergie oder irritablem Bronchialsystem aufhalten, die dadurch einen Asthma-Anfall erleiden könnten", so Hoffmann. Um eine solche Praxis handelte es sich im vorliegenden Fall aber nicht.

Dass es keinen Paragrafen gibt, der so etwas regelt, bedauert Katharina Odening vom Arbeitskreis der Blindenführhundhalter im Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband. "Der Zutritt ist gesetzlich nicht geregelt, es können derzeit zur Argumentation nur das Anti-Diskriminierungsgesetz oder das Behinderten-Gleichstellungsgesetz herangezogen werden", sagt die Bundessprecherin der Selbsthilfeorganisation.

Fall ist eher die Ausnahme

Die Ärztekammer Nordrhein teilt auf Nachfrage mit, dass die Fragestellung zu Blindenführhunden ab und an auftauche. "Vermehrte Beschwerden liegen bei uns aber nicht vor", sagt Sabine Schindler-Marlow, stellvertretende Leiterin der Pressestelle. Allerdings komme bei Beschwerden gegen Praxen auch eher die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO) ins Spiel, so Schindler-Marlow.

Christopher Schneider von der KVNO sagt, aus der Distanz und ohne Stellungnahme des Mediziners könne man das beschriebene Geschehen nicht vollumfänglich bewerten. Marlies Schade könne sich aber an die örtliche Kreisstelle in Bonn wenden, die dem Sachverhalt dann aufklärend nachgehe. Das hat die blinde Frau nun auch getan.

"Grundsätzlich sind Arztbesuche mit Blindenhunden mit Blick auf die Gesamtzahl ambulanter Behandlungen im Rheinland mit über 67 Millionen im Jahr vergleichsweise selten, sie laufen nach unseren Informationen in der Regel reibungslos ab", erklärt Schneider. Auch, weil Betroffene zumeist einen festen Stamm an Arztpraxen hätten, denen die individuellen Umstände bekannt seien. "Ich rufe bei neuen kulturellen Einrichtungen, Geschäften oder Ärzten immer vorher an und frage nach, ob ich mit Blindenhund kommen darf", sagt Schade dazu. Deshalb sei sie ja so verwirrt gewesen, plötzlich nicht mehr willkommen zu sein. Für den 21. Oktober hat die Godesbergerin einen Termin bei einem anderen Facharzt gefunden - mit Bella.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort