Die weltweite Erwärmung und ihre Auswirkung auf Landschaften und Ökosysteme

Arktis, Himalaya, Spanien oder Wattenmeer - eine Reise um den Globus in den Zeiten des Klimawandels

Die weltweite Erwärmung und ihre Auswirkung auf Landschaften und Ökosysteme
Foto: dpa

(dpa-fwt/ap/ww) Der Klimawandel schleicht meist auf leisen Sohlen. Manchmal scheint er, natürliche Kräfte zu verstärken und löst sogenannte Jahrhundertereignisse wie Fluten oder Stürme aus. Überall auf der Welt sammeln Botaniker, Biologen, Geowissenschaftler und andere Forscher inzwischen Anschauungsmaterial: Was ändert sich wo wie?

Tenor aller Studien, Messungen und Beobachtungen: Der Klimawandel, primär durch vom Menschen freigesetzte Treibhausgase in Gang gesetzt, vollzieht sich in manchem Erdwinkel schneller als vom Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) vorhergesagt. Eine Auswahl:

Arktis: Den jüngsten Erkenntnissen zufolge schritt der Schwund der Eismassen im arktischen Meer seit 1960 etwa drei Mal schneller voran als von Computermodellen errechnet. Die neue Analyse von Julienne Stroeve vom National Snow and Ice Data Center(NSIDC) der USA in Boulder (USBundesstaat Colorado) erschien in den „Geophysical Research Letters“, einem Fachjournal der Amerikanischen Geophysischen Union (AGU).

Demnach ist der sommerliche Schmelzprozess seiner – vom IPCC vorhergesagten Zeit – um etwa 30 Jahre voraus. Der Nordpol wird also weitaus früher im Sommer eisfrei sein als erwartet. Das Team um Stroeve verglich aktuelle Messdaten von Satelliten mit den Modellen und kam dabei zu dem alarmierenden Ergebnis.

Die Computersimulationen hatten unter anderem auf ältere Beobachtungen von Flugzeugen und Schiffen berufen. Sie hatten für die Zeit von 1953 bis 2006 pro Dekade einen Verlust der spätsommerlichen Eisdecke von jeweils 2,5 Prozent (bis maximal 5,4 Prozent) ermittelt. Tatsächlich aber lag der Abbau bei 7,8 Prozent pro Jahrzehnt.

Tropen: Der Tropengürtel rund um den Äquator hat sich in den vergangenen Jahren rasant in Richtung der beiden Pole ausgedehnt. Die Grenze zwischen Tropen und Subtropen verschob sich innerhalb der vergangenen 25 Jahre allein auf der nördlichen Halbkugel um mehrere hundert Kilometer nordwärts.

Dies könne wiederum zu einer Verschiebung der subtropischen Trockenzonen führen, schreibt eine US-Forschergruppe um Dian Seidel von der US-Wetterbehörde NOAA in Silver Spring (US-Staat Maryland) im „Nature Geoscience“.

Betroffen wären unter anderem dicht besiedelte Regionen wie der Mittelmeerraum oder der Südwesten der USA. Ihnen drohen der Studie zufolge deutlich sinkende Niederschläge. Die beobachtete Ausweitung des Tropengürtels um rund fünf Prozent war durch Klimamodelle erst für Ende dieses Jahrhunderts vorhergesagt worden.

Spanien: In Barcelona wird ab 2050 ein Klima herrschen wie jetzt im südspanischen Sevilla, und in Sevilla wird es so heiß sein wie in Kairo. Nach einer Studie des Madrider Umweltministeriums werden die Niederschläge in Spanien um 17 Prozent abnehmen und die Höchsttemperaturen von 2040 bis 2070 um 3,2 bis 3,6 Grad höher sein als heute, nach 2070 sogar um bis zu 7,0 Grad – wesentlich höher als im Weltdurchschnitt.

Forscher der Universität von Kantabrien warnen: Der Meeresspiegel wird an der nordspanischen Atlantikküste bis 2050 um etwa 35 Zentimeter steigen und am Mittelmeer um 20 Zentimeter. Damit würden die Strände um durchschnittlich 15 Meter schmaler. „Ich würde mir zum Beispiel kein Haus in der Strandgegend La Manga (Südostspanien) kaufen“, meint der Ozeanograph Costas Raúl Medina.

Für Mallorca geht eine Studie davon aus, dass bis 2100 fast alle Strände verschwinden. Die Zahl extrem heißer Tage werde um das Drei- bis Sechsfache steigen, berichtet ein Forscherteam in den „Geophysical Research Letters“.

Bäume: Wissenschaftler um Daniel McKenney von der kanadischen Forstbehörde sagen ein deutliches Schrumpfen des Lebensraums für in Nordamerika wachsende Baumarten wie Zeder, Linde oder Ahorn vorher. Ursache der Entwicklung ist auch hier der Klimawandel.

McKenney und Kollegen berichten von zwei extremen Szenarien: Vorausgesetzt, den Bäumen gelinge es umzusiedeln, könnten sich ihre Lebensräume bis Ende des Jahrhunderts im Schnitt um 700 Kilometer nach Nordern verlagern, berichtet die Gruppe in „BioScience“. Dabei schrumpfe der zur Verfügung stehende Lebensraum um etwa zwölf Prozent.

Gelinge die Umsiedelung nicht, drohe der Verlust von mehr als der Hälfte des Lebensraums (58 Prozent). Für wahrscheinlich halten sie eine Entwicklung, die sich zwischen den beiden Extremen bewegt. Ihren Berechnungen legten die Wissenschaftler unterschiedliche Modelle über die Entwicklung des Klimas zugrunde.

Zudem untersuchten sie, wie sich mögliche Anstrengungen des Menschen für den Klimaschutz auswirken könnten. Das Ergebnis: Selbst wenn die Kohlendioxid-Konzentration von 2050 an sinken sollte, werden sich die Lebensräume der Bäume verändern.

Himalaya: Eine fatale Kombination aus Umweltschäden und globaler Klimaerwärmung fordert im Reich der Mitte ihren Tribut. Anders als früher räumt Chinas Regierung inzwischen ein, dass die Wetterkatastrophen nicht nur eine böse Laune der Natur, sondern auch menschengemacht sind – und dass Nichtstun China teuer zu stehen kommen wird.

Besonders dramatisch ist die Lage auf dem Dach der Welt, wie Meteorologen in einer Studie herausfanden. Die Gletscher des Himalaja schrumpfen jedes Jahr um mehr als 130 Quadratkilometer, weil sich die Temperatur auf dem Tibet-Qinghai-Plateau schneller erwärmt als in anderen Ecken der Erde: Alle zehn Jahre steigt das Thermometer im Schnitt um 0,3 Grad Celsius.

Mit raschen Gletscherschmelze in Tibet werden die Flüsse in den nächsten Jahren mehr Wasser führen und viele bislang karge Täler fruchtbarer werden. Dann aber, wenn die Eiskappen getaut sind, werden wohl die Flüsse ganz austrocknen. Die Konsequenzen bekommen Chinesen wie Nachbarn zu spüren.

Das Wasser der Gletscher und Schneelandschaften des Himalajas nährt mehrere große Lebensadern Asiens. Im chinesischen Teil des Gebirges entspringen neben dem Yangtse und dem Gelben Fluss unter anderem der Indus, der Mekong, der Salween und Bramaputra. Von all diesen Flüssen ist fast die Hälfte der Weltbevölkerung abhängig.Schon warnen Experten vor einem Wasserkrieg zwischen den asiatischen Giganten China, Pakistan und Indien.

Wattenmeer: Weil die Erderwärmung Wellen und Strömungen im Wattenmeer verstärkt, sind dessen Seegraswiesen bedroht. Vor den Niederlanden und der niedersächsischen Nordseeküste registrieren die Wissenschaftler in vielen Gebieten einen dramatischen Rückgang.

Ein wichtiger Grund sei die stärkere Strömung, sagt die Biologin Ragnhild Asmus vom Sylter Alfred-Wegener-Institut. „Nach langem Rätseln waren wir uns zunächst einig, dass zu viele Nährstoffe im Wattenmeer für das Absterben des Seegrases verantwortlich wären“, sagt Professor Karsten Reise, Leiter des Sylter Alfred-Wegener-Instituts.

Die Überdüngung des Meeres ließ Mikroalgen wachsen, die sich auf den Blättern des Seegrases als flauschiger Pelz absetzten. „Die Pflanzen verfilzten. Ihre Photosynthese ging zurück, wurde unmöglich.“ Schließlich starben die Pflanzen. Nur vor Nordfriesland bleiben die Bestände mit rund 30 Quadratkilometern Fläche seit Jahren stabil.

Der Grund: Hier wachsen fast alle Seegraswiesen auf den vor Wind und Wellen geschützten Seiten der kleinen Inseln. Wattschnecken weiden den Algenfilz von den Seegras-Blättern ab. Zwar gibt es diese „Putzkolonnen“ überall im Wattenmeer. Doch an den ungeschützten Küsten der Niederlande und Niedersachsens sorgt der in den letzten 30 Jahren stärker werdende Westwind für mehr Seegang.

Die Schnecken finden auf den schwankenden Seegrasblättern keinen Halt. „Sie purzeln von den Blättern, und die Mikroalgen können wachsen“, sagt Reise. Seegraswiesen gibt es mit Ausnahme der Antarktis auf der ganzen Welt. Asmus warnt: „Die ganze Vielfalt des Lebens leidet, wenn die Seegraswiesen zurückgehen.“

Trotz seines Namens ist das Seegras kein Gras, sondern gehört zu den wenigen Blütenpflanzen, die trotz ständiger Wasserbedeckung im Meer gedeihen. Sie erfüllen im Wattenmeer wichtige Funktionen. Das Wurzelgeflecht, das die Pflanze im Sediment verankert, stabilisiert den Boden und wirkt damit der Erosion entgegen.

Fische wie Hering, Hornhecht und Stichling sowie andere Wattorganismen nutzen die Seegraswiesen als Lebensraum, Versteck vor Räubern, Laichplatz und „Kinderstube“.

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