Ako-Rektor schweigt zu Missbrauchsvorfällen

Pater Theo Schneider, der wegen des Missbrauchsskandals Anfang Februar zurückgetretene Rektor des Aloisiuskollegs (Ako), wird sich nun doch nicht öffentlich erklären.

 Theo Schneider, ehemaliger Schulleiter am Aloisiuskolleg, steht in der Kritik.

Theo Schneider, ehemaliger Schulleiter am Aloisiuskolleg, steht in der Kritik.

Foto: Ronald Friese

Bad Godesberg. Pater Theo Schneider, der wegen des Missbrauchsskandals Anfang Februar zurückgetretene Rektor des Aloisiuskollegs (Ako), wird sich nun doch nicht öffentlich erklären. Wie der General-Anzeiger vom Kolleg erfuhr, muss Schneider zwar in den vergangenen Wochen an einem entsprechenden Text gearbeitet haben.

Auf GA-Anfrage teilt der von Betroffenen der Mitwisserschaft verdächtigte Jesuit nun aber mit, dass er sich "mit allen öffentlichen Erklärungen zurückhalte". Mit seinem Rückzug habe er dem Arbeitsstab am Ako nach außen und innen freie Hand geben wollen, die Aufklärungsarbeit unbelastet auszuführen, sagt Schneider.

Er selbst habe so viele Jahre mit dem wegen sexuellen Missbrauchs verdächtigten 82-jährigen Ako-Pater zusammengearbeitet, "dass alles, was ich getan oder geraten hätte, immer vom Zweifel belastet gewesen wäre, dies auch zur eigenen Rechtfertigung und im eigenen Interesse zu tun", schreibt Schneider dem GA.

Äußere er sich nun, würde er die vorhandenen Vorwürfe in ihrem Wahrheitsgehalt bewerten und diskutieren. Das sei aber allein die Aufgabe der Missbrauchsbeauftragten der Jesuiten und der Staatsanwaltschaft. Und Schneider betont: "So entspricht es nach wie vor der Absprache mit der Ordensleitung."

Damit wird der Mann, der dem Ako über Jahrzehnte als Erzieher, Internatsleiter und Rektor Kontur gegeben hat, auch zahlreiche ihm eng Verbundene enttäuschen. Wenn Schneider doch nur endlich Klartext reden würde, haben dem GA gegenüber viele Leser und in einem Interview auch die Ako-Schülersprecher geäußert.

In Internetforen knüpfen die meisten Schreiber ebenfalls große Hoffnungen an seine Stellungnahme. Verdränge Schneider, der als Ziehsohn des 82-jährigen Beschuldigten gilt, dessen Taten? Schweige er aus falsch verstandener Loyalität? Oder habe ihm der Orden einen Maulkorb verpasst, wird in den Foren diskutiert.

Und selbst die derzeitige Ako-Leitung betonte Anfang März die "Dringlichkeit, dass Pater Schneider sich sobald wie möglich zur Verantwortung in seiner Leitungs- und Aufsichtsfunktion öffentlich äußert". Auch die Anfrage des GA beim Orden, mit dem 82-jährigen Angeklagten, zu sprechen, ist abgelehnt worden.

Der Pater werde von seinen Ordensbrüdern regelmäßig im Pflegeheim besucht, erklärt der kommissarische Ako-Rektor Pater Ulrich Rabe. "Sein Gesundheitszustand ist aber so angegriffen, dass es nach meiner Einschätzung keinen Sinn für Sie hat, Kontakt aufzunehmen", so Rabe.

Die Demenzerkrankung des 82-Jährigen sei fortgeschritten, so dass "weder die Erinnerung noch klare Äußerungen von ihm erbracht werden können". Der Mann habe Pflegestufe zwei. Der Verdächtigte hatte von 1968 bis 1984 als Internatsleiter und von 1985 bis 1992 als Schulleiter am Ako alle Fäden in der Hand.

Von 1992 bis 2006 wirkte er als Erzieher sowie bis 2007 in hauswirtschaftlicher Tätigkeit im Jungeninternat. Erst 2009 zog er ins Pflegeheim. Die zahlreichen Vorwürfe gegen den als kompromisslos gefürchteten Mann reichen von erzwungenem Sich-Einseifen-Lassen-Müssen bis zu oralen Sexpraktiken mit Schutzbefohlenen.

Die Übergriffe sollen in Permanenz ab den siebziger Jahren bis 2005 passiert sein, so dokumentiert es der auf der Internetseite www.aloisiuskolleg-bonn.de veröffentlichte Zwischenbericht der Schule.

Im Zwischenbericht werden auch Verdrängungsmechanismen des Kollegs in der Vergangenheit offengelegt. Nicht nur die 2004 in einer Buchveröffentlichung geäußerten Missbrauchsvorwürfe eines Altschülers vertuschte die frühere Ako-Leitung sondern auch schon Vorwürfe von 1991.

Damals hatten sich Schülereltern beim Kolleg über einen übergriffigen Pater beschwert. Dabei handelte es sich aber genau um den damaligen Schulleiter. "Die Eltern wollten damals von einer Anzeige absehen", kommentiert der Ako-Zwischenbericht lapidar. Das Kolleg ließ dem Beschuldigten bis 2007 freie Hand. Die Bonner Staatsanwaltschaft ermittelt derzeit wegen nicht verjährter Fälle aus dem Jahr 2005.

Definition von sexuellem MissbrauchFür Ursula Raue, die Missbrauchsbeauftragte der Jesuiten, fängt sexueller Missbrauch nicht erst bei Fällen mit Penetration oder gar mit Kindermord gepaarten Fällen an. Gerade im sozialen Nahbereich sei Aufmerksamkeit geboten.

"Häufig bauen Täter zunächst eine eigene, emotional geprägte Beziehung zum späteren Opfer auf. Wenn sich dann aber diese Atmosphäre von Vertrautheit, Nähe und Arglosigkeit anfüllt mit dem Gefühl von sexueller Begehrlichkeit und mit Manipulationen am Körper des Opfers oder auch “nur„ durch Anschauen, Fotografieren oder Filmen des unbekleideten kindlichen oder jugendlichen Körpers, dann wird genau die Grenze überschritten, die Erwachsene im Umgang mit Kindern und Jugendlichen zu respektieren haben. Junge Menschen haben ein sehr feines Gespür für Übergriffigkeit und die Verletzung ihrer Integrität und Würde."

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