Sinzig Awo-Ferienfreizeit bietet Spaß ganz ohne Handy

SINZIG · Die Sinziger Arbeiterwohlfahrt bietet in den Sommerferien drei Wochen Ferienfreizeit auf dem Harterscheid bei Königsfeld an.

Wenn Wiltrud Post ein Wort nicht mag, dann ist das „Kids“. „Das sind Kinder oder Pänz“, sagt die 69-Jährige. Seit Urzeiten leitet Wiltrud Post als „gute Seele“ die Ferienfreizeiten der Sinziger Arbeiterwohlfahrt (Awo) rund um das Hennes-Schneider-Haus auf dem Harterscheid bei Königsfeld.

Seit Montag ist Post, bis Ende 2018 zwölf Jahre lang auch Vorsitzende der Sinziger Awo, wieder im Einsatz. Denn traditionell finden die Freizeiten in den ersten drei Wochen der Sommerferien statt. 90 Kinder sind das jeweils in den ersten beiden Wochen, etwas weniger in der dritten Woche. „Meistens gibt es aber noch Nachmeldungen von Eltern, deren Kinder einen Nachschlag wollen“, weiß Post aus Erfahrung. Unterstützt wird die gelernte Krankengymnastin und Hauswirtschafterin von sieben Betreuern inklusive Küchenteam sowie fünf jugendlichen Helfern.

Was die Awo-Freizeit von vielen anderen unterscheidet: „Wir haben hier unser eigenes Haus, ein riesiges Gelände mit Wald und Sand, einen Bauwagen als Rückzugsort und eine alte Remise für weniger schöne Tage“, beschreibt Post das, was die Kinder aus ganz Sinzig Jahr für Jahr auf den Harterscheid lockt.

Das Besondere: Im Gegensatz zu zu Hause gibt es kein Handy, keine Spielekonsole, keinen Musik-Player. Und trotzdem ist es den Kindern zwischen sechs und 14 Jahren nicht langweilig. Gerade weil diese lieb gewordenen Utensilien auf dem Harterscheid tabu sind, haben sie richtig viel Spaß, und das für kleines Geld. 78 Euro pro Woche, alles inklusive vom Bustransfer über Frühstück, Getränke, Mittagstisch bis zum Kaffeeteilchen am Nachmittag oder Pudding zum Dessert und Bastelmaterial. Awo-Mitglieder zahlen pro Woche und Kind 70 Euro, auswärtige Kinder 82 Euro.

Wobei Post auf eines besonderen Wert legt: „Die Brötchen zum Frühstück sind selbst geschmiert. Das Mittagessen wird hier selbst gekocht. Alles ist frisch.“ So gab es am Dienstag Bratwurst mit Kartroffelpüree sowie Erbsen und Möhrchen sowie zum Nachtisch Vanillepudding. Am Mittwoch Schweinebraten (alternativ Geflügel), Kartoffeln, Kohlrabi und Eis.

Den Kindern schmeckt's. Frische Luft macht eben hungrig. Vor allem, wenn „Büdchen“ gebaut werden, die Lieblingsbeschäftigung der kleinen Sinziger, Bad Bodendorfer, Westumer, Löhndorfer oder Frankener. Da sind vor allem die Jungs am Werk. Wenn auch für die „Innenausstattung“ der Geschmack der Mädchen Vorrang hat. Schließlich werden die Buden jeden Freitag von der Jury der Betreuer bewertet. Als Lohn winken „Mosas“. Mosaiksteinchen, die auch als Währung dienen. So etwa in dem Stil: „Der Ast, den du da hast, passt genau für unsere Bude“ - und schon beginnt das Feilschen. Nur kurz später wechseln etliche „Mosas“ den Besitzer, der sie gleich gegen ein Kunstwerk eintauscht.

Denn zu den Betreuern gehört auch eine professionelle Künstlerin: Stefanie Manhillen von der Kleinen Kunstschule im Blauen Haus in Bad Bodendorf. Sie gehört seit drei Jahren zum festen Stamm der Ferienfreizeit und arbeitet mit den Kinden mit Materialien aus dem Wald, mit Ton und Farbe. Da kommen dann Tiere oder alle möglichen Fantasiegestalten heraus, die in der alten Liegehalle, die von den „Rüstigen Rentnern“ in Schuss gebracht worden war, zu bewundern sind. Ebenso wie die kleinen Werke, die die Kinder mit Doris Fuchs mit Feuereifer basteln.

Wer lieber Erzählungen lauscht, singen möchte oder einfach mal Ruhe haben will, auch der wird fündig. Dafür gibt es den alten Bauwagen, der mit Sesseln und jeder Menge Kissen ausstaffiert ist. „Das ist für viele nach dem Toben eine Art Ruheinsel“, sagt Wiltrud Post, die mit ihren ehrenamtlichen Helfern den Spagat zwischen Aufsicht und dem Nicht-beaufsichtigt-fühlen-lassen für die Kinder meistert.

„Liebevolle Strenge“, nennt sie ihr Prinzip. „Konsequenz ist das, was Kinder heute brauchen, einige Erwachsene aber noch viel mehr.“ Da spricht Lebenserfahrung. Sie ist über die vielen Jahre zum Profi in Sachen Ferienfreizeit geworden: Das wissen die Kinder und respektieren ohne Murren, dass es trotz aller Freiheit Spielregeln gibt. Dazu gehört auch, dass die gewünschte Wortwahl untereinander durchaus gesitteter ist als auf dem Schulhof. Wenn's dann, wie am Dienstag passiert, noch Lob und ein Extra-Händchen „Mosa“ für den kleinen Mann gibt, der gefundene 1,50 Euro brav bei „Frau Post“ abgegeben hat, dann darf das ruhig Schule machen. Ebenso, dass der Verlierer, höflich „Danke“ sagt.

Einfach ist der Job des Betreuers trotzdem nicht. Die Aufsichtspflicht beginnt beim Abholen der Kinder in den Sinziger Stadtteilen mit dem Bus und endet auch erst wieder, wenn die Kinder am späten Nachmittag wieder aus dem Bus steigen. Dennoch geht es gefühlt locker zu, denn die Betreuer verstehen es, als Gefährte und nicht als Aufsicht zu wirken. „So klebt sich auch das Pflaster leichter auf den kleinen Ritz“, sagt ein Betreuer, der gerade einen Dreikäsehoch verarztet.

Und die „Küchenfrauen im Ruhestand“ genießen es, als Ehemalige des Teams auf der Bank vor dem Haus zu sitzen, zu plauschen und den Kindern zuzuschauen, wenn wie am Mittwoch die Sinziger Feuerwehr vorbeikommt und im Wortsinne für Erfrischung sorgt: „Wasser marsch“. Eine bessere Werbung für die Jugendfeuerwehr gibt es kaum.

Auch Bürgermeister Andreas Geron soll zur Freizeit kommen. Die persönliche Einladung haben die Kinder ihm geschrieben. Wiltrud Post hat sie am Dienstagabend im Rathaus eingeworfen. Mal schauen, wann er kommt und ob's dann Eis gibt. Ansonsten hat der Tagesablauf feste Rituale: gesundes Frühstück, zwischendurch Obst, Mittagessen immer mit Nachtisch an den Tischen im großen Saal und am Nachmittag vor der Abfahrt noch ein Kaffeeteilchen. Verhungert ist also noch keiner. Und ein Eis passt immer noch obendrauf.

Hennes-Schneider-Haus

Johannes „Hennes“ Schneider, der damalige Vorsitzende des Awo-Ortsvereins Sinzig, war es, der ab 1954 die ersten Stadtranderholungen für Kinder im „Gasthaus Fleischer“ in Königsfeld organisierte. 1954 waren Urlaubsreisen in ferne Länder noch relativ selten. Die Familien blieben im eigenen Land oder schickten, zumindest in Sinzig, die Kinder zur Stadtranderholung der Awo. Die Kinder sollten wenigstens im Sommer von den teils recht bescheidenen Lebensumständen abgelenkt werden. Schon bald regte sich der Gedanke, zu diesem Zweck ein eigenes Haus zu errichten. Als Vorstand des Awo-Ortsvereins Sinzig war Hennes Schneider der Hauptinitiator der von der Arbeiterwohlfahrt eingerichteten Kinderbetreuung in den Schulferien. Es dauerte aber noch bis 1968, bis unter Mithilfe der Stadt Sinzig und vieler ehrenamtlicher Helfer im Harterscheid bei Königsfeld ein eigenes Haus errichtet werden konnte. Nach dem Tod Schneiders erhielt das Haus 1978 den Namen Hennes-Schneider-Haus.

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