Traditionsgeschäfte in Bad Godesberg Feinkost Schüller: Gänseleber und Toilettenpapier

RÜNGSDORF · Seit 78 Jahren behauptet Feinkost Schüller sich in Rüngsdorf. Hier gibt es zum Teil dasselbe zu kaufen wie in Supermärkten und bei Discountern um die Ecke – aber eben auch noch einiges mehr.

Hirschbraten, Gänseleber, Muscheln in Tomatensauce und Olivenöl für 20 Euro die Flasche: Die Kundschaft aus dem Rüngsdorfer Villenviertel schätzt das extravagante Angebot und kauft seit Generationen bei Feinkost Schüller. Aber das sei nicht alles, sagt Geschäftsführer Dirk Schüller: „Wir liegen irgendwo zwischen Discounter und Feinkostladen.“ Tatsächlich befindet sich in der Käsetheke direkt neben dem teuren französischen Alpenkäse der preisgünstige holländische Gouda. Und in den Regalen gibt es genauso wie „Apfel-Calvados-Pastete“ aus Schweineleber die billige Discounter-Salami. Und selbst wegen einer Packung Toilettenpapier muss niemand woanders hin.

Auch wenn das Geschäft vor einigen Wochen umgebaut wurde und nun in neuem Glanz erstrahlt: Vieles bei Schüller erinnert noch immer an einen normalen Supermarkt: Zum Beispiel das künstliche Licht oder auch die quietschende Einkaufswagen in den schmalen Gängen. Aber Schüller kennt seine Kunden persönlich, weiß über ihre Familien Bescheid. Vor allem weiß er, was sie brauchen. Seit fünf Jahren führt er den Laden, in dritter Familiengeneration.

Regal voller Konserven

Angefangen hatte der Großvater 1938 in der Konstantinstraße – mit einer Verkaufstheke und einem Regal voller Konserven. Schüllers Vater kaufte das benachbarte Grundstück und legte den Grundstein zu dem Laden von heute: einem tennisplatzgroßen Geschäft mitten in Rüngsdorf. Das Konzept geht bis heute auf. „Die Umgebung“, so Schüller, „ist ideal für uns.“ Er glaubt, dass der Laden auch in Zukunft gut laufen wird. Die Leute aus dem Villenviertel nebenan können sich den Champagner für 169 Euro leisten.

In den fünf Jahren, in denen er Geschäftsführer ist, hat Dirk Schüller zwar erneuert, aber dennoch wenig an dem Laden geändert. Zwar fragten immer mehr Kunden nach Bioprodukten, erzählt er. Aber das würde sein ausbalanciertes Angebot zwischen Feinkost und Discounterware über den Haufen werfen. Das komme für ihn schon alleine aus Platzgründen nicht in Frage.

Darüber, dass sein Vater in den 70er-Jahren auf die Idee kam, einen Lieferdienst einzurichten, ist Schüller dagegen froh. Ungefähr 50 Kunden pro Woche schicken ihre Einkaufsliste per E-Mail und bekommen die bestellte Ware nach Hause. Wie inzwischen im gesamten Lebensmittelhandel steigt auch bei Schüller die Nachfrage nach diesem Service, vor allem von Berufstätigen und älteren Leuten.

Lieferservice per E-Mail

Ungefähr genauso alt wie der Lieferservice ist der Schüllersche Partyservice. Sein Vater, der gelernter Koch war, bot seinen Kunden irgendwann an, zu ihren Festen das fertige Essen zu liefern. Heute kümmern sich drei Köche um Hochzeiten, Geburtstage und Geschäftsessen: Von eher traditioneller Kerbelcreme mit Lachsstreifen, Gebratener Rehkeule mit Pilzen und Vanillecreme mit Schattenmorellen bis zu eher modern mit legiertem Kräutersüppchen, gefüllten Kalbsröllchen mit Gnocchis und Orangenquarkcreme. Geschirr, Besteck und Personal bringt Schüller auf Wunsch gleich mit.

Über dem Laden wohnen Schüllers Eltern, im Haus daneben lebt die 99-jährige Großmutter. „Die fragt noch regelmäßig, wie es im Laden läuft“, erzählt Schüller. Daran, dass er den übernehmen würde, gab es für Dirk, der ein Einzelkind war, nie einen Zweifel. Entsprechend akribisch die Vorbereitung: Nach dem Realschulabschluss eine Ausbildung zum Koch im „Herrenhaus Buchholz“ in Alfter und dann zum Einzelhandelskaufmann bei „Feinkost Holtmann“ in Köln. Heute ist er der Chef und von montags bis samstags im Laden. Jeden Morgen um 4 Uhr fährt er zum Bonner Großmarkt, um Obst und Gemüse einzukaufen. Ist eine Kassiererin krank, springt er ein. Urlaub gibt’s selten; im letzten Jahr hat er sich eine Woche Österreich gegönnt. „Klar hätte ich mir einen einfacheren Beruf aussuchen können“, sagt der Mann im weißen Kittel. Bereut habe er die Entscheidung aber noch nie. Wie es mit dem Laden weitergeht, wenn der kinderlose Dirk Schüller selber mal in Rente geht, weiß er noch nicht. Doch bis dahin ist ja noch Zeit. Und mit Sicherheit lässt sich die Familie etwas einfallen.

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