Vorsitzender der Telekom-Stiftung im Interview Digitale Werkstatt für junge Bonner

Wolfgang Schuster, Vorsitzender der Telekom-Stiftung, spricht mit dem GA über den sinnvollen Umgang mit Smartphones, digitale Freizeitgestaltung und den künftigen Arbeitsmarkt.

Seit ihrer Gründung 2003 fördert die Telekom-Stiftungdie Fachbereiche Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften undTechnik (MINT) sowie digitales Lernen. In Bonn fördert sie unteranderem Projekte am Deutschen Museum, dem Museum Alexander Koenigund dem Mathematikzentrum "MathZe" der Stadt.

Kürzlich hat dieStiftung die Kooperation "Forum Bildung Digitalsierung" ins Lebengerufen, die mit der Bertelsmann-, der Robert-Bosch-, der Siemensund der Mercator-Stiftung digitale Bildung in Deutschlandverbessern will. Über den sinnvollen Umgang mit Smartphones,digitale Freizeitgestaltung und den künftigen Arbeitsmarkt sprachAndreas Dyck mit dem Vorsitzenden der Telekom-Stiftung, WolfgangSchuster.

Sie fordern, dass digitale Medien Einzug insKlassenzimmer halten. Warum? Verbringen Kinder nicht schon genugZeit vor dem Bildschirm?
Wolfgang Schuster: Eben weil Kinder soviel Zeit vor dem Bildschirm verbringen. Alles andere würdebedeuten, dass sich Schule von einem Teil der Realitätverabschiedet. Kinder und Jugendliche müssen auf digitale Weltenvorbereitet werden. Deshalb ist es wichtig, dass wir ihnen bereitsim Kindergarten zeigen, was ein sinnvoller Umgang mit digitalenMedien ist. Statt Videospiele zu spielen, sollen Kinder lernen, wiesich digitale Medien für schulische Aufgaben und persönlichesLernen nutzen lassen. Wenn man damit aber nicht sinnvoll umgehenkann, verdummt man eher, wie verschiedene Studien zeigen. DerNeurologe Professor Manfred Spitzer spricht sogar von digitalerDemenz.

Smartphones machen also dumm?
Schuster: Ja, wenn man sonstnichts anderes mehr macht. Dann verlernt man, sich zukonzentrieren. Je jünger die Nutzer sind, desto anfälliger undmanipulierbarer sind sie. Kinder und Jugendlichen haben dannSchwierigkeiten, die Leistungen in der Schule zu erbringen undwerden digitale Analphabeten.

Was ist denn der richtige Umgang, undwas tut ihre Stiftung dafür?
Schuster: Eine internationaleVergleichsstudie zeigt, dass unsere Achtklässler im Durchschnittnur über mäßige IT-Kompetenzen verfügen und eher bildungsnaheJugendliche digitale Medien zum Lernen einsetzen. Hier zeigt sichdas Auseinanderdriften von Bildungschancen abhängig vom Elternhaus.Es gibt Jugendliche, die nutzen digitale Medien nur zum Spielen undzum Kontakten. Wir wollen vermitteln, wie sie damit lernen können.Deutschland hat da einen riesigen Nachholbedarf. Es braucht eineBildungsoffensive, die wir mit weiteren Partnern vorantreibenwollen.

Wie sieht das praktisch aus?
Schuster: Für Bonn arbeitenwir an dem Projekt Chancen bilden@ bonn, das wir noch vor derSommerpause starten wollen. Bonn ist zwar Universitätsstadt mithohem Akademikeranteil. Trotzdem gibt es viele junge Menschen, dieam Rand der Gesellschaft stehen und sich schwer tun, sich hierzurechtzufinden. Deshalb wendet sich das geplanteGemeinschaftsprojekt an bildungsferne Jugendliche. Ein Teilprojektist die digitale Werkstatt, die ihnen helfen soll, ihreAusbildungsfähigkeit mit Hilfe von digitalen Werkzeugen zuverbessern. Das Smartphone steht ikonisch für die Digitalisierungder Gesellschaft.

Haben Sie ein Smartphone, und wie viel Zeitverbringen Sie damit?
Schuster: Natürlich habe ich ein Smartphone.Wer kann heute schon ohne leben? Es ist Teil unserer Alltagskulturgeworden, ob zu Hause, in Bus und Straßenbahn, nahezu jeder istdamit beschäftigt. Ich bemühe mich aber, nicht viel Zeit damit zuverbringen.

Klingt, als hätten Sie ihr Smartphone im Griff?
Schuster: Nicht ganz. Wenn ich eine Mail bekomme, dann piepst es,und die Ablenkung ist da. Es erfordert eben Selbstdisziplin, sichauf eine Sache zu konzentrieren. Dies gilt besonders, wenn icheinen komplexen Sachverhalt verstehen und mir merken will. Werdeich dauernd gestört, kann ich das nicht.

Warum halten Sie digitalenUnterricht für sinnvoll, digitale Freizeitgestaltung aber nicht?
Schuster: Die Dosis macht das Gift. Wenn es darum geht, eine jungePersönlichkeit heranzubilden, gehören dazu auch Sport, Musik undgemeinschaftliches Erleben. Die Freizeit zu reduzieren aufVideospiele, tut auf Dauer nicht gut. Hier müssen wir gegensteuern.So wie Kinder lernen, sich richtig im Straßenverkehr zu verhalten,muss Medienerziehung Teil der Bildung werden. Dafür gibt es in NRWund bundesweit einzelne gute Leuchtturm-Projekte, aber diesystematische Integration digitaler Medien in unseren Bildungskanonfehlt. Wir haben etwa 800 000 Lehrer in gut 50 000 Schulen inDeutschland, die Umsetzung ist eine riesengroße Aufgabe. Letztlichsind es die Lehrer, die Schüler auf den Arbeitsmarkt von morgenvorbereiten.

Der wird ein anderer sein als heute?
Schuster: Ja, dieArbeitswelt von morgen wird sich dramatisch verändern, und ganzeBerufsgruppen werden verschwinden. Manche Arbeiten werden dann vonRobotern und Computerprogrammen übernommen. Doch alletechnologischen Entwicklungen der Vergangenheit zeigen aber auch,dass es wieder neue Arbeitsfelder und neue Wertschöpfungsketten gabund damit auch neuen Wohlstand. Die Geschichte derIndustrialisierung zeigt uns, dass wir durch technologische Sprüngenicht ärmer geworden sind, das Gegenteil ist der Fall. InBaden-Württemberg, wo ich herkomme, sind wir lange Zeit eine derärmsten Regionen Europas gewesen. Heute gehören wir zu denwohlhabendsten Regionen der Welt, dank technologischerInnovationen. Um diese zu entwickeln und rasch einzusetzen, müssenwir in Zukunft flexibler sein und ein Leben lang dazulernen.Digitale Technologien ändern sich wahnsinnig schnell.

Wie sollSchule da noch hinterherkommen?
Schuster: Ich sehe dafür dreiVoraussetzungen. Zum einen die technische Infrastruktur: Die sollteerst dann angeschafft werden, wenn es ein pädagogisches Konzeptdafür gibt, vorher nicht. Das Zweite ist: Wir leisten unsHausmeister, aber wir bräuchten genauso "IT-Meister". Die Technikist kompliziert, und ich habe volles Verständnis dafür, dass Lehrersich nicht erst mal mit der IT herumschlagen wollen, die nichtfunktioniert. Drittens sind wir alle dazu aufgefordert, ein Lebenlang zu lernen. Das gilt auch für Lehrer. Ob es uns gefällt odernicht, die Digitalisierung ist Teil unserer Alltagswelt. WerVerantwortung für die nächste Generation hat, hat auch eineVerpflichtung, sich entsprechend fortzubilden.

In Bonn steht dasDeutsche Museum vor dem Aus. Ihre Stiftung hat dort bereits in derVergangenheit Projekte wie den Laborführerschein finanziert. Gibtes Pläne, das Museum zu retten?
Schuster: Wir sehen es nicht alsunsere Aufgabe, das Deutsche Museum in Bonn generell zu fördern.Wir machen projektbezogene Förderung. Letztendlich muss dieKommunalpolitik entscheiden, ob sie das Haus fortsetzen will. Ichfinde es erfreulich, dass der Förderverein sich finanziellengagiert. Damit jedoch alle Kosten abzudecken, wird schwierig.Dennoch halte ich einen Ort, wo Technik erlebbar wird und auch Teildes Schulunterrichts sein kann, für wichtig. Das Team dort ist mitHerzblut dabei. Es würde mich freuen, wenn die Arbeit dortfortgesetzt wird.

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