Verkehrschaos wegen Sanierung erwartet Was die Tunnel-Sanierung für Bad Godesberg bedeutet

Bonn · Am 23. Juli startet die Sanierung des Straßentunnels in Bad Godesberg. 40.000 Autos rollen dort täglich durch. Was bedeuten die Bauarbeiten für den Verkehr?

Ein Feuer in einem vielbefahrenen Tunnel ist der allerschlimmste Fall für Feuerwehr und Rettungssanitäter - und natürlich für Autoreisende. Wo sind die Notausgänge? Reicht die Lüftungsanlage? Denn der Rauch, meist giftiger dazu, ist häufig der Feind aller Betroffenen. So war es auch am 24. Oktober 2001, als im Gotthard-Tunnel der türkische Fahrer eines belgischen Lkw um 9.39 Uhr die Kontrolle verliert und auf die Gegenspur gerät. Der entgegenkommende Fahrer eines italienischen Lkw fährt nur mit einer Geschwindigkeit von 10 Stundenkilometern, der türkische mit "40 Sachen" auch eher langsam. Der Italiener reißt das Steuer herum, verhindert eine Frontalkollision; die Lkws verhaken sich seitlich, einer prallt gegen die Tunnelwand. Ein Lkw hat Hunderte Reifen geladen.

Monate später ist der Unfallhergang rekonstruiert. Ein Lkw-Tank war leckgeschlagen, Diesel lief aus, Kurzschluss in einem elektrischen Kabel, der Diesel entzündete sich. Die "Neue Zürcher Zeitung" (NZZ) berichtete am 18. April 2002: "Durch einen Test mit einem Brand von Diesel und Pneus konnte man den raschen Temperaturanstieg nachweisen. "Nach 100 Sekunden betrug die Hitze 300 Grad Celsius, nach 10 Minuten bereits 920 Grad", sagte ein Experte. Man könne davon ausgehen, dass im Gotthardtunnel Temperaturen von weit über 1200 Grad herrschten." Es ist die Temperatur, nicht das Feuer, was Beton und Stahl gefährdet: Bereits ab 500 Grad Celsius beträgt deren Festigkeit nur noch 50 Prozent. Zudem sei der Rauch so dicht gewesen, dass keiner im Tunnel mehr seine Hand vor dem Gesicht sah. Elf Menschen starben. Todesursache: Rauchvergiftung. Einige Opfer lagen nur wenige Meter von der Tür zum Rettungsstollen entfernt. Das Feuer sei von der Ventilation gefördert worden. "Die Ventilationstechnik war 30 Jahre alt und genügte den Anforderungen im Tunnel nicht mehr. Sie hat das Problem sicherlich vergrößert", urteilte Jacques-André Hertig, Professor an der ETH Lausanne.

Zuvor hatten bereits zahlreiche andere Tunnel-Katastrophen die Öffentlichkeit erschüttert. Zwei waren besonders schlimm. 24. März 1999: Im Mont-Blanc-Tunnel brennt ein Lkw, und seine Ladung - Margarine und Mehl - puscht das Feuer. Alles endet im Inferno. Der Brand wütet 56 Stunden lang, aber die Brandschutzräume sind nur für einen zweistündigen Aufenthalt konzipiert. 39 Menschen sterben. Auch hier: Die unterdimensionierte Lüftung konnte die giftigen Rauchgase nicht entsorgen.

Nach 2000: Automobil-Clubs testen Europas Tunnelsicherheit

Monate später, am 11. November 2000, löst in der Gletscherbahn von Kaprun ein defekter Heizlüfter einen Schmorbrand aus. Feuer und Rauch breiten sich rasend schnell im Tunnel aus. 155 Menschen sterben bei der größten Katastrophe in Österreichs Nachkriegsgeschichte.

Diese und viele andere verheerende Tunnel-Unfälle mit zahlreichen Toten und Verletzten sowie die Ergebnisse von Tunneltests, wie sie fast alle nationalen Automobilclubs damals in Europa durchführen, rufen bald die Europäische Union (EU) auf den Plan. Im April 2004 veröffentlicht sie die sogenannte Tunnelrichtlinie (2004/54/EG) über "die Mindestanforderungen an die Sicherheit von Tunneln im transeuropäischen Straßennetz". Deutschland übersetzte sie 2006 in eine nationale Regelung: "Richtlinien für die Ausstattung und den Betrieb von Straßentunneln" (RABT). Danach ist es nicht mehr gestattet, Rauch nach althergebrachter Methode über seitliche Schlitze abzusaugen. Nun schreibt der Brandschutz vor, größere Lüfter in die Decke zu setzen. Die Möglichkeiten zur Selbstrettung der Tunnelnutzer im Brandfall wurden ebenfalls verbessert.

Auch außerhalb der EU haben die Unfälle zum Nachdenken und Handeln geführt. Beispiel Schweiz: Mit 1300 Tunneln hat die kleine Alpenrepublik nach Japan die höchste Tunneldichte der Welt - und mehr als 300 Jahre Tunnelbau-Erfahrung. Bis 2018 investierten die Eidgenossen rund 1,2 Milliarden Schweizer Franken in mehr Sicherheit.

Innerhalb der EU musste die neue Richtlinie bis 2014 in allen Tunneln, die länger als 500 Meter sind, umgesetzt werden. Länder mit besonders vielen Tunneln bekamen als letzte Frist 2019 eingeräumt. Das tunnelarme Deutschland gehört nicht dazu. So gesehen, ist Bonn mit der Anpassung des Godesberger Tunnels an die 14 Jahre alten EU-Vorschriften spät dran. Die Kommune hatte aber nicht nichts getan, sondern bereits 2012 die erste Stufe der sicherheitstechnischen Nachrüstung bewerkstelligt: Für 2,3 Millionen Euro wurde unter anderem die gesamte Beschilderung, Beleuchtung und Markierung der Fluchtwege erneuert. Dies gelang weitgehend, ohne den Verkehrsfluss zu behindern. Dann führte die Ausrichtung der UN-Klimakonferenz mit 20.000 Gästen Ende 2017 zu einer weiteren Verzögerung.

Nun also der unvermeidliche Schritt 2 für mehr Tunnelsicherheit. Am 23. Juli starten die Arbeiten mit ersten Einschränkungen, erst am 11. August erfolgt die erste Voll-sperrung (für neun Monate) einer der beiden Tunnelröhren - und zwar jener, die nach Norden Richtung Bonn führt. In der baufreien Röhre führt dann eine Spur nach Norden und eine nach Süden. "Der Gegenverkehr wird durch eine rund 80 Zentimeter hohe Leitwand abgeschirmt, um Kollisionen zu verhindern", so die Stadt.

Der Tunnel ließ Bad Godesberg regelrecht auftatmen

Dann dürfte die oberirdische Verkehrsdichte wieder an die Zeit ohne Tunnel erinnern – und alle Betroffenen, Autofahrer wie Anlieger, nerven. Schon mit Beginn der 1950er Jahre hatte sich abgezeichnet, dass das Hauptstraßennetz in Bad Godesberg mit den stetig steigenden Verkehrsanforderungen überfordert war. Deshalb wurde Anfang der 1960er Jahre die Moltkestraße ausgebaut, und die Koblenzer Straße erhielt eine Einbahnregelung zugunsten des Nord-Süd-Verkehrs. Auch Kreuzungen wurden verändert, aber trotzdem stieg der Schleichverkehr durch die Bad Godesberger Wohngebiete auf täglich 30.000 Fahrzeuge an. Dazu kamen noch jene rund 40.000 Autos, die pro Tag über die B 9 rollten. Lärm, Abgase, Erschütterungen: Es entwickelte sich damals eine zunehmend unerträgliche Situation, insbesondere für die Anlieger.

1976 schlug der Gemeinsame Ausschuss der Bundeshauptstadt Bonn und der Bundesrepublik eine Lösung vor: Ein zweistreifiger Tunnel sollte die wachsende Bad Godesberger Verkehrslast senken. Dann ging es Schlag auf Schlag: Bund und Bonn trafen eine Finanzierungsvereinbarung, der Stadtrat stimmte dem baureifen Entwurf zu und brachte das planungsrechtliche Verfahren auf den Weg. Am 22. Juli 1991 lag der Planfeststellungsbeschluss vor. Nach einer Klage kam es am 13. September 1992 zum ersten Rammschlag. Bereits im Herbst 1994 wurde die Stadtbahntieflage in Bad Godesberg in Betrieb genommen. U16/63 entlasteten damit nicht nur den oberirdischen Verkehr, sondern fahren seitdem weiter bis zur Stadthalle. Der Haupttunnel wurde schließlich am 29. August 1999 für den Autoverkehr freigegeben. Der Anschluss der bahnparallelen Straße erfolgte ein Jahr später. Gleichzeitig wurden die oberirdischen Straßen zurückgebaut. Bad Godesberg atmete regelrecht auf.

Nun naht der unvermeidliche Baubeginn – und damit ein Verkehrschaos, das niemand vonseiten der Stadt kleinzureden versucht. Wo vorher vier unterirdische Spuren für den Nord-Süd- und Süd-Nord-Verkehr für 40.000 Autos pro Tag zur Verfügung standen, sind es dann für 18 Monate nur noch zwei. Es sei mit "erheblichen Behinderungen" zu rechnen. Das Tiefbauamt geht mit der Situation offen um und hat im Vorfeld der Großbaumaßnahme weitsichtig alle sonstigen Baustellen auf Alternativrouten beendet.

Das Nadelöhr im Berufsverkehr

Die Stadt versucht alles, um die Verkehrsströme trotz dauerhaftem Nadelöhr während der Berufsverkehrszeit zu lenken und zu bewältigen. So werden die Kreuzungen an den Eingangstoren des Tunnels aufwendig umgebaut, damit jeder auf die richtige Fahrspur kommt. In der jeweilig offenen Röhre wird es dann Gegenverkehr bei Tempo 30 geben. Lange hat es ein solch kompliziertes Verkehrsumlenk-Projekt in Bonn nicht mehr gegeben.

Die Stadt empfiehlt folgende Umleitungen: die MUK- Strecke (Mittel-, Ubier-, Konstantinstraße) und die bahnparallelen Straßen (Oscar-Romero-, Nahum-Goldmann-, August-Bebel-, Martin-Luther-Allee und Godesberger Straße). Tiefbauamtsleiter Peter Esch fürchtet, dass auch die Routen durch Friesdorf oder über die sogenannte MUK-Strecke (Mittel-, Ubier- und Konstantinstraße) zu den Stoßzeiten dauerverstopft sein werden. Zumindest sollen an den prekären Stellen die Ampeln so geschaltet werden, dass nicht zusätzliche, unnötige Staus entstehen. Wie bei neuen Baustellen üblich, etwa anfangs bei den Arbeiten auf der A565 zwischen Lengsdorf und Endenich, wird es wohl erst einmal richtig schlimm werden, weil es den vorab wohlinformierten Autofahrer eher nicht gibt. Die Fahrer müssen die neue Situation – learning by doing – erst einmal kennenlernen und sich darauf einstellen.

Esch und sein Team haben deshalb bewusst die Schließung der ersten Röhre in die Sommerferien gelegt. "Vielleicht gibt es aber auch gar keine Probleme", hofft der Amtsleiter, aber so richtig glaubt er es nicht. Schließlich stauen sich die Fahrzeuge selbst "mit Tunnel" häufig auf der Bonner Straße. Zudem hatte eine Verkehrsanalyse im Vorfeld eindeutig ergeben, dass die oberirdischen Straßen in Bad Godesberg und den angrenzenden Bezirken eine Komplettsperrung des Tunnels nie und nimmer verkraften würden. Deshalb entschied man sich auch für die dauerhafte Öffnung einer Röhre, die nun als Entlastungsventil fungiert.

Es wurde in alle Richtungen gedacht, auch daran, die Baumaßnahme von 18 auf 6 Monate zu begrenzen. Voraussetzung wäre jedoch gewesen, die alten Abluftventilatoren weiter rotieren zu lassen, was nicht nur die Bauzeit begrenzt hätte, sondern auch die Gesamtrechnung - auf drei Millionen Euro. Doch ein Lüftungsgutachten machte mit derlei Überlegungen kurzen Prozess: Nicht möglich, die alten Aggregate seien nicht leistungsfähig. So bleibt der Verkehrsinfarkt als nicht abwendbares Übel.

Die Bauphasen

Bauphase 1, Nordportal: Wer über die Elsässer Straße zur B9 fährt, darf nicht mehr rechts zum Tunnel abbiegen. Auf der Wurzerstraße gegenüber entfällt der Linksabbieger in den Tunnel hinein. Die Kurzröhre zur Bonner Straße (City) wird in diese Richtung geschlossen, steht den Fahrern in Richtung Bonn aber weiter zur Verfügung. Die Zu- und Ausfahrt über die Rampe Godesberger Straße (Obi-Markt) wird gesperrt. In diesem Tunnelstück werden dann schon die kompletten Strahlventilatoren ausgebaut, mit zusätzlichen stärkeren Lüftern ausgestattet und in die Brandfallentlüftung der Hauptröhren integriert.

Bauphase 1, Südportal: Die Rampe Koblenzer Straße vor McDonald's wird nur noch von Autos befahren, die aus dem Tunnel heraus in Richtung Mehlem unterwegs sind. In Gegenrichtung ist sie gesperrt. Stattdessen steht ein paar Meter weiter die Einfahrt Friedrichallee offen, über die alle im Tunnel nach links in die offene Röhre geleitet werden. Die Fußgänger können dann nicht mehr direkt die Friedrichallee überqueren und müssen einen Umweg in Kauf nehmen. Ab Mitte Mai 2019 kommt eine neue Verkehrsführung, wenn die bergseitige Röhre gesperrt wird.

Bauphase 2, Nordportal: Der Rechtsabbieger Elsässer- und der Linksabbieger Wurzerstraße bleiben gesperrt. Wer aus Richtung Bonn in den Tunnel will, muss den Schlenker über Hochkreuzallee und Godesberger Straße nehmen und dann die dortige Rampe hinter dem Obi nutzen. Die Kurzröhre wird wieder voll befahrbar sein.

Bauphase 2, Südportal: Die Autos aus Bonn kommen an der Friedrichallee aus dem Tunnel heraus. Umgekehrt geht es über die Rampe Koblenzer Straße unter die Erde.

Die Verkehrsführung ist aufwendig, und alle müssen sich erst einmal daran gewöhnen. Die Sicherheit ist, so die Stadt, aber immer gewährleistet: Sollte in den Röhren während der Bauzeit ein Unfall passieren, gibt es Nothaltebuchten, und Rettungskräfte können rasch durch die gesperrte Baustellenröhre an-rücken. Allein das vorgeschriebene Tempolimit von 30 Stundenkilometern, so die Erwartung, verhindert größere Crashs und "ermöglicht" allenfalls nur Blechschäden.

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