Die Stimmen der Kritiker

Es gibt keine globale Erwärmung, und wenn es sie gibt, dann stecken dahinter stärkere Mächte als der Mensch

Die Stimmen der Kritiker
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(ap/ww) Wie ist der Mensch entstanden? In Deutschland, so eine fowid-Studie, bestreiten „nur“ 38 Prozent die Evolutionstheorie, wonach der Mensch aus anderen Arten entstanden ist. In Großbritannien sind es 39 Prozent, so eine BBC-Umfrage, in den USA glauben hingegen mehr als 55 Prozent, so CBS- und Gallup-Umfragen, dass die Entstehung des Lebens nur über die biblische Schöpfungsgeschichte verlässlich erklärt werden kann.

Die Giordano-Bruno-Stiftung, Auftraggeber der fowid-Studie, teilte mit: Auch wenn die Verteilungen hierzulande deutlicher zugunsten der Evolutionstheorie ausfallen als in den USA, sei es dennoch bedenklich, dass mehr als ein Drittel der Bevölkerung Auffassungen anhinge, die heute angesichts des erreichten Forschungsstands ähnlich obskur wirkten wie die einstige Vorstellung, die Erde sei eine Scheibe.

Die angelsächsische Fairness-Grundregel, wonach jede Meinung eine Chance auf Veröffentlichung erhalten muss, hat in den USA dazu geführt, dass die amerikanische Öffentlichkeit glaubt, die wissenschaftliche Debatte um die Abstammungslehre sei neu entbrannt – eine „Theorie“ eben, was umgangssprachlich bedeutet, dass es „theoretisch“ so sein könne, es aber grundsätzlich auch anders denkbar wäre.

Dabei ist eine anerkannte Theorie im wissenschaftlichen Sinne mehr als nur vage Vermutetes: Eine Theorie ist der Gipfel der –vorläufigen – Erkenntnis. Der ideologische Streit um Bibel und Evolution hat die US-Forscher gelehrt, dass sie sich zu lange zurückgelehnt haben. „Wir haben den Feind unterschätzt“, sagte Alan Lesher, Chef der American Association for the Advancement of Science (AAAS), des größten Wissenschaftsverbandes der Welt.

Die Haltung der Forscher, wonach sie sich für weltanschauliche Erklärungen von Problemen, die sie längst für geklärt halten, nicht zuständig fühlten, war in einer medialen Welt fahrlässig. Beim Klimawandel sitzen die Forscher in einem ähnlichen Dilemma: Diskutieren sie mit weltanschaulich geprägten oder von Industrieinteressen beeinflussten Experten, die keine Klimaforscher sind, suggeriert das dem Laien, wissenschaftlich sei tatsächlich etwas ungeklärt.

Außerdem droht die Verstrickung in einen Glaubenskrieg; schweigen sie, gelten sie als arrogant oder feige. Der Streit ums Kohlendioxid (CO2) ist so alt wie die CO2-Bedrohung selbst – aus Sicht von Industrien, deren Existenz sich auf fossile Brennstoffe (Erdöl und -gas, Kohle) gründet. Ihr Ziel: Die Erkenntnisse der Klimaforscher als unsicher darzustellen.

Es begann Anfang der 90er Jahre in den USA, als – neben anderen industrienahen Organisationen gegen die „Lüge vom Treibhauseffekt“ – die Global Climate Coalition (GCC) gegründet wurde. Die Vereinigung zur Ausbremsung des klimatologischen Erkenntnisfortschritts wurde 2002 aufgelöst, nachdem unter anderem BP, Ford, Shell und Daimler Chrysler ihre Mitgliedschaft gekündigt hatten.

Grund: Die Beweislage für die These, dass der Mensch mit seinen CO2-Emissionen Klimamacher ist, war immer dichter und das GCC-Engagement immer fragwürdiger geworden. In den USA wurden Klimaskeptiker deshalb nicht flügellahm. Mit Präsident George W. Bush erhielten sie ihren mächtigsten Verbündeten. Seine Administration ließ sogar Forschungsberichte umschreiben, und nicht nur NASA-Wissenschaftler klagten über Zensur und Maulkorb.

Ob Urknall, Evolution oder Erderwärmung: „Wer an ein rationales Universum glaubt, an Aufklärung, Wissen und die Suche nach Wahrheit, für den ist dieses Weiße Haus eine Tragödie“, gab Professor Michael Oppenheimer (Universität Princeton) zu Protokoll. Der Streit um die „Klima-Wahrheit“ nahm skurrile Züge an.

Unweigerlich stand das CO2 auch schon vor dem Obersten US-Gerichtshof: „Treibhausgase fallen klar unter die rechtliche Definition von “Luftverschmutzung„“, schrieben die Richter Bush ins Stammbuch. Damit scheint einiges geklärt. Doch der Kampf um die öffentliche Meinungshoheit geht weiter. Auch in Europa grassiert das Zweiflervirus.

In Deutschland erschien bereits 1998 das Buch „Der Treibhaus-Schwindel“ von Wolfgang Thüne, Diplom-Meteorologe und ZDF-Wetterfrosch. Von der guten, alten, übersichtlichen TV-Zeit, als es drei öffentlich-rechtliche Programme gab und der „Tagesschau“-Sprecher zuweilen für den Regierungssprecher gehalten wurde, profitierte Thüne in den Medien.

Er schrieb, der Treibhauseffekt sei „eine Erfindung der Atom-Lobby, die von den Grünen bereitwillig aufgegriffen und vermarktet worden ist“. Der öffentlichen Rüge durch die Deutsche Meteorologische Gesellschaft (DMG) zeigte Thüne die kalte Schulter. Die DMG: „Am Grundprinzip des Treibhauseffekts, auch des menschgemachten, kann es keinen Zweifel geben.

Die Vorgänge stehen mit allen physikalischen Gesetzen im Einklang. Thüne fällt in die Kategorie „Fundamentalskeptiker“. Für diese gibt es weder Treibhauseffekt noch globale Erwärmung. Alles Messfehler, sagen sie. Thüne und andere sind indes eine aussterbende Spezies, weil die Erderwärmung Fakt ist.

Der größte Teil der Fundamentalskeptiker mutierte daraufhin zu Ursachenskeptikern: Diese bezweifeln, dass der Mensch mit seinen CO2-Emissionen schuld ist. Die dritte Fraktion heißt „Folgenskeptiker“. Ihr Motto: Eine wärmere Welt ist besser als eine kältere, gut für den Kampf gegen den Hunger in der Welt. Der inzwischen veröffentlichte 4. Report des UNKlimabeirats (IPCC) scheint die Skeptiker erst richtig zu mobilisieren.

Zu früh gefreut hat sich da wohl Professor Jochem Marotzke, Direktor des Hamburger Max-Planck-Instituts für Meteorologie und IPCC-Autor, als er meinte: „Endlich haben die Klimawandel-Zweifler keine wissenschaftlichen Argumente mehr.“ Die Gegenbewegung nimmt wieder Fahrt auf.

Dabei handelt es sich um eine bunte Truppe aus bloggenden Amateur-Klimatologen, Journalisten, Wissenschaftlern (meist Nicht-Klimatologen) und Lobbyisten von Öl- und Energieunternehmen. Jüngstes Beispiel ist der Wissenschaftspublizist Kurt G. Blüchel, der dem IPCC „Sensationslüsternheit“ vorwirft. Keinesfalls sei CO2 der Klimakiller Nummer eins, als der es nun geschmäht werde: „Eine Mitwirkung von Kohlendioxid (am Klimawandel) ist nicht nachweisbar“, schreibt Blüchel in seinem Buch „Der Klimaschwindel“.

Auch auf zahlreichen Internetseiten wird unter umgekehrten Vorzeichen diskutiert: „Diese Seite unternimmt den Versuch, Sie über einen der am weitesten verbreiteten Irrtümer aufzuklären – nämlich über das Märchen vom menschengemachten Treibhauseffekt“, heißt es etwa auf der deutschen Seite www.klimaskeptiker.info – CO2 sei „nicht im geringsten klimawirksam“, schreibt dessen Betreiber Andreas Kreuzmann.

Er sieht sich von kämpferischen Klimaschützern umzingelt: „Der weltweiten Verbreitung der Klimareligion ist mit allen legalen Mitteln entgegenzutreten, um die egoistische Bereicherung von Klimaforschern, Medien, Industrie und Politik zu beenden.“ Auch Blüchel fühlt sich von korrupten Forschern herausgefordert: „Wo Geld und Ansehen winken, finden sich immer Mitstreiter.“

Ein Satz, der nach Darstellung des Magazins „Newsweek“ besser auf die sich formierende Gegenbewegung passt: „Die Leugnungsmaschine läuft auf Hochtouren“, stellt das Blatt fest. So habe ein konservativer, lange vom Ölkonzern ExxonMobil geförderter Think Tank Wissenschaftlern 10 000 Dollar für Artikel geboten, die geeignet seien, die jüngsten IPCC-Berichte zu untergraben.

Viele Menschen sind für solche Signale zudem empfänglich. Das Verdrängen oder Kleinreden der Folgen des Klimawandels sei Teil des natürlichen menschlichen Verhaltens, sagt der Umweltpsychologe Professor Andreas Ernst: „Wir sind von der Evolution darauf festgelegt, unsere Vorteile zu suchen und sie wahrzunehmen. Kurzfristige Erfolge sind uns lieber als langfristige.“

Klimatologen wie der Frankfurter Professor Christian-Dietrich Schönwiese sehen die Skeptiker auf verlorenem Posten: „Wenn wir die Zusammensetzung der Erdatmosphäre durch die Anreicherung von Treibhausgasen ändern, muss das aus prinzipiellen physikalischen Gründen zu Klimaänderungen führen. Das ist eine völlig unbezweifelbare Grundtatsache.“

Hinter den diversen Versuchen, den menschengemachten Klimawandel in Zweifel zu ziehen, sieht Schönwiese verschiedene Motive: „Einige sehen durch die geforderten Klimaschutzmaßnahmen die Wirtschaft gefährdet, andere fürchten um ihren Lebensstandard, wieder andere möchten eines unserer Weltprobleme gerne loswerden.“

Zudem gebe es die Gruppe der Interessenträger. „Und nicht wenige wollen sich nur wichtig machen.“ Die Physikerin Angela Merkel sagte auf dem CDU-Parteitag im November 2006: „2020 wird es keinen Gletscher mehr auf der Zugspitze geben.“ Und: „Wer heute in der Uckermark Bäume pflanzt, weiß nicht, ob die Eiche dort in 50 Jahren noch gedeihen wird.

Manch einer will das nicht wahrhaben, aber es ist so.“ Die Bundeskanzlerin hat sich „Religiöser Eifer“ längst auf die Seite der physikalischen Gesetze geschlagen. Ihr Berater Hans-Joachim Schellnhuber, Leiter des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, hat es indes aufgegeben, sich mit Skeptikern auseinander zu setzen: „Ich habe da einen ermüdenden Lernprozess durchgemacht“, gestand er in einem ZEIT-Interview.

Einige Leute seien von „religiösem Eifer“ getrieben, man dringe mit der „wissenschaftlichen Rationalität“ nicht durch. Schellnhuber: „Wenn nun Nobelpreisträger mit pensionierten Gewerbelehrern oder Hobby-Meteorologen eine öffentliche Debatte über die Dynamik des Klimasystems führen sollen, dann wird etwas verzerrt, was nicht verzerrt werden darf.“

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