Borkenkäfer vernichten Kanadas Wälder

Provinz Alberta ruft Notstand aus - Schädlinge überleben wärmere Winter - Regierung will 650 Millionen Euro für bisher zwecklose Bekämpfung ausgeben

Vancouver. Die kanadischen Wälder werden von einem Gegner attackiert, der gefährlicher ist als Kahlschlag und Zersiedlung zusammen. Der Borkenkäfer (Dentroctonus ponderosae) verwandelt die Wildnis Westkanadas in ein Schlachtfeld, auf dem bereits Millionen Hektar Nadelwald vernichtet worden sind.

Nach dem Befall werden sterbende Kiefern zu Mahnmalen mit rostroten Nadeln. Schließlich bleiben nur noch graue, kahle Gerippe zurück. Die Borkenkäfer-Epidemie in Kanada ist derart außer Kontrolle geraten, dass die Regierung der Provinz Alberta den Notstand für ihre Wälder ausgerufen hat.

"Die Front im Krieg gegen den Borkenkäfer hat sich von British Columbia nach Alberta verlagert", erklärte der zuständige Minister Ted Morton und setzte weitere Mittel, umgerechnet 32 Millionen Euro, gegen die Käfer-Epidemie ein - mehr als das Doppelte der Ausgaben im vergangenen Jahr.

In Alberta sind bereits rund drei Millionen Kiefern dem Tod geweiht; vor einem Jahr waren es nur 19 000 Tannen gewesen. Berühmte Touristenziele wie der Nationalpark von Banff in den Rocky Mountains sind vom Kiefern-Sterben betroffen. Es habe auch schon früher Borkenkäfer-Plagen gegeben, sagt die Geografin Trisalyn Nelson von der Universität Victoria: "Aber diesmal ist es schlimmer als alles, was wir kennen."

Von der Westprovinz British Columbia, wo die meisten Kiefern wachsen und wo der Käfer bereits rund 9,2 Millionen Hektar Wald befallen hat, breitete sich die Pest rasant aus. Die Epidemie überquerte vergangenen Sommer die natürliche Schranke der Rocky Mountains und hat nun den Norden Albertas erreicht, wo die Borkenkäfer früher nie anzutreffen waren. Heute sind in Westkanada schätzungsweise 14 Millionen Hektar Wald in Mitleidenschaft gezogen - ein Gebiet fast doppelt so groß wie Bayern.

"Das ist ganz klar eine Folge der globalen Erwärmung", sagt der Borkenkäfer-Experte Allan Carroll vom Forstdienst in Victoria. Früher starben viele Käfer während längerer Kältephasen im Winter. Aber beispielsweise im Innern von British Columbia sind die Winter in den vergangenen 50 Jahren um durchschnittlich zwei Grad wärmer geworden. "Das ist eine riesige Veränderung", sagt Carroll.

Der zweite Grund für die dramatische Verbreitung ist die Verhütung von Waldbränden in den vergangenen Jahrzehnten: Die Wälder sind überaltert, und die Käfer attackieren mit Vorliebe ältere Bäume. Viele befallene Kiefern werden nun gefällt und verbrannt. Man stellt auch Duftfallen für die Käfer auf. Aber Kanadas Wälder sind für eine effiziente Bekämpfung viel zu groß: "Es übersteigt unsere Möglichkeiten, das unter Kontrolle zu bringen."

Dennoch plant die kanadische Regierung, in den kommenden zehn Jahren 650 Millionen Euro für den Kampf gegen die Plage einsetzen. Die Behörden wollen so verhindern, dass sich die Epidemie weiter gegen Osten ausbreitet. Allein in Alberta allein könnten Kiefern, deren Holz mehr als 15 Milliarden Euro wert ist, vernichtet werden. Die Holzunternehmen dürfen befallene Kiefern fällen, bevor sie wertlos geworden sind. Ein nur kurzfristiger Profit: Experten schätzen, dass im Jahr 2013 rund 80 Prozent aller Kiefern im Westen Kanadas zerstört sein werden.

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