Mehr Personal 170 000 Überstunden bei Bonner Polizei

BONN · Eine angespannte Sicherheitslage, zunehmende Computerkriminalität und immer neue Betrugsmaschen setzen die Polizeibehörden unter Druck. Bundeskriminalamt und Polizei brauchen mehr Personal. Doch die Suche nach geeignetem Nachwuchs wird immer schwieriger.

 Die Bonner Polizei braucht neue Kollegen, um die Arbeit bewältigen zu können. FOTO: POLIZEI BONN

Die Bonner Polizei braucht neue Kollegen, um die Arbeit bewältigen zu können. FOTO: POLIZEI BONN

Foto: Polizei Bonn

Eine angespannte Sicherheitslage, zunehmende Computerkriminalität und immer neue Betrugsmaschen setzen die Polizeibehörden unter Druck. Inzwischen hat auch die Politik erkannt, dass in dieser Situation eine Fortsetzung des jahrelangen Sparkurses nicht angebracht ist. So soll allein im Bundeskriminalamt, das neben der Zentrale in Wiesbaden auch in Meckenheim eine Niederlassung mit 900 Stellen unterhält, die Zahl der Köpfe bis zum Jahr 2019 von 5500 auf 7000 steigen.

Etwas anders ist die Situation bei der Polizei Bonn, bei der über Jahre der noch aus Hauptstadttagen stammende Personalüberschuss abgebaut werden musste. Hier sank die Zahl der Stellen von 1282 im Jahr 2012 auf 1199 im Jahr 2016. Gleichzeitig ging auch das Durchschnittsalter von 52 auf 48 Jahre zurück. „Doch damit sind wir immer noch eine der ältesten Behörden in NRW“, erläutert Polizeihauptkommissar Frank Piontek.

Auf die eigene Personalstärke hat die Behörde vor Ort allerdings keinen Einfluss, denn der Stellenschlüssel wird zentral vom Land NRW über die „belastungsbezogene Kräfteverteilung“, kurz BKV genannt, berechnet. Ziel ist es, die Kräfte dort zu konzentrieren, wo aufgrund von Kriminalität und Unfällen die größten Anforderungen bestehen. Über diese Verteilung wird immer wieder gestritten, denn vielfach fühlen sich durch diese Berechnung gerade flächenmäßig große Landkreise benachteiligt. Dort ist die Polizeisollstärke zwischen den Jahren 2000 und 2016 um 5,4 Prozent zurückgegangen, während im gleichen Zeitraum die Zielsollstärke im Bereich der 18 Polizeipräsidien der Großstädte in NRW um 6,8 Prozent gestiegen ist. Das merkt man auch im Rhein-Sieg-Kreis: Hier sank die Zahl der Stellen von 2000 bis 2016 von 484 auf 469, die Zahl der Streifenwagen von 39 auf jetzt 32 und die der zivilen Fahrzeuge von 38 auf 31.

Inzwischen ist allen Beteiligten klar, dass es längst nicht mehr nur um die optimale Verteilung vorhandener Kräfte gehen kann. So schiebt nach den Angaben des Bundes deutscher Kriminalbeamter allein die Bonner Polizei 170 000 Überstunden vor sich her. Stattdessen ist eine Aufstockung dringend erforderlich ist, um den neuen Herausforderungen zu begegnen. Doch das ist leichter gesagt als getan, denn auch die Rekrutierung des Nachwuchses wird immer schwieriger. Der Grund: Jetzt kommen die geburtenschwachen Jahrgänge auf den Markt, die die Qual der Wahl zwischen vielen attraktiven Arbeitgebern haben.

Der Beruf wird noch attraktiver

Um den Beruf des Polizisten attraktiver zu gestalten, wird seit 2002 nur noch im gehobenen Dienst eingestellt, seit 2008 erfolgt die Ausbildung im Rahmen eines dreijährigen Bachelorstudiums an der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Köln. „Die Ausbildung zum Polizisten ist sehr abwechslungsreich, denn zu der Theorie, die rund 50 Prozent des Studiums ausmacht, kommt die praktische Ausbildung in unserem Trainingszentrum in Brühl und der Einsatz vor Ort“, erklärt Wilfried Lange von der der Personalwerbung der Polizei in Bonn. Auch finanziell ist die Ausbildung attraktiv: So verdient ein alleinstehender Auszubildender schon im Studium rund 1100 Euro netto und ist bereits während des Studiums Beamter auf Widerruf. Das Konzept hat dazu geführt, dass die Zahl der Bewerber in den letzten Jahren ständig gestiegen ist: Auf die 2000 Studienplätze des Landes NRW gibt es in jedem Jahr 9500 bis 10 000 Bewerbungen. „Aktuell haben wir noch genügend befähigte Bewerber, doch darauf dürfen wir uns nicht ausruhen, denn die Konkurrenz schläft nicht“, so Wilfried Lange.

Und die Konkurrenz ist zum Beispiel das Bundeskriminalamt, das in den nächsten Jahren in der Ausbildung kräftig aufstocken will. Zumal beim BKA die Relation Bewerber pro Stelle noch ganz anders aussieht, denn hier kommen fast dreißig Bewerbungen auf eine Stelle. „Und diese hohe Anzahl an Bewerbungen brauchen wir auch, um die geeigneten Bewerber auszuwählen“, erläutert Dr. Peter Poerting, Leiter der Projektgruppe zur Modernisierung des Personalwesens. Denn die Hürden für die Teilnahme am Bewerbungsverfahren sind zwar niedrig – bewerben können sich Interessierte mit einem Abiturdurchschnitt bis 3,5 und bis zu einem Alter von 33 Jahren –, doch das vierstufige Auswahlverfahren hat es in sich.

Neben einem psychodiagnostischen Test, einem Sporttest mit hohen Anforderungen und mehreren Gesprächsrunden liegt die Messlatte auch bei der abschließenden polizeiärztlichen Untersuchung hoch. „Wir überlegen zurzeit, ob wir einzelne Anforderungen zum Beispiel unseres anspruchsvollen Sporttest verändern, um noch mehr Bewerber im persönlichen Gespräch kennenlernen zu können. Dabei ist aber klar, dass ein Kriminalbeamter eine gewisse körperliche Fitness mitbringen muss“, so Dr. Poerting.

Zielgruppenorientierte Werbung vor allem in den sozialen Medien gehört seit langem zu den Instrumenten des BKA, denn die Zeiten, in denen eine einfache Stellenanzeige ausreichte, sind lange vorbei. Und auch andere Maßnahmen sollen die Attraktivität der Behörde erhöhen: Teilzeitmodelle für die Beschäftigten im IT-Bereich und in der Verwaltung, ein Eltern-Kind-Zimmer und ein durchlässiges System, das den Mitarbeitern erlaubt, Erfahrungen in ganz unterschiedlichen Bereichen zu sammeln. Eines haben aber sowohl das BKA als auch die Polizei inzwischen erreicht: Das Verhältnis zwischen weiblichen und männlichen Bewerbern ist seit Jahren nahezu ausgeglichen – und das ganz ohne Quotierung.

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