Weinanbau im Ahrtal und der Klimawandel

Mit Ausbildung und Studium sind die Winzerinnen Meike und Dörte Näkel gut präpariert für die Führung des Dernauer Weinguts auch in heißeren Zeiten. Von Bewässerung halten sie nichts

Weinanbau im Ahrtal und der Klimawandel
Foto: Hans-Juergen Vollrath

Dernau. Zu wenig Wasser, zu viel Sonne. Der Klimawandel könnte die Arbeit der Winzer, die dem Ahrwein in 15 Jahren eine Spitzenstellung in Deutschland verschafft haben, zunichte machen.

Dem schaut die junge Winzergeneration nicht tatenlos zu. Umveredlung alter Rebstöcke, andere Wurzelunterlagen bei Neuanpflanzungen, dichtere Pflanzweise, alternative Methoden der Bodenbearbeitung sind mögliche Antworten.

Von mediterranen Rebsorten an der Ahr wollen Meike und Dörte Näkel, Töchter des Dernauer Spitzenwinzers Werner Näkel, dagegen nichts wissen. "Wir bleiben bei Riesling und Spätburgunder, den traditionellen Rebsorten der Region", sagt Dörte.

Die 25-Jährige studiert an der Fachhochschule Geisenheim Weinbau und Önologie, sitzt gerade an der Diplomarbeit. Ihre Schwester hat in Geisenheim bereits den Abschluss als Diplom Ingenieur für Weinbau und Önologie gemacht. Beide wissen, dass an der Ahr schon jetzt Rebsorten aus südlichen Gefilden wie Cabernet Sauvignon, Merlot, Sauvignon Blanc reifen können, was noch vor 20 Jahren undenkbar gewesen wäre. Aber: Sie setzen weiter auf das Bodenständige.

Spätburgunder und Riesling sind Cool-Climate-Rebsorten. Sie brauchen niedrigere Temperaturen, eine längere Reifezeit, vor allem kühle Nächte, um ihre Eigenart zu entwickeln, eben jene Aromen, die für Ahrweine typisch sind, aber den sonneverwöhnten Gewächsen aus dem Süden fehlen. Es ist jenes Tüpfelchen auf den "i", das dem hiesigen Wein trotz aller Mühen in den Steillagen und der damit verbundenen höheren Preise hilft, sich auf dem Markt zu behaupten.

Denn die größere Geschmacksvielfalt ist gleichzeitig ein Vorteil in der weltweiten Konkurrenz. Auch südlich von Burgund werden wegen der zu hohen Temperaturen schon jetzt Burgunderweine nicht mehr angebaut. Auf Burgunder zu verzichten hieße für die Ahr, ihre Identität aufzugeben.

Viel Sonne, wenig Regen und ein mediterranes Kleinklima in dem engen Tal zwischen Wärme speichernden Schieferbergen machen Weinanbau an der Ahr seit 2 000 Jahren möglich.

Falls der Regen noch sparsamer fällt und die Sonne noch heißer brennt, müssten die Winzer schon beim Anbau der Rebstöcke umdenken: die Reihen enger bepflanzen, wodurch die Konkurrenz größer wird und die Wurzeln der Pflanzen tiefer ins Erdreich dringen, erklärt Dörte. "In Frankreich steht der Wein doppelt so dicht", ergänzt ihre Schwester. "Mit einer niedrigeren Laubwand wäre auch das Problem des Verdunstens geringer", sagt sie.

Immer wertvoller werden alte Rebstöcke, die ihre Wurzeln im Laufe von Jahrzehnten tiefer und tiefer ins Erdreich oder ins Gestein gegraben und damit eine krisenfest Wasserversorgung sichergestellt haben. Warum nicht neue Klone auf die knorrigen Veteranen pfropfen? In diese Richtung geht auch Dörtes Diplomarbeit.

Da alte Rebstöcke generell kürzere Ranken ausbilden und weniger Ertrag bringen, wäre das Beschneiden einfacher, das Ausdünnen des Fruchtansatzes könnte vielleicht ganz entfallen, berichtet Dörte. Ein weiterer Vorteil, von dem Besitzer alter Anlagen schon jetzt profitieren: Die Trauben liefern Weine mit besten Aromen und konzentriertem Extrakt.

Anfang des 20. Jahrhunderts hatte die Reblaus den Weinbau in der Region zunichte gemacht. Seitdem dürfen nur Reben auf amerikanischen Wurzelunterlagen gesetzt werden. Die sind resistent gegen die Laus.

Wie Dörte berichtet, wird an der Mosel eine Unterlage mit dem Namen "Börner" getestet, die ihre Wurzeln extrem tief eingräbt, manchmal kommen sie unten im Fluss wieder ans Tageslicht. "Börner" hat sich in trockenen Jahren schon bewährt.

Außerdem berichtet die Examenskandidatin von Langzeitversuchen in Geisenheim mit Wildreben aus kargen, wüstenähnlichen Gegenden in den USA. Es wäre denkbar, auf diese Wurzeln Neuzüchtungen zu pfropfen, die nur gering wachsen, was Wasser spart. Aber: "Neuentwicklungen können Jahrzehnte dauern."

Lagen mit bester Sonneneinstrahlung werden künftig nicht mehr die besten Lagen für den Wein sein. An der Nahe werden bereits jetzt in einst "schlechten" Lagen beste Weine gelesen. Auch an der Ahr geht die Praxis in die Richtung. "Frühburgunder pflanzen wir nicht mehr in besonders sonnige Wingerte", berichtet Meike. Denn selbst die früh reifende Mutation des Spätburgunders braucht Zeit, um ihre reichen, fruchtigen Aromen zu entwickeln.

Denkbar wäre, den Weinbau an der Ahr weiter in die oberen, kühleren Hanglagen zu ziehen, "aber unsere Weinberge auf die Grafschaft zu verlegen, verbietet das Weingesetz", erklären Dörte und Meike Näkel. Man müsse abwarten, denn "über die tatsächlichen Auswirkungen des Klimawandels auf die Region ist noch nichts Konkretes bekannt".

Die Kulturlandschaft an der Ahr mit ihren steilen Wingerten und den mit kühlendem Wald bedeckten Kuppen würde sich ändern, wenn die Berge insgesamt mit Wein bepflanzt würden. Die reinen Monokulturen würden auch die jetzt noch vorhandene Vielfalt der Natur zunichte machen.

Einiges ist allerdings schon jetzt anders. Längst nicht mehr alle Weinberge liegen im Winter grau und braun. Sie zeigen sich vielmehr im satten Grün der Wintereinsaat, die Regenwasser aufnimmt und den Boden bei starken Güssen vor Erosion schützt. Wird das Grün im Frühjahr eingearbeitet, verbessert sich die Wasserspeicherkapazität des Bodens, der Stickstoff wird als Dünger frei und Raps, Winterwicken und -erbsen oder Rübsen werden als Konkurrenz zum Wein wieder ausgeschaltet.

Arbeitsmäßig macht das nicht viel, erklären die Näkel-Töchter. Bei Dauerbegrünung mit Gräsern könnten die Wurzeln im Frühjahr gelockert und so der Wasserverbrauch und das Wachstum reguliert werden.

Keine Lösung des Problems sieht Dörte Näkel in Tröpfchenbewässerung: Der Weinstock richtet seine Wurzeln zum Wasser hin, wenn es von oben kommt, eben nach oben. "Wir werden versuchen, den Reben so gut wie möglich entgegen zu kommen", steht für beide fest. Sie setzen weiter auf ahr-typische Weine an der Ahr - trotz Klimaerwärmung. Die könnte freilich auch Probleme mit anderen Krankheiten und Schädlingen nach sich ziehen. Es gilt, abzuwarten.

Weinbau nach alter Väter Sitte ist passee. Längst wird das Wissen um die Kultur der Pflanze, die die Region seit Jahrhunderten prägt, nicht mehr allein vom Vater auf den Sohn weitergegeben. Wie Dörte und Meike Näkel genießen junge Winzer eine Ausbildung nach neuesten Erkenntnissen der Wissenschaft, damit sie und der Wein auch für Veränderungen gewappnet sind.

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