Vorurteile gegen Zuwanderer Aus Rumänien und Bulgarien stammende Bonner wehren sich

BONN · Die Einbrecher waren gerade weg. Da tippte die eintreffende Polizei schon im Schnellverfahren auf ihre Identität: Sie hatten also die Rumänen zu Besuch, hörte Mariuca Vasa-Nicotera. Sie habe sich erst einmal vor Scham ganz klein gemacht, sagt die Kardiologin. Die Oberärztin der Uniklinik stammt nämlich selbst aus dem Karpatenland. Im Rückblick ärgert sie sich über die üblichen Vorurteile.

 Beklagt wie viele ihrer Landsleute die Stimmungsmache gegen aus Osteuropa stammende Bonner: Die rumänische Ärztin am Waldkrankenhau, Mariuca Vasa-Nicotera.

Beklagt wie viele ihrer Landsleute die Stimmungsmache gegen aus Osteuropa stammende Bonner: Die rumänische Ärztin am Waldkrankenhau, Mariuca Vasa-Nicotera.

Foto: Frommann

"Solche Sprüche verletzen mich schon", so Vasa-Nicotera. Es gebe keinen, der sein Land freiwillig verlässt. "Rumäne gleich kriminell, diese Gleichung gehe sicher nicht auf. Unter uns Bonner Ärzten sind so viele, die in Rumänien studiert haben. Auch von so vielen Pflegekräften aus Rumänien profitieren die Bonner", sagt Vasa-Nicotera und bereitet gerade im Waldkrankenhaus einen Patienten auf einen Herzkatheter-Eingriff vor.

Im Übrigen kann Polizeisprecher Frank Piontek auf GA-Anfrage einen signifikanten Anstieg von ermittelten Tatverdächtigen aus Rumänien und Bulgarien in keiner Weise bestätigen. Und das, obwohl seit dem 1. Januar die neue Reisefreiheit auch für Bürger dieser beiden osteuropäischen EU-Staaten gilt und die Angst vor dunklen Gestalten aus Osteuropa nicht nur an Stammtischen grassiert.

Allgemein mache der Anteil der nicht Deutschen im Bereich des Wohnungseinbruchs seit mehreren Jahren ein Drittel aus, sagt der Polizeisprecher. Und die stammten keineswegs nur aus zwei, sondern aus 17 Nationen. Treffen also die Horrormeldungen von ins Land stürmenden rumänischen und bulgarischen Banden und Armutsmigranten auf die Bundesstadt gar nicht zu? Von den Zahlen her lässt sich das jedenfalls belegen (siehe Kasten). Und von der Meinung der entsprechenden Community her ohnehin.

Liviu Casleanu, dem ersten Konzertmeister des Beethoven Orchesters Bonn, ist die Wut über die aktuelle Diskussion anzumerken. "Es ist beschämend, wie sich Politiker wieder Sündenböcke gesucht haben, um ihre Ziele zu verfolgen", meint der Stargeiger. Gerade aus Rumänien und Bulgarien stammten zahlreiche hochgebildete Bonner, die als Ingenieure, Ärzte und Künstler zum ökonomischen und kulturellen Erfolg im Land beitrügen.

Unter den Streichern des Beethoven Orchesters sei gerade die rumänische Fraktion führend. Wenn man die rumänischen Musiker in deutschen Orchestern zusammennehmen würde, käme man auf drei vollständige hervorragende Orchester, sagt Casleanu.

Dass aktuell gerade Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien soziale Probleme verursachen sollen, ist auch Catalin Ionescu, einem Diplom-Informatiker der Universität Bonn, unbekannt. Sein Institut für Numerische Simulation wird ebenfalls von einem gebürtigen Rumänen, von Professor Cristian Sminchisescu, geleitet.

"Bei uns hat die mathematische Lehre eine sehr hohe Tradition. Wir sind im Ausland sehr gefragt", meint Ionescu, der gerne in Bonn arbeitet und lebt. Und der nicht recht verstehen kann, wie die aktuelle Diskussion verläuft. Rumänische oder bulgarische Zuwanderer machten unter denen, die bei der Caritas Hilfe suchten, weiterhin nur einen geringen Teil aus, bestätigt Caritas-Pressesprecherin Mechthild Greten. "Und auch seit dem 1. Januar werden wir in keiner Weise überrollt."

Rumänen und Bulgaren in Bonn

Von den Meldedaten her ist seit 1. Januar kein eklatantes Anwachsen von Rumänen und Bulgaren zu verzeichnen. Das sagt Elke Palm vom Presseamt. Ohnehin machten diese beiden Nationalitäten etwa für 2011 nur einen Bestand (also keinen Zuzug) von 2191 und für 2012 von 2432 Bürgern aus.

Markus Waschinski, Sprecher des Jobcenters Bonn, sieht die aktuelle Lage ebenfalls sehr "gelassen". Weder 2013 noch jetzt sei eine Welle an Neuanträgen auf Arbeitslosenhilfe von Rumänen und Bulgaren festzustellen: "Von einem Ansturm ist keine Spur."

Derzeit gebe es 110 erwerbsfähige leistungsberechtigte EU-Bürger (15 bis 65 Jahre) aus Bulgarien und Rumänien, die beim Jobcenter Leistungen nach dem SGB II beziehen oder beantragt haben. Bei rund 18.300 erwerbsfähigen Leistungsberechtigten insgesamt (Stand: Dezember 2013) liege der Anteil der Bulgaren und Rumänen bei 0,6 Prozent.

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