Grabungen in Rüngsdorf Archäologen finden Franken statt Römer

RÜNGSDORF · Eine verzierte Spindel und eine bronzene Riemenzunge mit Tierkopf zeugen vom handwerklichen Geschick der Franken. Es sind zwei besonders schöne Stücke aus einer Vielzahl von Funden, die die archäologische Grabung auf dem Grundstück "Beckers Garten" in Rüngsdorf zutage gefördert hat.

Die Arbeiten sind seit Mittwoch beendet. Feststeht: Das erstmals im Jahr 804 urkundlich erwähnte Rüngsdorf ist wesentlich älter. "Wir haben Reste einer fränkischen Siedlung gefunden. 200 Jahre darf man mit Sicherheit draufschlagen", sagte Archäologin Martha Aeissen von der Ausgrabungsfirma Archeonet. Die frühmittelalterlichen Funde waren eine echte Überraschung. "Wir haben alle die Römer erwartet, von denen es aber nichts gibt, außer Ziegeln", sagte Aeissen.

Die umfangreichen Erdarbeiten in Beckers Garten hatten in den vergangenen Wochen zahlreiche Spekulationen mit sich gebracht. Es hieß zum Beispiel, dort seien Keltengräber gefunden worden. Was aussah wie Gräber, waren sogenannte Schnittkästen, die die Archäologen ausheben, um Bodenverfärbungen sehen, zeichnen und fotografieren zu können.

Die Grabung war ein normaler Vorgang: Das Denkmalschutzgesetz des Landes NRW sieht vor, dass Investoren eine wissenschaftliche Dokumentation durchführen lassen und finanzieren müssen, wenn auf einem Baugrundstück ein Bodendenkmal vermutet wird.

In Rheinnähe ist das wegen Bonns römischen Vergangenheit regelmäßig der Fall. Auskunft zu ihren Funden geben die Archäologen immer erst nach Abschluss der Arbeiten, weil die Baustellen nicht bewacht werden können und die Gefahr besteht, dass Schaulustige oder Schatzsucher Funde zerstören.

Beckers Garten ist laut Martha Aeissen ein "Glücksfall für die Archäologie, weil das Gelände so lange nicht bebaut war". So sind Spuren des frühen Mittelalters, die nur Experten lesen können, erhalten geblieben.

Insgesamt 733 Standorte von Holzpfeilern, Abfallgruben und Öfen haben sie auf einer Karte eingezeichnet, die bisher nicht mehr als eine Momentaufnahme ist. Erst wenn das gesamte Material aufgearbeitet und datiert ist, werden die Mosaiksteine zusammengesetzt, und es ergibt sich vielleicht ein genaueres Bild der Siedlung.

Den Spinnwirtel aus Hirschgeweih hat das Team in einem Grubenhaus gefunden. "Diese Häuser sind eine typische Erscheinung der mittelalterlichen Siedlung", erklärte Aeissen. Manche der vertieften Räume wurden für handwerkliche Tätigkeiten genutzt.

Hinweise auf einen Webstuhl gab es in Rüngsdorf nicht, es könnte aber sein, dass die Frauen im Grubenhaus zum Spinnen beisammen saßen. Wenn die Archäologen von Häusern sprechen, darf man sich darunter keine Mauerreste vorstellen. Die Franken haben aus Holz gebaut. Deshalb gibt es lediglich Verfärbungen da, wo früher einmal Balken gestanden haben müssen.

Vom Kleidungsstil des frühen Mittelalters zeugt die Riemenzunge (unten): Die vergoldeten Bronzeplatten haben ein Lederband eingefasst, das als Schmuck und Befestigung zugleich diente. Reste des Leders sind sogar noch vorhanden, was den Restaurator besonders begeisterte.

Gefunden wurden außerdem zwei schlichte, bronzene Nadeln für Haube oder Gewand. Beeindruckend ist, dass die Keramikfunde einen Zeitraum von 2500 Jahren umfassen: Es gibt zwischen den fränkischen Funden auch römische Scherben und blau verzierte Gebrauchskeramik aus dem 19. Jahrhundert.

Der älteste Fund ist eine eisenzeitliche Urne aus dem 6. Jahrhundert vor Christus. Die Archäologen gehen davon aus, dass sich aus den Knochenresten noch Alter und Geschlecht des Verstorbenen bestimmen lassen. "Wir hätten nicht erwartet, dass hier so viel ist und das in einem so guten Erhaltungszustand", sagte Grabungsleiter Peter Schönfeld.

Die Franken und Bonn

Die Franken sind eine Erfindung der Römer. Wie sich der Germanenstamm selbst genannt hat, geht aus den römischen Quellen nicht hervor. Dass sowohl Franken als auch Römer in Bonn Spuren hinterlassen haben, ist nicht ungewöhnlich: „Hier war immer Grenzgebiet“, sagt Eva Nieveler, Referatsleiterin Frühmittelalter im Bonner Landesmuseum.

Die Franken seien in ihren Anfängen eher lose Zusammenschlüsse gewesen. Seit dem Chlodwigreich Ende des 5./Anfang des 6. Jahrhunderts verstanden sich die Franken selbst als einheitliches Volk.

Dabei lassen sich die Germanen und Römer historisch nicht immer scharf trennen. Es gab Franken, die römische Verbündete waren, und Römer mit germanischen Wurzeln. Außerdem wurden in der Merowingerzeit römische Straßen und Zentren weiter genutzt.

Die Franken selbst bauten aus Holz, deshalb sind von ihren Siedlungen nur Spuren erhalten. „Die Zeit spukt in den Köpfen als dunkle Jahrhunderte, in denen es keine schönen Gebäude mehr gab. Das war nicht so. Uns fehlen aber die Schriftstücke“, sagt Eva Nieveler.

Die Handwerkskunst der Franken war beachtlich: Im Rahmen des Forschungsprojekts „Zellwerk“ werden zurzeit Verzierungen aus Granat untersucht. Moderne Rasterelektronenmikroskope beweisen außerdem, dass die Franken aufwendig gewebte, bunte Stoffe herstellen konnten.

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