Das UN-Klimasekretariat legt neue Daten zum Kohlendioxidausstoß vor
Noch steigen die Emissionen, aber das Kyoto-Protokoll zeigt Wirkung - Warnung vor neuen Kohlekraftwerken - Manche Länder liegen noch weit zurück
Bonn. Wenn die Spitzen von UN-Organisationen die Öffentlichkeit informieren, ist die Arbeitssprache gemeinhin Englisch. Am Dienstag aber bemühte Yvo de Boer, Exekutivsekretär der Klimarahmenkonvention (UNFCCC) in Bonn, zunächst einmal die "örtliche Stammessprache", also Deutsch - er wollte sichergehen, nicht missverstanden zu werden. Er habe einen Anruf des Bundesumweltministeriums erhalten mit der Botschaft: "Es gibt keine Pläne, in Deutschland 25 neue Kohlekraftwerke zu bauen", berichtete er sichtlich erleichtert.
Eine Greenpeace-Studie hatte einen Tag zuvor über solche Pläne berichtet und bei dem UNFCCC-Chef beträchtliche Sorgen ausgelöst. "Deutschland kann das Kyoto-Ziel erreichten", betonte de Boer noch einmal, "und Deutschland hat mittelfristig sehr ehrgeizige Ziele, um den Kohlendioxidausstoß zu senken." 25 neue Kohlekraftwerke, das würde all dies in Frage stellen, machte de Boer unmissverständlich klar.
So aber konnte er mehr oder weniger entspannt zur Tagesordnung übergehen. Seine Botschaft ist widersprüchlich: Die Länder, die das Kyoto-Protokoll ratifiziert haben, werden dessen Ziele nicht nur problemlos erreichen, sondern sogar darüber hinausgehen. Zugleich aber haben die Treibhausgas-Emissionen im Jahr 2005 einen neuen Höchststand erreicht.
De Boer führt das auf das anhaltende Wirtschaftswachstum der Industrieländer und die wirtschaftliche Erholung der ehemaligen Ostblockländer zurück. De Boers Schlussfolgerung: Um die Ziele zu erreichen, müssen die geplanten Maßnahmen zur Senkung der Treibhausgas-Emissionen auch tatsächlich angewandt werden - und wirken.
Funktioniert also alles, wie geplant und zugesagt, dann könnte das Szenario nach den neuesten Daten des UNFCCC folgendermaßen aussehen: Die 36 Mitglieder des Kyoto-Protokolls senken ihre CO2-Emissionen im Zeitraum zwischen 2008 und 2012, der sogenannten ersten Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls, um knapp elf Prozent. Kommen weiter Maßnahmen zur Anwendung, kann der Rückgang sogar auf bis zu gut 15 Prozent steigen. Das Kyoto-Protokoll verpflichtet die Industriestaaten lediglich zu einer Senkung um fünf Prozent.
"Das Kyoto-Protokoll hat sich als funktionierendes Instrument erwiesen", lautet de Boers Fazit. Allerdings wies er auch auf die enormen Unterschiede unter den einzelnen Ländern hin. Nur knapp die Hälfte der Staaten wird den Projektionen zufolge das Ziel mit den bereits jetzt eingeleiteten Maßnahmen erreichen.
Von diesen 17 Staaten sind aber nur vier klassische Industriestaaten (Frankreich, Deutschland, Schweden und Großbritannien); die anderen 13 sind Länder des ehemaligen Ostblocks, die vom Zusammenbruch der ehemaligen kommunistischen Wirtschaft profitieren: Weil die alten Dreckschleudern nicht mehr existieren, kommt beispielsweise die Ukraine auf eine Emissionsreduzierung von knapp 48 Prozent - das Kyoto-Protokoll fordert von Kiew Null Prozent. So wird die "Übererfüllung" des Protokolls überhaupt erst möglich.
Alle anderen Staaten, darunter Österreich, Italien, Belgien und Spanien, müssen noch erhebliche Anstrengungen leisten, um ihre Verpflichtungen zu erfüllen. Dabei können sie auch die speziellen Mechanismen des Kyoto-Protokolls wie den Emissionshandel nutzen, der im vergangen Jahr bereits einen Wert von 30 Milliarden Dollar umfasst habe, so der UNFCCC-Chef.
Die in zwei Wochen im indonesischen Bali beginnende Weltklimakonferenz soll nun die Weichen stellen, damit der Klimaschutz mit dem Auslaufen des Kyoto-Protokolls 2012 nicht sich selbst überlassen bleibt.
"Der Bericht des Weltklimarates hat unmissverständlich klar gemacht, dass jetzt gehandelt werden muss", betonte de Boer. Die Politik soll jetzt den Ball aufnehmen, den die Wissenschaft zugespielt hat. "Es bleiben zehn bis 15 Jahre, um den Trend zu wenden", mahnte de Boer.
"Gelingt es in Bali nicht, die Verhandlungen über ein Kyoto-Nachfolgeabkommen in Gang zu bringen, sich auf einen Fahrplan und auf ein Abschlussdatum für die Verhandlungen zu einigen, dann ist der Gipfel gescheitert und die Chance vertan."