Space Invaders in Bonn Außerirdische erobern die Bundesstadt

BONN · Sie sind schon lange unter uns. Und obwohl sich die Außerirdischen nicht verstecken, hatte noch längst nicht jeder in der Bundesstadt seine persönliche Begegnung der dritten Art. Die Eindringlinge kommen von einem anderen Stern und zugleich aus dem Computer.

Die pixeligen Space Invaders aus kleinen quadratischen Steinen erobern als Mosaik Hauswände oder U-Bahn-Schächte. Pate stand eines der frühen Computerspiele aus den 70er Jahren.

Wer oft im Stau auf der Reuterstraße steht, hat dort Zeit und Gelegenheit, die Bekanntschaft mit den Außerirdischen zu machen. Auch wenn die kleinen Invasoren sich hier in braunen Tarnfarben an Hauswänden und Mauern nahe der Argelanderstraße zu verbergen scheinen. Also Augen auf: An der Hausnummer 42 und über dem Fenster des Waschsalons sind Außerirdische zu entdecken.

Und die Aliens aus der Reuterstraße sind nicht allein. Im Internet sind Spuren ihrer Artgenossen zu finden, die im Straßenbild anscheinend eliminiert worden sind: Auch an der Wenzelgasse oder an der Betonwand über der Treppe zur U-Bahnhaltestelle Uni/Markt sind die Eindringlinge zu finden.

Oder auf der Schäl Sick an der Rheinaustraße nahe der Kennedybrücke. Andere Brüder und Schwestern haben längst die Welt erobert, sind in Miami und Kathmandu, in New York und Hongkong zu finden.

Erstes Ziel der Invasoren aus dem All ist Mitte der 1990er Jahre Paris gewesen: Dort verewigte ein Straßenkünstler, der sich passenderweise den Namen Invader gab, das erste Mosaik-Männchen auf einer Hauswand. Ein Vorposten, der über Jahre der einzige seiner Art geblieben sein soll. Erst ab 1998 ließ der unbekannte Künstler - inspiriert vom Computerspiel Space Invader - seine Alienhorden die Seine-Stadt sukzessive unterwandern.

Die Vorlage für die Attacke aus dem Weltraum hatte ihm 20 Jahre zuvor Tomohiro Nishikado mit einem Computerspiel geliefert. Der Japaner wiederum hatte die Inspiration zu seinen, wie er selbst sagt, "einzelligen Tümpelbewohnern nicht unähnlichen" Angreifern aus dem All aus H. G. Wells Roman "Krieg der Welten" entlehnt.

Und die Space Invaders an den Wänden können ihre Vorfahren nicht verleugnen: Zu ähnlich sehen die Mosaike den Aggressoren aus dem Computerspiel. Straßenkünstler Invader, aber wohl auch Nachahmer und Helfer haben sie auf der Welt verbreitet.

Ob immer zur Freude der Hausbesitzer, ist nicht überliefert. Mit Ausnahme eines Falls aus Los Angeles, über den aus anderen Gründen später noch zu reden sein wird. Ansonsten scheinen die Erdlinge den Fremden aus dem All mit einer größeren Toleranz zu begegnen als beispielsweise irdischen Sprayern. Auch wenn davon auszugehen ist, dass ein Großteil der eigentlich wetterfesten und widerstandsfähigen Mosaike Modernisierungen zum Opfer gefallen oder beim nächsten neuen Anstrich entfernt worden sind.

Dabei bringen sie ihre Schöpfer angeblich nach bestimmten Kriterien und mit einer ihrer heimlichen Arbeit zuträglichen Methode an: Die Außerirdischen sind eine Art Fertigbau. Zumindest zum Teil sollen sie bereits zusammengefügt sein, damit sie schnell und unbemerkt angebracht werden können. Auch die Ortswahl ist angeblich das Ergebnis konzeptioneller Erwägungen. Schönstes Beispiel: In Montpellier ergaben die Standorte der Mosaik-Aliens, eingetragen in einen Stadtplan, wiederum einen gigantischen Space Invader auf der Karte.

Weniger deutliche Spuren haben die Invasoren im nahen Siegburg hinterlassen, wo sie 2008 unter anderem am Betonkubus vor dem Kreishaus gesichtet worden waren. Einzig ein heller Fleck zeugt am Abgang zur Bonner U-Bahn-Station Heussallee direkt vor der früheren FDP-Parteizentrale von einem ehedem dort dokumentierten Besucher aus dem All. Ob dieser im Gefolge der Liberalen nach Berlin umgesiedelt ist oder mit seinen Parteifreunden an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert ist, wer weiß das schon.

Völlig unbehelligt blieb dagegen wohl der Straßenkünstler Invader selbst, dem es bis heute gelungen ist, aus seiner Identität ein Geheimnis zu machen. Allerdings gehen manche davon aus, dass er einer der beiden Franzosen gewesen ist, die im Juli 2011 in Los Angeles wegen des Verdachts auf Vandalismus kurzfristig ins Visier der Behörden geraten sind, ohne dass sein Inkognito gelüftet wurde.

Angeblich sollen selbst seine leiblichen Eltern nichts davon wissen, dass ihr Sohn hinter dem Pseudonym steckt. Sie kennen ihn nur in seinem bürgerlichen Leben. Als Fliesenleger, heißt es.

Straßenkunst aus Paris

Invader, zu Deutsch Eindringling, nannte sich ein Pariser Straßenkünstler in Anlehnung an einen der ersten Computerspiel-Megaseller. 1998 tauchten in Paris seine Mosaike an Hauswänden auf. Später eroberten die Außerirdischen zunächst Städte in Frankreich und später auf der ganzen Welt. Invader und seine Nachahmer machten auch vor dem Hollywood-Schriftzug nicht Halt. Mehr unter www.space-invaders.com. Wenn Sie weitere Bonner Exemplare gefunden haben, schicken Sie Hinweise und Fotos bitte an s.binner@ga.de.

Das Computerspiel

Aus dem Sommer 1978 stammt das Computerspiel Space Invaders, das als eines der ersten Arcade-Spiele mit farbigen Darstellungen seinen Siegeszug um die Welt antrat. Der Spieler steuerte eine Laserkanone am unteren Bildschirmrand, während eine Armada von Aliens sich von oben auf ihn zubewegte und ihn mit Geschossen angriff. Erreichte einer der Außerirdischen den unteren Bildschirmrand, verlor der Spieler eines seiner Leben. Neu an dem Spiel war neben der farbigen Darstellung auch der finstere Soundtrack aus einer Folge von Basstönen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort