Öffnung der Mauer Außerordentlich mühsame und zähe Verhandlungen

BONN · Gut zwei Jahre ist es her, dass Tuya Roth einen Mann am Telefon hatte, der ihr eine ungewöhnliche Frage stellte. Er habe das Haus der Geschichte besucht und wolle nun wissen, welcher Zettel Günter Schabowskis denn da ausgestellt werde.

 Günter Schabowski auf der Pressekonferenz am 9. November 1989, auf der er die Öffnung der Grenze bekannt gab.

Günter Schabowski auf der Pressekonferenz am 9. November 1989, auf der er die Öffnung der Grenze bekannt gab.

Foto: dpa

"Offenbar wollte er vorsichtig nachfragen, ob wir das Original haben", sagt Roth, die im Museum für den Ausstellungsbereich zuständig ist, in dem der Mauerfall thematisiert wird. "Ich habe ihm mitgeteilt, dass wir eine Kopie haben, aber nach dem Original suchen", berichtet Roth von dem Telefonat. Erstmals war die Kopie bereits 1999 in dem Buch "Chronik des Mauerfalls" von Hans-Hermann Hertle abgedruckt worden. Der Original-Zettel, auf dem sich Schabowski Notizen für seine Pressekonferenz am 9. November 1989 gemacht hatte, galt hingegen als verschollen.

Bekannt war, dass der SED-Spitzenpolitiker das DIN A4-Blatt 1991 an einen Bekannten weitergegeben hatte. In den 2000er Jahren soll der Zettel dann an eben jenen Herrn aus dem "weiteren privaten Umfeld" Schabowskis gekommen sein, der sich bei Tuya Roth gemeldet hatte. "Zwei Jahre hat er uns dann auf die Folter gespannt", sagt Museumschef Hans Walter Hütter. Bis Anfang Dezember 2014, als er wieder anrief und fragte, ob noch Interesse bestehe. Es folgten "außerordentlich mühsame und zähe Verhandlungen", so Hütter. Außerdem ließ das Haus der Geschichte prüfen, ob es sich tatsächlich um Schabowskis Handschrift und um in der DDR üblicherweise genutztes Papier handelte. Das Ergebnis: alles echt.

Die 25.000 Euro, die den Steuerzahler der Kauf des Zettels kostet, hält der Museumschef für einen Betrag, "der für ein solch relevantes Dokument angemessen ist". Wenn der Abschluss nicht geglückt wäre, so Hütter, wäre der Zettel womöglich auf dem internationalen Markt gelandet und dort nur noch für eine sechsstellige Summe zu haben gewesen.

Zur erstmaligen Präsentation des Zettels hätte das Haus der Geschichte natürlich auch gern den Autoren selbst dabei gehabt. Dann hätte er vielleicht auch erklären können, was das eine oder andere eher Unverständliche auf dem Zettel bedeutet. Doch Schabowski ist seit Jahren schwer krank und pflegebedürftig.

Dennoch: Einiges ist ja klar. So dürfte Schabowski mit den Regieanweisungen "Zeit" und "kurz vor Schluß" sich klar gemacht haben, dass er erst am Ende der Pressekonferenz mit der neuen Reiseregelung habe rausrücken wollen. Danach wollte er noch Fragen zulassen - für DDR-Verhältnisse geradezu revolutionär. Und eben in jener Runde, es war inzwischen kurz vor 19 Uhr, kündigte er die unverzügliche Öffnung der Grenzen an. Dass die neue Reiseregelung frühestens am nächsten Tag in Kraft treten sollte und dann erst einmal mit der Möglichkeit für DDR-Bürger, Pässe zu beantragen, hatte er offenbar nicht gewusst.

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