Uni-Jurist zum Bürgerentscheid Der Oberbürgermeister muss nicht neutral sein

BONN · Der Bonner Verwaltungsrechtler Klaus Ferdinand Gärditz ist der Auffassung, dass Oberbürgermeister Ashok Sridharan beim Bürgerentscheid zur Zukunft des Kurfürstenbads keine neutrale Stellung einnehmen muss.

„Ich meine, dass die besseren Argumente in der Tat dafür sprechen, dass der Bürgermeister sich nicht neutral verhalten muss, sondern offensiv seinen politischen Standpunkt auch gegen ein Bürgerbegehren vertreten darf, jedenfalls solange er das allgemeine Gebot der Sachlichkeit wahrt“, erklärte der Professor für Öffentliches Recht an der Uni Bonn. Allerdings betonte er, dass die Gemeindeordnung dazu keine klare Regelung enthalte.

Es sei allerdings rechtlich umstritten, ob es eine Neutralitätspflicht gebe – im Gegensatz zur Vorgabe strikter Neutralität bei Wahlen, um die demokratische Chancengleichheit zu wahren und keinen Machtmissbrauch zu betreiben. Der OB begründet sein Werben für ein „Nein“ beim Bürgerentscheid mit einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster und hat seine Auslegung verwaltungsintern prüfen lassen. Weiter sagte Gärditz: „Natürlich dürfte der OB keine missbräuchliche Diskreditierung der Bürgerinitiative betreiben, aber aus meiner Sicht wirbt er weder aggressiv noch besonders offensiv.“

Auf die Frage, ob es nicht ein Ungleichgewicht zwischen den Mitteln der Verwaltung und der Bürgerinitiative gebe, sagte der Jurist: „Eine Asymmetrie ist zweifellos da.“ Allerdings vertritt er die Auffassung, dass Bürger über soziale Netzwerke mittlerweile bessere Möglichkeiten haben, plebiszitäre Bewegungen zu organisieren.

Um das Kräfteverhältnis ausgewogener zu gestalten, setzt sich der Verein „Mehr Demokratie“ für eine Teilkostenerstattung bei Bürgerentscheiden ein. Die Stadt Hamburg beispielsweise erstatte Initiativen für jede erreichte Ja-Stimme zehn Cent bis zu einer Gesamtzahl von 100.000 Stimmen, teilte Vereins-Pressesprecher Thorsten Sterk mit.

Wie berichtet, ist auch „Mehr Demokratie“ der Auffassung, dass der OB klar Position beziehen darf. Die Bürgerinitiative selbst lehnt die Verwaltungswerbung mit Plakaten ab. Juppi Schaefer („Die Godesberger“) findet ebenfalls der OB müsse sich „neutral“ verhalten. Der Bundestagsabgeordnete Ulrich Kelber befürchtet eine Spaltung der Gesellschaft: „Demokratie lebt von Chancengleichheit, daher sind aus meiner Sicht ab dem Zeitpunkt des Starts eines Bürgerbegehrens Stadt und Stadtverwaltung gehalten, nicht ihre finanziellen und organisatorischen Ressourcen für die Position der Ratsmehrheit einzusetzen.“

Einer Werbung in städtischen Gebäuden mit Flyern hatte Sridharan eine Absage erteilt, er wolle keine „Materialschlacht“. Die SWB haben daraufhin ihre Kundenmagazine entfernt, in denen sie für das neue Bad werben. Die SPD hat für den Rat am Donnerstagabend einen Antrag gestellt, die Auslegung von Infoheften zuzulassen. „Ich finde es ein merkwürdiges Demokratieverständnis, wenn die Stadt die Zulassung für Broschüren zurückzieht, sobald andere auch werben wollen“, sagte SPD-Fraktionschefin Bärbel Richter.

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