Bundesumweltminister Sigmar Gabriel über Umweltpolitik und Klimaschutz

Im Gespräch äußert er sich zum Energiemix der Zukunft, dem Tempolimit auf Autobahnen und preiswerten Urlaub

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel über Umweltpolitik und Klimaschutz
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Berlin. Die Bundesregierung setzt auf den effizienteren Einsatz von Energie. Mit Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) sprach Holger Möhle.

GA: Die große Koalition schafft neue Freundschaften: Die Fraktionschefs von Union und SPD wollen gemeinsam Motorrad fahren. Steht bald ein Ausflug der Bundesminister Gabriel und Glos an - Windpark oder Atomkraftwerk?

Gabriel: Wir sollten jedenfalls nicht so häufig miteinander Schlitten fahren. Aber im Ernst: Ich würde gerne mit ihm eine Biogasanlage in Franken besuchen oder ein modernes Gaskraftwerk in Norddeutschland. Warum nicht?

GA: Atomkraft - nein, danke?

Gabriel: Besser, wir kümmern uns um die Zukunft. Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, dass es beim Ausstieg aus der Kernenergie bleibt. Den hat auch Michael Glos unterschrieben.

GA: Wie geht sozialdemokratische Umweltpolitik?

Gabriel: Uns geht es nicht darum, die Industriegesellschaft abzuschaffen, sondern darum, ihre Energiebasis umzubauen. Wir brauchen energiesparende Technologien und Rohstoffe, die möglichst wenig die Umwelt schädigen.

GA: Sie haben der Union unlängst ein Angebot in Sachen Atommüll-Endlager gemacht. Wieso wollen Sie Gorleben nur dann weiter erkunden, wenn gleichzeitig andere Standorte untersucht werden?

Gabriel: Weil wir nicht irgendeinen Endlager-Standort brauchen, sondern den bestgeeigneten. Bis heute gibt es keinen Langzeitsicherheitsnachweis für Gorleben. Falls sich am Ende Gorleben als ungeeignet erweist, stünden wir mit leeren Händen da. Deshalb plädieren wir für ein Auswahlverfahren und einen Standortvergleich, dem sich Gorleben stellen muss.

GA: Wie sieht der Energiemix der Zukunft für die Bundesrepublik Deutschland aus?

Gabriel: Die Atomkraft sinkt bis 2020 auf nahezu Null. Der Anteil der erneuerbaren Energien könnte bis dahin auf rund 27 Prozent steigen. Das ist weit mehr als Rot-Grün angepeilt hatte. Für den großen Rest von über 70 Prozent brauchen wir Gas und Kohle.

Wir müssen dafür sorgen, dass alte CO2-intensive Anlagen stillgelegt und effizientere CO2-ärmere Kraftwerke gebaut werden, die deutlich weniger CO2 als in der Vergangenheit ausstoßen. Dafür haben wir beim Emissionshandel starke Anreize geschaffen.

GA: Die Grünen kritisieren, dass Sie und Glos sich einig seien, die Braunkohle zu begünstigen. Mag ein SPD-Minister die Kohlekumpel nicht hängen lassen?

Gabriel: Dass wir die Braunkohle bevorzugen, ist Propaganda. Fakt ist: Die Grünen haben einen Emissionshandel mitzuverantworten, der in der ersten Handelsrunde ganze zwei Millionen Tonnen CO2 pro Jahr eingespart hat. Wir sparen in der zweiten Periode ab 2008 jedes Jahr 57 Millionen Tonnen CO2 ein.

GA: Warum warten Sie, Verschmutzungsrechte gewinnbringend auf dem Markt zu versteigern?

Gabriel: Die Koalition hat diese Frage noch nicht abschließend entschieden. Die SPD-Minister im Kabinett befürworten eine solche Auktionierung, in den Koalitionsfraktionen ist das Bild gemischt. Fest steht: Die großen Stromkonzerne haben Zertifikate, die ihnen der Staat kostenlos zugeteilt hat, auf den Strompreis aufgeschlagen. Ein Unding. Für mich ist entscheidend, wie wir diese Zusatzgewinne mindern können.

GA: Braucht das Autoland Deutschland ein Tempolimit?

Gabriel: Ich bin nicht prinzipiell gegen ein Tempolimit, aber ich habe die Sorge, dass uns diese Scheindebatte von der eigentlichen Aufgabe ablenkt: Wir diskutieren über solche Symbole und die Autobauer, die ihre Verantwortung für den Klimaschutz endlich wahrnehmen müssen, lehnen sich entspannt zurück.

Was hilft es uns, wenn wir hier Tempo 100 oder 130 fahren und in China oder Indien, die Zahl der herkömmlichen Fahrzeuge in gigantischer Zahl wächst? Man kann auch mit Tempo 100 das Klima zerstören. Wir müssen die Autobauer dazu bringen, sparsamere Motoren zu entwickeln, und vor allem biologische, möglichst CO2-arme Kraftstoffe.

GA: Wann kommt die EU-weite Steuer auf Flugbenzin?

Gabriel: Diese Diskussion gibt es schon seit Jahren, aber es bewegt sich nichts. Wir unterstützen die EU-Kommission, den Flugverkehr in den Emissionshandel einzubeziehen. Mein Ziel ist es, unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft hier zügig voranzukommen.

GA: Darf der Deutsche zum Urlaub noch in Billigflieger steigen?

Gabriel: Selbstverständlich. Ich halte nichts von derartigen Verboten. Und ich will nicht, dass das Fliegen nach Mallorca wieder zum Privileg reicher Leute wird. Wir sollten uns lieber darauf konzentrieren, biologisch basierte Kraftstoffe mit deutlich weniger CO2-Ausstoß als konventionelle zu entwickeln.

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