Nahverkehr in Bonn Azubi-Ticket des VRS steht in der Kritik

Bonn · Viele Auszubildende sind auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen. Aus diesem Grund bietet der Verkehrsbund Rhein-Sieg (VRS) seit zwei Jahren ein Azubi-Ticket an. Dieses kann nun aufgewertet werden, steht aber in der Kritik.

Tausende junge Erwachsene in Bonn und der Region starten an diesem Donnerstag in das erste Lehrjahr ihrer Ausbildung. Wer kein eigenes Auto besitzt oder das seiner Eltern nutzen kann, ist dabei auf den öffentlichen Personennahverkehr angewiesen. Seit Sommer 2017 bietet der Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) deswegen ein Azubi-Ticket für sein Gebiet an.

Ab dem 1. August kann dieses nun gegen einen Aufpreis von 20 Euro aufgewertet werden und wäre damit für monatlich 80,70 Euro in allen Bussen und Bahnen in ganz Nordrhein-Westfalen gültig. Das Angebot solle den Auszubildenden ermöglichen, jederzeit und an jeden Ort mit Zügen, Straßenbahnen und Bussen fahren zu können. Doch das Ticket erhält ebenso viel Lob wie Kritik.

Laut Agentur für Arbeit arbeiten in Bonn aktuell 17.752 Auszubildende. Einer von ihnen ist Philipp Neubauer. Seit knapp zwei Jahren fährt der 20-Jährige jeden Tag mit der Straßenbahn von Beuel über die Kennedybrücke zu seinem Arbeitsplatz im Bonner Westen. Seit ebenso langer Zeit ärgert er sich auf diesem Weg über die öffentlichen Verkehrsmittel. Mit gereizter Stimme erzählt er, dass seine Verbindungen unerwartet ausfielen, dass es kaum einen Tag ohne Verspätungen gebe, dass Busse und Bahnen völlig überfüllt seien. Um zur Arbeit zu kommen, nutzt Neubauer, der eine Ausbildung zum Medienkaufmann absolviert, das Azubi-Ticket des VRS. Seiner Meinung nach ist das Angebot jedoch nur eines: „Viel zu teuer.“

Dass Auszubildende ab sofort ein Ticket erwerben können, dass sie durch das ganz NRW bringt, begrüßt der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Köln-Bonn. Wie dessen Jugendbildungsreferent Omer Semmo erklärt, habe die Gewerkschaftsjugend die Einführung eines landesweiten Azubi-Tickets in den vergangenen Jahren immer wieder gefordert – besonders, weil Auszubildende im Vergleich zu Studenten weniger flexibel mit Bus und Bahn fahren konnten. „Das war nicht fair und in Zeiten des Fachkräftemangels auch alles andere als klug“, sagt Semmo. Ähnlich wie Neubauer bemängelt der DGB aber den Preis von mehr als 80 Euro im Monat. Dieser sei zu hoch angesetzt. „Das ist alles andere als ein Pappenstiel“, bekräftigt auch Manja Wiesner von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten in der Region.

"Azubi-Ticket fast nicht zu stemmen"

Durchschnittlich verdienen Auszubildende in NRW 797 Euro im Monat. Dies geht aus dem aktuellen Ausbildungsreport des DGB hervor. Philipp Neubauer liegt mit einem Gehalt von 700,47 Euro im zweiten Lehrjahr unter diesem Schnitt. Er wohnt bei seinen Eltern, muss keine eigene Unterkunft bezahlen. Aber: „Für alle, die nicht aus Bonn kommen und hier eine eigene Wohnung unterhalten müssen, ist das Azubi-Ticket fast nicht zu stemmen“, sagt er.

Die Kritik, dass sowohl das regionale als auch das landesweite Azubi-Ticket zu teuer seien, kann der VRS nicht nachvollziehen. „Das neue Abo ist an den Bedürfnissen und dem Budget der jungen Leute ausgerichtet“, sagt VRS- Pressesprecher Holger Klein auf GA-Anfrage. „Es gilt dabei nicht nur für die Fahrten im Rahmen der Ausbildung, sondern auch für Fahrten in der Freizeit, was ein sehr großer Vorteil ist. Damit sind die Nutzer 365 Tage verbundweit mobil.“ Die Vorwürfe hält er für nicht gerechtfertigt.

Das Video ist Teil einer Kooperation zwischen dem WDR und dem GA.

Auch Lea Kistemaker findet, dass das Angebot nicht zu teuer sei – zumindest, was ihre persönliche finanzielle Situation angeht. Die 32-Jährige befindet sich im letzten Lehrjahr ihrer Ausbildung zur Psychotherapeutin. Jeden Morgen pendelt sie mit dem Zug von Bonn nach Bad Neuenahr. Sie verdient mehr als 1000 Euro im Monat. „Dafür geht der Ticketpreis“, findet sie. Doch, und das betont sie mit Nachdruck: „Nicht alle Auszubildenden verdienen genug, um sich das leisten zu können.“

Eine Lösung für dieses finanzielle Problem hätte das NRW-Verkehrsministerium parat. Denn auch dort ist man sich bewusst, dass nicht alle Auszubildenden problemlos von ihrem Gehalt leben können. „Der Preis von rund 80 Euro ist tatsächlich bei manchen Vergütungen eine Menge Geld“, sagt der stellvertretende Pressesprecher Bernhard Meier. Jedoch könne der Arbeitgeber die Kosten für das Ticket zur Hälfte oder gar vollständig übernehmen, der freiwillige Zuschuss sei als Betriebsausgabe steuerlich absetzbar.

Dass Gewerkschaften teilweise den preislichen Vergleich mit dem Semesterticket für Studenten heranziehen, kann Meier indessen nicht nachvollziehen: „Dieser Vergleich hinkt. Das Semesterticket müssen alle Studenten mit ihrem Sozialbeitrag bezahlen, egal ob sie es nutzen oder nicht. Das landesweite Azubi-Ticket ist freiwillig und natürlich nur für die interessant, die es auch nutzen können.“

Philipp Neubauer würde sich dennoch wünschen, dass Fahrten mit Bus und Bahn generell günstiger sein sollten. „Ich kenne viele Leute, die es aufgrund der hohen Preise nicht einsehen, mit der Bahn zu fahren. Eigentlich schade“, sagt der 20-Jährige. Dabei sei es gerade mit Blick auf den Umweltschutz doch wünschenswert, weniger Fahrzeuge auf den Straßen zu haben. „Wir müssen die Leute irgendwie zum Umdenken bewegen.“ Und dazu zählt auch ein preiswerterer öffentlicher Personennahverkehr.

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