Ärztemangel am Uni-Klinikum führt zu Engpässen bei Patientenversorgung

Wartezeiten von mehreren Monaten - "Wir haben hier jetzt englische Verhältnisse"

Ärztemangel am Uni-Klinikum führt zu Engpässen bei Patientenversorgung
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Bonn. Bonner Patienten sind verunsichert angesichts widersprüchlicher Nachrichten über das Universitätsklinikum auf dem Venusberg: Auf der einen Seite die hohe wissenschaftliche Qualität, die dazu führt, dass neue Erkenntnisse direkt dem Patienten zugute kommen, und auch die Verbesserungen durch das Bettenhaus I mit dem Notfallzentrum.

Auf der anderen Seite Berichte über Ärztemangel und Verstöße gegen des Arbeitszeitgesetz, die zu Engpässen bei der Patientenversorgung führen.

So war aufgrund einer Überlastungsanzeige der Ärzte der Urologie im Sommer vorigen Jahres die Aufsichtsbehörde bei der Bezirksregierung eingeschritten und hatte ein Bußgeldverfahren gegen die Uniklinik wegen Verstößen gegen die Arbeitszeitverordnung eingeleitet.

Während der Marburger Bund, die Vertretung der angestellten Ärzte, kürzlich verbreitete, dass inzwischen auch ein Bußgeldbescheid ergangen sei, kann dies das Universitätsklinikum nicht bestätigen: "Wir befinden uns im Anhörungsverfahren", sagte der Kaufmännische Direktor, Hans-Jürgen Hackenberg, dem GA. Er hoffe weiterhin, dass es nicht zu einem Bußgeld kommen wird.

Belastungsanalysen im gesamten Klinikum haben laut Hackenberg zur Schaffung von 46 neuen Stellen geführt. Wie viele davon inzwischen auch besetzt sind, lässt sich "aufgrund der Fluktuation der Ärzte, die gerade in einem Universitätsklinikum sehr hoch ist", nicht genau sagen. Allerdings seien bereits 2007 zehn Stellen besetzt worden, und die absolute Zahl der Vollkräfte bei den Ärzten sei in der Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Juli 2008 von 693 auf 716 gestiegen.

Dabei wird angesichts des gegenwärtigen Ärztemangels die Rekrutierung von Medizinern zunehmend schwierig. Hinzu kommt für manche Fachbereiche, dass man als niedergelassener Arzt in einer Praxis deutlich mehr Geld verdienen kann als im Krankenhaus und obendrein die Arbeitszeiten dort angenehmer sind. Als Beispiel nennt Hackenberg die Radiologie.

Tatsächlich haben seit Januar letzten Jahres 14 Ärzte die Radiologische Klinik verlassen, etliche davon ins Ausland. Klinikchef Professor Hans Heinz Schild zum GA: "Wir haben hier jetzt englische Verhältnisse: Patientenuntersuchungen werden abgesagt, es bestehen zum Teil Wartezeiten von mehreren Monaten."

Zurzeit sind fünf Arztstellen in der Radiologie vakant, zusätzlich brauche er aber noch zwölf Mediziner, um den Bedarf seiner Klinik, die ja in zehn verschiedenen Gebäuden Diagnostik für alle Kliniken erbringe und durch das Notfallzentrum stark beansprucht werde, zu decken. Zurzeit seien manche radiologischen Untersuchungsorte auf dem Klinikgelände nicht besetzt, so dass Patienten auch kurzfristig zu anderen Orten transportiert werden müssten.

"Solche Patiententransporte müssen wir unbedingt vermeiden", sagt Hackenberg. Die vakanten Stellen in der Radiologie seien ausgeschrieben, und es gebe auch Bewerbungen. Damit Kandidaten nicht durch drohende Mehrarbeit in Form von Wochenend- und Nachtdiensten abgeschreckt werden - weil die übrigen Mitarbeiter die Gelegenheit nutzten, Überstunden abzubauen und ihre Urlaubsansprüche wahrzunehmen -, wird von Seiten der Klinikleitung versucht, den Bereitschaftsdienst durch freiberufliche Ärzte zu besetzen.

Hackenberg hebt die Attraktivität der Universitätsklinik für Assistenzärzte hervor: Ihnen biete sich hier eine Qualifikation in der ganzen Breite ihres Fachs. Seit er im Dezember seinen Dienst in Bonn angetreten hat, macht sich Hackenberg für die Entwicklung arbeitszeitkonformer Dienstpläne stark.

Etliche wurden bereits aufgestellt, sind aber vom Personalrat noch nicht genehmigt. Ein Punkt, den der Personalrat in den Dienstplänen verankert sehen möchte, ist die Berücksichtigung von Zeiten für Forschung und Lehre. Um hier ein Schwarzer-Peter-Spiel zu vermeiden, hat Hackenberg eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die bei den noch strittigen Punkten Lösungen erarbeiten soll.

Außerdem hat er die Abteilungsleiter angewiesen, auf die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes zu achten. Für mehr Transparenz soll ein elektronisches Dienstplanprogramm sorgen, das im Herbst in einer Pilotklinik eingeführt und danach sukzessiv auf alle anderen Häuser ausgedehnt werden soll.

Auch Hackenberg sieht die besondere Schwierigkeit, dass Ärzte an einem Universitätsklinikum neben der Patientenversorgung in der Regel auch wissenschaftlich arbeiten: "Die Forschung endet nicht um 17 Uhr. Hier ist das Arbeitszeitgesetz an der Praxis vorbeigeschossen."

Eine hohe Qualität nicht nur in der medizinischen Forschung, sondern auch bei der Krankenversorgung zu bieten, ist das erklärte Ziel Hackenbergs, auch wenn der Kostendruck zu Einsparungen zwingt: "In allen Abteilungen wird geschaut, wo Überhänge abgebaut oder Prozesse so verändert werden können, dass mit weniger Personal die Leistung erbracht werden kann." Er vermutet da noch Spielräume und bindet in die Qualitätszirkelarbeit alle Betroffenen mit ein.

Allerdings sind den Einsparungsmöglichkeiten Grenzen gesetzt - angesichts der Tariferhöhungen, die von den Kassen nicht gegenfinanziert werden. Hackenberg: "Hier muss die Politik sich fragen, was uns unser Gesundheitssystem wert ist."

Baustelle Universitätsklinikum

Das Universitätsklinikum Bonn (UKB) steckt mitten in einer Umbruchphase. Der neue Kaufmännische Direktor Hans-Jürgen Hackenberg verändert Abläufe und Strukturen, um Service zu verbessern und Ressourcen optimal auszunutzen. Dazu gehört auch die Einrichtung einer Beschwerdestelle, an die sich Patienten, Lieferanten und Ärzte wenden können. Sie ist erreichbar unter der Rufnummer (02 28) 28 71 30 30 und per E-Mail an beschwerde@ukb.uni-bonn.de.

Das Klinikgelände auf dem Venusberg wird weiter ausgebaut: Bis 2020 sind rund 30 Baumaßnahmen für mehr als 300 Millionen Euro geplant.

Im Bau befindet sich das Biomedizinische Zentrum mit Laboren für die patientenbezogene medizinische Forschung und Lehre (Kosten: rund 40 Millionen Euro), der Pflegetrakt der Hals-Nasen-Ohren- und der Augenklinik, ein Lehrgebäude für Medizinstudenten und das Parkhaus Nord.

Im März fiel die Entscheidung, dass das neue Deutsche Zentrum für Neurogenerative Erkrankungen seinen Hauptsitz auf dem Campus des Uniklinikums erhält. Für mehr Komfort sorgt das neue Bettenhaus, das vor zwei Jahren fertig gestellt wurde und den Patienten auch eine Intensivstation bietet.

Dort wurde im November das interdisziplinäre Notfallzentrum der Universitätsklinik als rund um die Uhr besetzte zentrale Anlaufstelle für erwachsene Notfallpatienten und für die Rettungsdienste im Erdgeschoss mit einer direkten überdachten Anfahrt - erreichbar unter der Telefonnummer (02 28) 28 71 20 00) - untergebracht. Hier kümmert sich ein interdisziplinäres Ärzteteam um den Patienten, führt Diagnostik sowie Sofortmaßnahmen durch und erarbeitet den Behandlungsplan.

Geplant sind drei weitere Bettenhäuser mit zentraler Radiologie, außerdem ein Neubau für die Kinderklinik mit Geburtshilfe und weitere Parkhäuser.

Das Universitätsklinikum Bonn hat im Jahr 2007 den Umsatz um 6,3 Prozent auf 534,3 Millionen Euro gesteigert. Es wurden 42 200 Patienten stationär versorgt, das sind 1 300 Patienten mehr als 2006. Hinzu kamen 277 492 ambulante Behandlungen.

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