Analyse: Das vielsagende Schweigen der USA

Washington · Barack Obama hat Besseres zu tun, als sich um die Aufregung der Deutschen zu kümmern. Zwar dämmert langsam auch in Washington, dass Berlin wegen der mutmaßlichen Spionagefälle allmählich richtig sauer wird.

 Barack Obama während seiner Wahlkampftour in Colorado. Foto: Bob Pearson

Barack Obama während seiner Wahlkampftour in Colorado. Foto: Bob Pearson

Foto: DPA

Doch statt sich zu dem misslichen Thema zu äußern, reist Obama nach Texas, macht Wahlkampf, sammelt Spenden. Zum Thema Spionage: Kein Wort. Mitunter ist eben auch Schweigen vielsagend.

Auch am Donnerstag, fast eine Woche nach Ausbruch des neuerlichen Spionageskandals in Berlin, ist das Thema in US-Medien bestenfalls Nebensache. Selbst hellwache und kritische Eliteblätter wie die "New York Times" und die "Washington Post" haben der Angelegenheit noch keinen Kommentar gewidmet.

Doch hinter den Kulissen und in der "zweiten Reihe" rumort es. So meint die prominente demokratische Senatorin Dianne Feinstein nach einem Treffen mit deutschen Abgeordneten: "Wir müssen die ganze Sache neu betrachten, wie wir unsere Verbündeten behandeln". Schließlich ist Deutschland einer der wichtigsten Partner Washingtons - und Freunde verprellt man besser nicht. Auch braucht Washington Kanzlerin Angela Merkel - etwa als Mittlerin in der Ukraine-Krise.

Doch auch nach dem neuen Verdacht, dass es auch im Berliner Verteidigungsministerium einen Maulwurf gebe, antworten die offiziellen Stellen wie Weißes Haus, Nationaler Sicherheitsrat und die CIA auf Anfragen wie aus einem Munde: "Kein Kommentar".

Aber es gibt Vermutungen und Spekulationen. Während Spitzenpolitiker wie Wolfgang Schäuble den Ton verschärfen ("Das ist so was von blöd..."), geht unter Regierungsbeamten in Washington die Frage um: Was wollen die Deutschen mit ihren lautstarken Protesten?

Warum etwa hat Angela Merkel Obama bei ihrem Telefongespräch vor einer Woche Obama nicht über den vorliegenden Spionageverdacht unterrichtet? Und: Warum wurde die Sache dann in Berlin an die Öffentlichkeit getragen?

"Da gibt es offenbar einige Gründe, warum dies publik gemacht wurde", zitiert die "Washington Post" einen namentlich nicht genannten Regierungsbeamten. Seit Monaten dränge Berlin auf ein "No-Spy-Abkommen" mit Washington, heißt es vielsagend. Der Untertitel lautet: Will Berlin mit der Veröffentlichung und der Empörung etwas erreichen?

Andere Experten mutmaßen, dass die Dienste es bei ihrer Wühlarbeit in Berlin schlichtweg übertrieben haben - und Obama und das Weiße Haus über ihre Machenschaften bewusst im Dunklen gelassen haben. Eines steht fest: Der Spionageskandal hat viele Seiten.

"Die Episode wirft ein Licht auf Spannungen zwischen den kollidierenden Kulturen der Spionagekunst und der Staatskunst ("spycraft and statecraft") - schreibt die "New York Times". Das klingt etwas abgehoben.

Doch ganz offenbar liegen in Sachen Spionage und Geheimdienste Welten zwischen Berlin und Washington. Bereits bei der Abhöraffäre des US-Dienstes NSA zeigte sich Obama - bei aller Nettigkeit und Verbindlichkeit - in der Sache knallhart. Sein Tenor: Das Fischen im Trüben der Schlapphüte dient der Sicherheit der USA - und die Sicherheit Amerikas ist sein oberstes Ziel.

Eine der Kernfragen ist: Spähen sich nur Feinde und politische Gegner untereinander aus - wie das offenbar Berlin sieht? Oder gilt unter Verbündeten Diensten das Motto: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.

Auch hier hat Obama in den vergangenen Monaten klare Signale an Berlin gesendet: Zwar versprach er, man wolle die Kanzlerin nicht mehr ausspähen - doch weiter gingen seine öffentlichen Zusagen nicht. Auch das dürfte vielsagend gewesen sein.

Der Transatlantik-Experte Dan Hamilton wirft den Deutschen gar Naivität vor, wenn sie glauben, ihre Freunde würden sie nicht ausspionieren. "Glauben die deutschen wirklich, dass die Franzosen es nicht tun?", sagte er der dpa. "Und darüber wird nicht geredet", fügt er hinzu. "Glaubt Deutschland, nur die USA spionieren?"

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort