Trockene Sommer und verregnete Winter sorgen künftig für extreme Pegelstände des Rheins

Das Auf und Ab macht Forschern Kopfzerbrechen - Chinesische Wollhandkrabben lockt nicht das Klima in den Fluss, sondern der Mensch

Trockene Sommer und verregnete Winter sorgen künftig für extreme Pegelstände des Rheins
Foto: Lannert

Bonn. Wenn so wenig Wasser im Rhein ist wie im Sommer 2003, dann scheint das gegenüberliegende Ufer ganz nah zu sein. Vom Strand aus betrachtet, sehen die Schiffe aus, als müssten sie sich schon hinter der nächsten Biegung durch Kies kämpfen, wäre da nicht ein schmales, silbernes Wasserband.

Niedrigwasser im Rhein: In besagtem Sommer mussten die Schiffer ihre Ladung reduzieren oder Zwangspausen einlegen. Das Rinnsal bestand zu 70 Prozent aus Alpenwasser. Und wie sieht es in der Zukunft aus? Kann man irgendwann trockenen Fußes von Bonn nach Beuel gehen, weil sich das Klima wandelt?

Im Max-Planck-Institut (MPI) im Hamburg sitzen Wissenschaftler, die noch nie einen Fuß in den Rhein getaucht haben. Das müssen sie auch nicht, denn sie können anhand von Berechnungen sagen, wie das Klima in Bonn ist und voraussichtlich sein wird.

"Wir versuchen, Prozesse nachzubilden", sagt Holger Göttel, Doktorand im MPI. Oberflächenstruktur und Vegetation, Bodenbeschaffenheit und Daten aus globalen Modellläufen fließen in die regionalen Szenarien ein. Ob man künftig zu Fuß durch den Rhein gehen kann, diese Frage beantworten die Computer nicht.

Um Prognosen zur Wassermenge zu erstellen, muss man die in Hamburg entwickelten Klimaszenarien in hydrologische Berechnungen münden lassen. Die Mitarbeiter der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BafG) in Koblenz haben das auch für den Rhein gemacht. Dass der Klimawandel Auswirkungen auf den regionalen Wasserhaushalt hat, ist für sie unstrittig.

Doch genaue Prognosen sind schwierig. "50 Prozent des Wassers im Rheingebiet kommt aus den Alpen. Wenn dort weniger Schnee liegen bleibt, fließt schon im Winter mehr Wasser ab, das dann im Frühling und Frühsommer fehlt", erklärt Peter Krahe, Ansprechpartner für Flussgebietsmodellierung bei der BafG. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass "extreme Abflussbedingungen" zunehmen, der Rhein also häufiger Hoch- und Niedrigwasser hat.

"Vorbereitet auf Klimaänderungen im Einzugsgebiet des Rheins?" fragt die Internationale Kommission für die Hydrologie des Rheins in einer gleichnamigen Broschüre. Die Länder Baden-Württemberg und Bayern berücksichtigen Klimafaktoren bereits bei der Bemessung ihres Hochwasserschutzes und untersuchen gemeinsam die Konsequenzen für die Wasserwirtschaft.

Mit den notwendigen Überflutungsflächen beschäftigt sich auch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) in Bonn. "Wir brauchen mehr naturnahe Auen, die an den Wechsel von nass und trocken angepasst sind und deshalb mit den Extremen fertig werden", sagt Bernd Neukirchen, Leiter des Fachgebiets Binnengewässer beim BfN.

Im Rhein fühlen sich inzwischen auch Höckerflohkrebse aus Südeuropa und Wollhandkrabben aus China heimisch und verändern das Ökosystem. Schuld daran ist nicht das Klima, sondern der Mensch, sagt Christelle Otto vom Bundesamt für Naturschutz: "Gebietsfremde Arten werden mit dem Ballastwasser der Schiffe eingeschleppt, und der Bau von Kanälen hat natürliche Barrieren beseitigt."

Nach Ansicht der Wissenschaftler ist es an der Zeit, Vorsorgemaßnahmen zu treffen. "Wir dürfen es uns nicht erlauben, beim Hochwasserschutz nachzulassen", sagt Peter Krahe. Um dem anderen Extrem zu begegnen, könnten jetzt schon Flächen für Talsperren freigehalten werden. "Wir haben - anders als in Spanien - ein Wasserpotenzial, das wir umverteilen können", so Krahe.

Und das bedeutet: Wer zu Fuß durch den Rhein will, bekommt auch künftig nasse Füße. Allerdings ist absehbar, dass es ab 2030 kaum noch Gletscher gibt, die Wasser für den Rhein spenden. Im Sommer ist spätestens dann die Schifffahrt in Gefahr.

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