Ako-Pro-Seminar: Stadt spricht von raffinierter Täuschung

BONN · Rechnungsprüfer erheben in ihrem internen Bericht schwere Vorwürfe gegen ehemaligen Vereinsvorsitzenden.

Dieser Bericht dürfte am Mittwoch im nicht öffentlichen Teil des Rechnungsprüfungsausschusses für Aufregung sorgen: In dem Papier, das dem GA vorlegt, wirft das Rechnungsprüfungsamt (RPA) dem anerkannten freien Träger Ako-Pro-Seminar e. V. in den untersuchten Jahren 2008 bis 2010 systematische Täuschung bei der Beantragung von städtischen Zuschüssen vor. Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit Februar wegen des Verdachtes auf Betrug gegen den ehemaligen Vereinsvorsitzenden.

Der Verein, der dem Aloisiuskolleg (Ako) nahe steht, habe im RPA-Untersuchungszeitraum Fördergelder von beinahe 816 000 Euro erhalten, so der Bericht. Wie viel davon zu Unrecht kassiert worden sei, können die Prüfer nicht genau sagen. Sie haben vom umfangreichen Ako-Pro-Programm dreier Jahre nur zehn Freizeiten, zwei Sonderförderungen sowie Betriebs- und Verwaltungskosten kontrolliert. In der Stadtverwaltung rechnet man damit, dass die Schadensumme mehrere hunderttausend Euro erreichen könnte.

"Bereits bei einer Rückrechnung über lediglich drei Jahre zeichnet sich ein Gesamtvolumen im sechsstelligen Bereich ab", heißt es im Prüfbericht. Allein für die angeblich betriebene Offene Tür im Ako-Schulgebäude floss zuletzt ein Betriebskostenzuschuss von 33 500 Euro im Jahr. Die Prüfer haben aber aufgrund von Zeugenaussagen Grund zur Annahme, dass dieses Freizeitangebot gar nicht existierte.

Der Vorgang hatte sich im November 2010 aus einer Stichprobenauswahl entwickelt. "Der sich zu Beginn ergebende Verdacht, dass der Träger systematisch unkorrekte Angaben machte, um unberechtigt Zuschussmittel zu erhalten, bestätigte sich", schreiben die Prüfer. "Er bezieht sich auf nahezu sämtliche Maßnahmen-, Betriebskosten- und Sonderförderungen, die näher betrachtet wurden." Der Verein hat sich inzwischen neu aufgestellt (siehe unten).

Die Vorwürfe konzentrieren sich auf einen Mann: den lange Jahre verantwortlichen Geschäftsführer, Vereinsvorsitzenden und pädagogischen Leiter. Er durfte, wie berichtet, wegen Missbrauchsvorwürfen seit Juli 2010 nur noch in der Verwaltung tätig sein. Ende Dezember 2010 trennten sich Ako und Ako-Pro von ihm. Der Beschuldigte habe mit "Rücksichtslosigkeit, Raffinesse und Konsequenz" immer wieder Einnahmen und verfügbare Eigenmittel für das Ako-Pro-Seminar und die von ihm organisierte Offene Ganztagsschule der Burgschule zu niedrig und Ausgaben viel zu hoch deklariert. Drei Beispiele aus dem RPA-Bericht:

  • Er habe Jugendliche, "Ziehsöhne", instrumentalisiert, Fördervoraussetzungen für ihn zu fingieren oder anlässlich eines Besuchs von städtischen Kontrolleuren den Betrieb einer Offenen Tür zu simulieren.
  • Bei Freizeiten habe der Verein Angaben über Teilnehmerbeiträge und Ausgaben so variiert, dass das gewünschte Ergebnis erzielt wurde. Blanko-Quittungen eines Lebensmittelmarktes seien mit fingierten Beträgen versehen worden. Laut Bericht wurde in einer Freizeit 2010 auch die Teilnahme von fünf Jugendlichen abgerechnet, die gar nicht mitgefahren waren. Sie seien sogar angehalten worden, sich nachträglich auf eine Liste einzutragen, die dann der Fahrt zugeordnet worden sei.
  • Bei derselben Freizeit seien die anfallenden Kilometer nach Polen für zwei Fahrzeuge abgerechnet worden, obwohl nach Aktenlage nur eines benutzt wurde. Statt für Hin- und Rückfahrt zusammen höchstens 2600 Kilometern seien also Entfernungen von über 5700 Kilometern zur Abrechnung vorgelegt worden.

Das Rechnungsprüfungsamt äußert auch den Verdacht, dass der Beschuldigte sich an Fördergeldern selbst bereicherte habe: Es sollen private Baukosten über Ako-Pro abgerechnet worden sein. Gelder in vierstelliger Höhe seien für angeblich vereinseigene Einkäufe spurlos versickert. Bevor die Prüfer aufs Gelände kamen, habe der Reißwolf sogar nachts noch intensiv Akten vernichtet, hätten Zeugen ausgesagt.

Der ehemalige Vereinsvorsitzende selbst sagte gestern auf GA-Anfrage: "Ich weiß nichts von Vorwürfen des Rechnungsprüfungsamts gegen mich."

Der neue Vorsitzende des Vereins, Dirk Stüber, will erst Stellung nehmen, wenn ihm der Prüfbericht vorliegt. "Sollte er massives und systematisches Fehlverhalten einzelner Personen, die in der Vergangenheit für den Verein verantwortlich waren, belegen, so fühlten sich die aktuell Verantwortlichen der Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit verpflichtet", erklärte Stüber gestern. "Sie werden weiterhin diesen Prozess der Klärung aktiv unterstützen."

Angaben von Zeugen, nach denen der zuständige städtische Jugendpfleger in Teilen in die Machenschaften eingeweiht gewesen sei, weist Jugendamtsleiter Udo Stein zurück. Diese Behauptungen stammten von dem Leiter selbst, sagte er. Gegen den Jugendpfleger werde nicht ermittelt.

Das RPA testiert in seinem Bericht dem Jugendamt, dass es mit seinen bisher zur Verfügung stehenden Möglichkeiten die unkorrekten Angaben vielfach nicht erkennen konnte. Es legt dem Amt aber nahe, künftig eine intensivere und tiefergehende Prüfung durchzuführen. Das wird Stein, der sich auch ein Stück weit persönlich betrogen fühlt, umsetzen. "Der Aufwand wird steigen, und dazu benötige ich mehr Personal", machte er deutlich. Und auch: "Wir werden im Rahmen dessen, was möglich ist, unberechtigte Fördergelder vom Verein zurückfordern."

Der Verein Ako-Pro-Seminar

Die ans Aloisiuskolleg angegliederte Jugendbildungseinrichtung Ako-Pro-Seminar e. V. bietet seit gut 30 Jahren ein vielfältiges Kursprogramm für, wie sie selbst bis 2010 warb, jährlich rund 5000 Bonner Kinder und Jugendliche aller Schulformen. Die Palette ging von sprachlichen bis zu Pfadfinderangeboten und Reisen - zuletzt mehrfach nach Burkina Faso. Als Vereinszweck wurde 2010 die jugendpflegerische und wissenschaftlich weiterbildende Arbeit angegeben. Man habe die Entwicklung des Jugendlichen zum mündigen Bürger zum Ziel.

Seit 1983 arbeitete der nun Beschuldigte beim Ako-Pro-Seminar. Er war zuletzt Vereinsvorsitzender, Geschäftsführer und pädagogischer Leiter, dazu auch Leiter der Ako-internen Übermittagsbetreuung. 2007 wurde das Ako-Pro-Seminar auch Träger der Offenen Ganztagsschule der Katholischen Burgschule, als deren Leiter ein Bruder des Beschuldigten fungiert.

In einer außerordentlichen Mitgliederversammlung Ende September 2010 stellte sich der Verein neu auf und trennt seither alle Arbeitsbereiche. Der geschäftsführende Vorstand besteht aus den Ako-Lehrern Dirk Stüber, Mathias Molzberger und Walter Odekerken sowie Anke Eilers, Richterin am Oberlandesgericht Köln. Nach Kündigungen zweier pädagogischer Leiter tritt zum 1. Februar 2012 ein neuer Diplom-Sozialpädagoge an. Die städtische Förderung der Angebote ist ausgesetzt, seit das Rechnungsprüfungsamt die Finanzen überprüft.

Kolleg will Aufklärung

Die Hauptamtlichen des Ako-Pro-Seminars sind Mitarbeiter des Aloisiuskollegs. Auch wenn der Verein selbstständig handele, folge daraus "eine gewisse Mitverantwortung", erklärte Johannes Siebner, seit Juli 2011 Rektor des Kollegs. "Insofern ist das Ako an einer Aufklärung der Vorgänge sehr interessiert." Das Kolleg habe keine Kenntnisse über die Zuschuss-Praktiken des früheren Ako-Pro-Leiters gehabt. Das Ako-Pro-Seminar habe über viele Jahre "tolle Jugendarbeit" geleistet. "Der neue Vereinsvorstand hat mein uneingeschränktes Vertrauen", sagte Siebner.

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