Der "heiße Stuhl" 15 Fragen an Bundestagskandidat Alexander Graf Lambsdorff (FDP)

Bonn · Bis zur Bundestagswahl am 24. September sind es nur noch wenige Tage. Die sechs aussichtsreichsten Direktkandidaten hat der General-Anzeiger in den vergangenen Wochen vorgestellt.

 Alexander Graf Lambsdorff beantwortet die Fragen, die von GA-Redakteur Rolf Kleinfeld gestellt werden.

Alexander Graf Lambsdorff beantwortet die Fragen, die von GA-Redakteur Rolf Kleinfeld gestellt werden.

Foto: Dennis Sennekamp

Auf dem „heißen Stuhl“ haben sie sich in einem besonderen Interviewformat gestellt, bei dem es auf kurze und knackige Antworten ankam (siehe „Das Gesprächskonzept“). Als letztes wird heute das Gespräch mit Alexander Graf Lambsdorff veröffentlicht.

Wie wollen Sie verhindern, dass die Bundesregierung weiter Ministeriumsposten in Bonn abbaut?

Alexander Graf Lambsdorff: Mit zwei Dingen. Das Eine ist: Wir müssen das als Team machen hier aus der Region, das heißt alle Abgeordneten, aber auch die Landräte gemeinsam. Das Zweite ist: Wir müssen die Kompetenzen Bonns nach vorne stellen, etwa die Nord-Süd-Kompetenz und die Forschungs-Kompetenz – und ganz klarmachen, dass wir dafür hier die Ministerien behalten wollen. Bonn hat was zu bieten und das muss allen klar sein.

Die umstrittene Südtangente als Verbindung zwischen den Autobahnen 3 und 565: Planung vorantreiben oder beerdigen?

Graf Lambsdorff: Ich glaube, man sollte die Planung vorantreiben, unabhängig davon, ob es dann so kommt. Denn die Frage ist ja tatsächlich, ob es dazu irgendwann einmal einen Konsens gibt. Wenn es ihn gibt, und es gibt dann keine Planung, wäre das blöd. Wenn es keinen Konsens gibt, wird sie nicht gebaut.

Bezahlbare Wohnungen in Bonn sind knapp: Warum zieht die Mietpreisbremse nicht?

Graf Lambsdorff: Die Mietpreisbremse ist ein planwirtschaftliches Instrument. Das hat sich die SPD ausgedacht und es ist auf ganzer Linie gescheitert. Marktwirtschaftlich vorzugehen heißt: Mehr Angebot schaffen, dann gehen die Preise auch runter. Und den Zuzug aus ländlichen Regionen kriegen wir dadurch ein bisschen abgemildert, dass wir auch auf dem Land eine digitale Infrastruktur bereitstellen. Schnelle Datenverbindung – das ist das, was wir brauchen.

Bonn ist der größte UN-Standort in Deutschland: Was wollen Sie tun, um diesen Vorteil weiter auszubauen?

Graf Lambsdorff: Ich habe lange die Arbeitsgruppe Vereinte Nationen im Europaparlament geleitet und ich bin von Haus aus Diplomat. Ich werde vermutlich auch in den Auswärtigen Ausschuss im Bundestag gehen. Ich werde mich immer dafür einsetzen, dass hier weitere Institutionen angesiedelt werden. Das tut der Stadt gut und – interessanterweise tut das auch allen gut, die hier von den Vereinten Nationen herkommen. Die sagen: Vorher will keiner nach Bonn. Aber wer erst einmal hier ist, der will nicht mehr weg.

Bonn gibt für Flüchtlingsbetreuung mehr aus, als es von Bund und Land erstattet bekommt? Wie kann man das ändern?

Graf Lambsdorff: Wir haben eine neue Landesregierung. Die alte Landesregierung hat ja die Mittel behalten, die vom Bund kamen. Das war die rot-grüne Landesregierung: Der Bund gab das Geld und in Düsseldorf hat man es auf jeden Fall nur teilweise weitergegeben. Die neue Landesregierung wird das ändern, da bin ich ganz sicher. Denn die Kommunen im Regen stehen lassen mit diesen Kosten – das geht nicht.

Stichwort Aufnahme von Flüchtlingen: Sind Sie für eine Obergrenze? Wenn ja, bei welcher Zahl?

Graf Lambsdorff: Als freier Demokrat, also als Liberaler, kann ich ja nicht für eine Obergrenze sein bei unserem Asylrecht. Wer individuell politisch verfolgt ist, der genießt Asylrecht. Punkt. Die CSU macht populistisches Getrommel – sei ihr gegönnt. Aber das wird mit dem Grundgesetz nicht gehen, das Verfassungsgericht würde jede Obergrenze ablehnen. Trotzdem: Auch unser Land hat Grenzen der Aufnahmefähigkeit. Wir müssen einfach schauen, wie wir die Zuwanderung besser kontrollieren, Mit Joachim Stamp in Düsseldorf wird das auch gelingen.

Vollverschleierung löst bei vielen Einheimischen Unbehagen aus. Sind Sie für ein Verbot in der Öffentlichkeit?

Graf Lambsdorff: Ich bin nicht für ein generelles Verbot in der Öffentlichkeit, aber ich bin für ein Verbot in öffentlichen Räumen, beispielsweise Gerichten oder Schulen. Da muss man sein Gesicht zeigen, das ist vollkommen klar. Wer sich privat vollverschleiern möchte zu Hause, soll das bitte schön tun. Das ist Privatsache, das ist eine andere Geschichte. Aber ein Komplettverbot in der Öffentlichkeit ginge auch nicht, das wäre auch verfassungswidrig.

Bonn gilt als Salafisten-Hochburg, und wir leben in einer Ära des Terrors: Was kann der Staat tun, um die Gefahr zu verringern?

Graf Lambsdorff: Wir haben jetzt jahrzehntelang CDU- und SPD-Innenminister in den Bundesländern gehabt, die für die Sicherheit zuständig sind. Wir haben noch nicht einmal miteinander vergleichbare Datenbanken, um Gefährder zu erfassen, die von einem Bundesland ins andere ziehen. Ich glaube, die Bundesländer müssen ihre Datenbanken vereinheitlichen, die Polizei muss besser ausgerüstet werden. Wir brauchen nach wie vor den Einsatz des Verfassungsschutzes und des Staatsschutzes, um gegen solche extremistischen Tendenzen vorzugehen.

Erst G8 an den Gymnasien in NRW, jetzt zurück zu G9. Wäre es für Schüler besser, Bildung bundesweit einheitlich zu regeln?

Graf Lambsdorff: Das ist einer der wesentlichen Punkte im FDP-Programm. Wir sagen, wir müssen neues Denken in die Bildungspolitik reinbringen. Der Wettbewerb ist ja nicht mehr NRW gegen Baden-Württemberg oder Sachsen gegen Bayern. Der Wettbewerb ist Deutschland und Europa gegen Nordamerika, gegen China. Das ist der wirkliche Wettbewerb. Da wäre es gut, wir würden den Bildungsföderalismus zumindest so weit überwinden, dass es möglich ist für Kinder, die Schule in Deutschland leichter zu wechseln als die Schule innerhalb Europas.

Das ICE-Angebot ab Bonn Hauptbahnhof wird immer schlechter: Ist das akzeptabel für den zweiten Regierungssitz und den Standort von Weltkonzernen wie Post und Telekom?

Graf Lambsdorff: In Bonn ist die Anbindung tatsächlich schlecht. Aber wir haben uns dazu entschlossen, dass die Deutsche Bahn privatwirtschaftlich geführt werden soll und die muss dann auch betriebswirtschaftlich kalkulieren, was sich rechnet. Mit Siegburg/Bonn und der Anbindung über die 66 gibt es ein attraktives Angebot. Also ich glaube, dass wir der Bahn da nicht reinreden sollten. Die muss das entscheiden. Ich würde mir selber manchmal bessere Verbindungen wünschen, das ist keine Frage.

Kurz vor der Sommerpause hat der Bundestag die Ehe für homosexuelle Paare beschlossen: Wie stehen Sie dazu?

Graf Lambsdorff: Als Liberale waren wir immer dafür. Wir freuen uns, dass das jetzt gelungen ist. Wir haben da Druck gemacht, auch aus der außerparlamentarischen Opposition heraus. Ich finde es schön, dass auch die CDU irgendwann mal das Licht gesehen hat und sich da bewegt hat. SPD, Grüne und FDP waren immer dafür. Schön, dass diese Menschen jetzt auch vollkommen gleichgestellt werden. Das gehört sich einfach so in einer modernen Gesellschaft.

Sind Sie für mehr Videoüberwachung an Straßen und Plätzen?

Graf Lambsdorff: Ich bin für mehr Videoüberwachung dort, wo wirklich ein Gefahrenpunkt ist – nehmen wir zum Beispiel den Bahnhof. Damals diese Kameras, die nicht funktionierten bei dem Anschlag – da wäre es gut gewesen, sie hätten funktioniert. An öffentlich gefährdeten Plätzen ja, aber nicht flächendeckend. Wir haben in England gesehen, was das bringt – nämlich gar nichts. Wir brauchen das wirklich an den neuralgischen Punkten. Die müssen kontrolliert werden. Und dann müssen aber – und das ist entscheidend – Menschen dahintersitzen, die sich diese Aufnahmen auch wirklich angucken. Es nützt nichts, Kameras zu installieren, deren Bilder niemand sieht.

Ab Oktober gilt das Gesetz zur Bekämpfung von Hasskommentaren im Internet. Ist das ein Angriff auf die Meinungsfreiheit?

Graf Lambsdorff: Das Netzdurchsetzungsgesetz geht von einem guten Gedanken aus, aber Justizminister Heiko Maas hat das leider sehr schlecht gemacht. Er hat den Unternehmen einen Auftrag gegeben, der eigentlich ein Auftrag des Staates ist. Nämlich gegen solche Aufhetzungen zur Gewalt vorzugehen. Insofern werden wir uns das Ganze in der nächsten Legislaturperiode noch einmal ansehen. Es ist nicht prinzipiell ein Anschlag auf die Meinungsfreiheit, wenn man solche Aufhetzungen verhindern möchte.

Bonn feiert 2020 das Beethoven-Jubiläum: Was muss passieren, damit die investierten Millionen der Stadt nachhaltig nützen?

Graf Lambsdorff: Wir müssen dahin kommen, wo Bayreuth schon ist. Das, was bisher erreicht worden ist, reicht eindeutig nicht aus. Statt der 39 Millionen Euro für das Festspielhaus, sind es halt nur 27 geworden. Das ist ein bisschen wenig. In Bayreuth schießt der Bund jedes Jahr 2,5 Millionen Euro zur Pflege des Andenkens an Richard Wagner dazu. Das brauchen wir bei Beethoven auch. Dafür wollen wir uns einsetzen.

Warum sollen die Bonner Sie wählen?

Graf Lambsdorff: Ich glaube, die Bonner sollten mich deshalb wählen, weil die Freien Demokraten im Deutschen Bundestag vermisst werden. Ich werde mich für Bonn einsetzen, gerade was den Rutschbahn-Effekt angeht. Den wollen wir entschieden stoppen. Wir wollen neues Denken in der Bildungspolitik fördern, das ist ganz wichtig. Und wir brauchen wieder eine Partei im Deutschen Bundestag, die etwas von Wirtschaftspolitik versteht.

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