Hochwasserschutz in Godesberg Anwohner befürchten: "Wieder wird nichts geschehen"

GODESBERG/WACHTBERG · Der gröbste Schmutz ist beseitigt, die Aufräumarbeiten dauern an. Nun folgt die Phase der Fragen, Vorwürfe und Anträge. Zwei Aspekte stehen nach dem Unwetter von Donnerstag im Mittelpunkt. Erstens: Hat man aus den Erfahrungen des sehr ähnlich verlaufenen Hochwassers vom 3. Juli 2010 nichts gelernt? Und, wenn doch: Warum erlebten viele Anlieger des Mehlemer Bachs nun abermals eine Katastrophe? Gefragt sind beispielsweise die zuständigen Verwaltungen.

  • Stadt Bonn: Beinahe wie eine Prophezeiung liest sich seit dem vergangenen Donnerstag eine Große Anfrage der Grünen an die Stadtverwaltung, eingereicht vor zehn Tagen: "Was hat die Verwaltung bisher unternommen, damit die Anwohner am Mehlemer Bach von den Folgen eines erneuten Extremhochwassers künftig verschont bleiben?", wollen die Grünen wissen. Inwieweit die Stadtverwaltung am 3. Juli in der Bezirksvertretung Stellung nehmen wird, muss sich zeigen. Versprechungen macht sie in einer ersten Antwort nicht. Vielmehr erklärt sie mit Datum vom vergangenen Donnerstag, dass im Tiefbauamt lediglich "ein Mitarbeiter für sämtliche Planungen zum Gewässerausbau und Hochwasserschutz für das gesamte Stadtgebiet zur Verfügung" stehe und neue Richtlinien einen höheren Arbeitsaufwand erzeugten. "Zudem", so die Verwaltung, "befindet sich der Mitarbeiter derzeit in Kur". Im September wolle man die "Studie zur Findung von sinnvollen Maßnahmenkombinationen für den Hochwasserschutz" vorstellen und die Fragen der Grünen bis dahin beantworten. Bonns OB Jürgen Nimptsch verkündete gestern freudig, dass die Bezirksregierung die Überschwemmungsgebietsverordnung für den Mehlemer Bach erlassen hat. Sie weist Gebiete aus, die dem Erhalt natürlicher Rückhalte- und Überflutungsflächen dienen sollen und sichert dort insofern den Status Quo.
  • Gemeinde Wachtberg: Wenig Eindruck hatte die Ankündigung von Bonns OB Jürgen Nimptsch auf seinen Wachtberger Amtskollegen Theo Hüffel gemacht, er werde die Kommunalaufsicht bitten, die Umsetzung der Hochwasserschutzmaßnahmen auf Wachtberger Gebiet zu beschleunigen. Stattdessen bat nun Hüffel die Kommunalaufsicht, den Sachstand darzustellen. Die rund 150 Ordnungsverfügungen hätten sich ausschließlich gegen Privatleute, nicht aber gegen die Verwaltung gerichtet, entgegnete Hüffel. Vielmehr sollten lieber die Bonner überprüfen, inwiefern sie auf Unwetter wie jenes von Donnerstag vorbereitet sind. Dazu, so Hüffel, gehöre auch ein Blick auf die vielen Stege und Brückchen in Mehlem. Sein positives Fazit, das Wasser sei diesmal "viel schneller abgeflossen als 2010", dürfte je nach Wohnort auf sehr unterschiedliche Resonanz stoßen. Bei allen verbalen Scharmützeln: Spätestens jetzt wird das Thema klettenhaft an Politik und Verwaltung hängenbleiben, zumal in zehn Monaten eine Kommunalwahl ansteht. Gestern nahm der Gemeinderat die Flut in die Tagesordnung einer ohnehin anberaumten Sondersitzung auf (ausführliche Berichterstattung morgen).
  • Betroffene: Schlecht ist die Stimmung derweil bei den Anliegern des Mehlemer Bachs. Viele von ihnen werfen der Gemeinde Wachtberg und dem Rhein-Sieg-Kreis eine halbherzige Umsetzung von Hochwasserschutzmaßnahmen vor. So sagt GA-Leser Holger Drach aus Niederbachem: "Was umgesetzt wurde, waren Minimalmaßnahmen, so nach dem Motto: Schaut her, wir tun doch was. Doch das, was getan wurde, hat uns am Donnerstag nichts genutzt." Als Erschwernis macht er eine EU-Richtlinie aus, nach der Totholz im Uferbereich nicht entfernt werden soll. Eine andere EU-Richtlinie schreibe vor, dass Niederschlagwasser von Neubauten in nahe Gewässer geleitet werden soll. Drach: "Die Folgen bekommen wir jetzt zu spüren."
  • Optionen: Eine Reihe von Merkmalen kommt bei den Problembeschreibungen betroffener Anlieger des Mehlemer Bachs immer wieder vor. Das sind die Begradigungen und Uferbefestigungen, zu enge Durchmesser der Kanalröhren, das Fehlen wirksamer Hochwasserrückhaltebecken, eine als zu großzügig empfundene Baupolitik in Nähe der Bachläufe in Wachtberg. Hinzu kommt die Forderung nach baulichem Hochwasserschutz, nach dem in Bad Godesberg CDU und Grüne jetzt erneut fragen. Die SPD regt die Wiedereinführung von Bachpaten an. Was die Konsequenzen betrifft, so bleibt GA-Leser Dieter Mehlhaff skeptisch. Er meint: "Leider wird der Amtsschimmel so lange wiehern, bis der nächste “Jahrhundertregen„ in drei Jahren wieder da ist. Dann werden sich die Verantwortlichen erneut gegenseitig die Schuld in die Schuhe schieben, und wieder wird nichts geschehen. Hier sind uns andere, auch so genannte Entwicklungsländer, weit voraus."
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