Heiderhof im Wandel Vom Satelliten zum „bunten Ortsteil“

HEIDERHOF · Der Ortsteil Heiderhof weist die größte Dichte von älteren Menschen über 70 Jahren auf, aber er hat auch den höchsten Jugendanteil in Bonn. Aber die Bürger vermissen eine gewachsene Struktur.

 Generationenwechsel: (v. l.) Cornelius, Ulrike, Friedrich und Felicitas von Bargen fühlen sich wohl auf dem Heiderhof.

Generationenwechsel: (v. l.) Cornelius, Ulrike, Friedrich und Felicitas von Bargen fühlen sich wohl auf dem Heiderhof.

Foto: Friese

Wenn fünfköpfige Familien ausreichend große Häuser suchen, dann kann es auf dem Bonner Immobilienmarkt eng werden. Davon kann Ulrike von Bargen ein Lied singen. Als „ungeheures Glück“ bezeichnet sie denn auch den Kauf dieses auf den ersten Blick doch seltsamen Heiderhofer „Kastenhauses“. Denn außer dem offenbar hohen Preis begeisterte sie und ihren Mann eigentlich alles: das viele Grün, die Nähe zum Wald und dann im Haus die attraktiv versetzten Ebenen. Die von Bargens wurden von Herzen Heiderhofer. Und waren damit 2001 eine der jungen Familien, die den kompletten Generationenwechsel im Satellitenortsteil einläuteten.

Ulrike von Bargen beobachtet seither den Wandel genau. In ihrer Immanuelkirchen-Bücherei geben sich Alt und Jung die Klinke in die Hand. Obwohl der Ortsteil ja keine gewachsene „Dorfstruktur“ besitzen könne, beherberge er heute eine „bunte Gesellschaft“, ja eine gesunde Mischung aus fast allen Bevölkerungsschichten, meint sie. Es kämen eben immer Neue hinzu.

Und die erste Generation? Die zögen seit einigen Jahren ins betreute Wohnen und ins Seniorenheim vor Ort, wenn man nicht mehr in den eigenen vier Wänden bleiben könnten, erzählen ältere Heiderhofer. Oder sie gingen irgendwann ganz. Der Ortsteil sei ja seit den 1960er Jahren aus einer Bündelung von Bauherrenmodellen auf dem Höhenzug quasi auf der grünen Wiese aus dem Boden gestampft worden, erinnern sich Anne und Udo Schlosser. „Eine Trabantenstadt halt“, lachen die beiden, „ein ruhiger Beamtenstandort“ der Bonner Republik. Aber einer, der nur so „wimmelte von Kindern, Kinderwagen, werdenden Müttern und Müttern auf Spielplätzen“, weiß Anna Elisabeth Schwüppe noch.

„Hier entstand die typische Heiderhofer Hilfsbereitschaft, die es auch heute noch gibt“, ist sie überzeugt. Wenn man damals alte Menschen sah, wussten die Heiderhofer: „Oma und Opa sind zu Besuch.“ Heute werden die überproportional vielen Hochbetagten selbst besucht – etwa von Aktiven wie Schwüppe, einer katholischen Ehrenamtlichen, oder dem evangelischen Pfarrer Rainer Finke. Finke hat bei seinem Antritt auf dem Heiderhof 500 über 70-jährige Protestanten vorgefunden – von gut 5000. „Und wer von diesen Bundesbeamten einmal hierher gezogen war, will auch dort bleiben“, weiß der Pfarrer.

Die Statistik wiederum sagt, dass sogar 255 über 84-Jährige auf dem Heiderhof leben. Das ist einsamer Stadtrekord. Die Methusalems lassen das mittlere Alter im Ortsteil auf hohe 45,9 Jahre schnellen. Im Durchschnitt ist der Bonner nur 41,9 Jahre alt. Dabei hat wiederum der Heiderhof mit 42,3 Prozent auch einen enorm hohen Jugendquotienten vorzuweisen. Bonn-weit liegt der nämlich bei nur 30,3 Prozent. Das heißt: Vor 50 Jahren platzte im Ortsteil der Kindersack. Und heute sind hier wieder die ganz Jungen, aber auch die ganz Alten in der Überzahl.

Bringt das Probleme? Wo steht der Heiderhof in Zukunft? Nachdem noch mehr Häuser als bisher energetischen Maßnahmen oder einem Aus- und Umbau unterzogen wurden? Schlosser analysiert eher kritisch: Der Ortsteil werde „ein Anhängsel“ Godesbergs bleiben. Er besitze keinen Gesangverein, keine Feuerwehr, keine Frauengemeinschaft, keinen Bürgersaal, keine Vereinskneipe wie gewachsene Standorte. Anna Elisabeth Schwüppe beklagt, dass es im Einkaufszentrum durch „gestorbene Existenzen“, also Ladenaufgaben, zugig geworden sei. Und dass die Katholiken wegen Strukturänderungen ihr großzügiges Pfarrzentrum und damit einen wichtigen Ort der Kommunikation für alle Bewohner verloren hätten.

Man bemühe sich halt, im verbleibenden Rest eine lebendige Gemeinschaft zu erhalten und zu leben. Ulrike von Bargen wiederum blickt positiv voraus, sieht „großes Potenzial hier oben“. Das evangelische Gemeindezentrum werde ja umgebaut und über alle Grenzen hinaus „für viele Menschen ein ansprechender Ort“ werden. Vielleicht also etwas, was die Ältere noch schmerzlich vermissen.

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