An vielen Bonner Schulen herrscht Sanierungsstau

Putz, der von den Decken bröckelt - an Bonns Schulen keine Seltenheit. Und auch sonst ist es um die Schulen in der Bundesstadt nicht gut bestellt. Eine Momentaufnahme.

An vielen Bonner Schulen herrscht Sanierungsstau
Foto: Barbara Frommann

Bonn. Da war der Schreck groß, als unmittelbar vor den Schülern der Putz von der Decke auf die Bühne krachte. Bei einer Aufführung in der Aula des Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasiums am Montagabend passierte es.

"Das war knapp", kommentierte Schulleiter Uwe Brettscheider Dienstagmorgen, als er das volle Ausmaß des Schadens sah. Wäre ein Schüler getroffen worden, so hätte er vermutlich erhebliche Verletzungen erlitten. Den Schaden wird die Stadt umgehend beheben. "Da ist wohl vor 40 Jahren zu wenig Bindemittel benutzt worden", hieß es als Erklärung.

Für Bettscheider hat der Vorfall noch eine andere Dimension. Er stehe quasi als Symbol dafür, wie schlecht es um den Zustand seines Schulgebäudes, aber auch vieler anderer Schulen in Bonn bestellt sei, sagt er. Er öffnet die Tür zu den Chemieräumen: Dort fühlt man sich in die 50er Jahre zurückversetzt. In beinahe schon antiken Regalen lagern Chemikalien jeder Art.

Viele Schranktüren lassen sich nicht mehr schließen, und auch die Schubladen gehen nur mit Gewalt auf, wie Chemielehrerin Renate Friedrichs vorführt. In der Mitte stehen die Versuchstische.

Die Eisenstreben sind durchgerostet, auf den Arbeitsflächen müssen die Schüler und Lehrer immer wieder den rostigen Staub wegwischen. Weil das Geld fehlte, hatte Friedrichs einst einen maroden Spülstein durch eine schlichte Spüle aus dem Bauhaus ersetzt. "Das ist für einen Chemieraum grenzwertig", sagt sie.

Szenenwechsel: das Schulzentrum Tannenbusch mit Gymnasium und Freiherr-vom-Stein-Realschule. "Wir heizen regelrecht zum Fenster hinaus", sagt Martina Galilea, die Direktorin des "Tabu"-Gymnasiums, als sie und Realschulleiter Martin Finke kürzlich Besuch vom Stadtschulpflegschaftsvorsitzenden Hartmut Dutz und Vertretern der schwarz-grünen Ratsmehrheit erhielten.

"Wackelige Fenster werden einfach zugeschraubt, so dass einfaches Stoßlüften nicht mehr möglich ist", klagen beide. Das Gebäude sei insgesamt in einem schlechten Zustand, wie sie an weiteren Stellen nachweisen. Bettscheider, Galilea und Finke sind wie viele ihrer Kollegen sauer, dass die Stadt angesichts des drohenden Nothaushaltes vor allem an den Schulsanierungen sparen will.

Rund 60 Millionen haben Stadtkämmerer Ludger Sander und Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch auf ihrer Sparliste zusammengestrichen. Gut die Hälfte des Sparvolumens trifft die vier Berufskollegs in Bonn, an denen mehr als 12 000 Schüler lernen.

Bisher haben alle Ratsfraktionen erklärt, dass man in diesem Umfang nicht bei den Schulen sparen dürfe. Während sie den Haushaltsentwurf nach anderen Sparmöglichkeiten durchforsten, wachsen bei den Eltern die Zweifel: "Die vielen Diskussionen und Erklärungsversuche der Verwaltungsspitze haben nicht die Wahrnehmung der Eltern entkräften können, dass der städtische Haushalt offenbar durch einen radikalen Kahlschlag im Bereich Schule und Bildung saniert werden soll", erklärte Dutz am Dienstag.

Die Stadtschulpflegschaft nehme jetzt die Kommunalpolitiker beim Wort, "die den Ausbau der Bildungs- und Wissenschaftsstadt Bonn in allen Sonntagsreden fordern." Vergleiche man die Kostenrisiken der Großprojekte der Stadt, wie das WCCB, mit den schulischen Konsolidierungsbeiträgen, "dann werden wir den Eindruck nicht los, dass Schule und Jugendhilfe für diese Kostenrisiken in Haftung genommen werden sollen und der schulische Bereich als Steinbruch zur Haushaltkonsolidierung herangezogen wird."

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