Bonner Einzelhändler spüren den Klimawandel an den Kleiderständern

Bonner Einzelhändler spüren den Klimawandel an den Kleiderständern. Wintermäntel und dicke Pullover sind die wetterbedingten Ladenhüter. Dafür geht die Sommerkleidung weg wie warme Semmeln

Bonner Einzelhändler spüren den Klimawandel an den Kleiderständern
Foto: Frommann

Bonn. Hand aufs Herz, haben Sie ihren dicken Wintermantel und die Fellstiefel im vergangenen Winter oft getragen? Und wie sieht`s im Augenblick aus? Warten Tweed-Jacket und Rollkragen-Pulli schon im Kellerschrank auf die nächste Eiszeit? Draußen jedenfalls reichen schon seit Tagen T-Shirt und Strickjäckchen. Klimawandel auch im Kleiderschrank? Modeexperten und Einzelhändler können nicht irren.

"Wir verkaufen sie viel weniger, die dicken Wintersachen", sagt Horst-Günter Kugel. Der Rückgang betreffe die "Großkonfektion", urteilt der Geschäftsführer im Kaufhof am Münsterplatz, und meint damit Jacken und Mäntel aus Wolle, Fell oder Daunen. Eine Entwicklung, die für ihn nicht erst im jüngsten Winter begonnen hat, der ohnehin eher wie ein Herbst ausfiel. "Seit drei bis vier Jahren hat dieses Geschäft stark abgenommen."

Doch Kugel wird dafür entschädigt: "Wir sind dieses Jahr viel früher in die Sommersaison gestartet." Deshalb kann er sich schon im April über Umsätze mit Frühjahrs- und Sommerbekleidung freuen, wie er sie sonst erst im Mai erlebt.

Die Branche, so glaubt er, müsse sich darauf nicht erst einstellen, schließlich hänge die Mode immer schon Monate vor Saisonbeginn in den Geschäften. Doch anders als sonst braucht die Kundin diesmal nicht lange zu warten, bis sie den neuen Sommerblazer das erste Mal ausführen kann.

"Uns kommen diese frühen Sommertemperaturen sehr entgegen", stößt Ursula Felten, stellvertretende Geschäftsführerin im Nachbarhaus SinnLeffers, ins selbe Horn wie Kugel. Im vorangegangenen warmen Winter seien dagegen "Warengruppen wie Pullis und Daunenjacken weniger angenommen worden".

Auch Elisabeth Holtorf von "Les Jumelles" zählt die dicken Pullover zu den klimabedingten Ladenhütern. "Es gibt einfach kaum noch eine Möglichkeit, sie anzuziehen." Holtorf zieht die Konsequenz: "Ich kauf` sie kaum noch ein." Wie die Lammfellmäntel, die sie gar nicht mehr geordert hat. "Das war schon Thema auf den Messen.

Die Trends richten sich danach." Allerdings ist sich die Fachfrau umgekehrt auch sicher, dass nicht nur ihre Kundinnen mit der Mode gehen. Und wenn die Zopfpullover diktiert, dann werden sie eben auch getragen. Selbst wenn es die trendbewusste Trägerin Schweißperlen kostet.

Was Schuhe angeht, sieht Marie Maretsch von "Pumps" in der Friedrichstraße Bonn ohnehin in einer besonderen Situation. Das milde Klima der nördlichsten Stadt Italiens sorgt nach ihrer Ansicht dafür, dass die warm gefütterten Winterstiefel nur selten vor die Tür kommen. Dennoch trug frau diesen Winter Stiefel in allen Variationen. Und das beinahe schon unabhängig von den Temperaturen.

Eine Haltung, die von den Angelsachsen perfektioniert wurde. Wenn auch in die umgekehrte Richtung: Schließlich wird nicht zu Unrecht behauptet, dass es ihnen am Frier-Gen mangele. Das neue Jahr schulterfrei im Freien begrüßen oder die Bermuda-Shorts entgegen ihrer karibischen Herkunft schon zu Zeiten des letzten Nachtfrosts tragen - in England gelebter Alltag.

So erübrigt sich auf der Insel der Besitz von Wintergarderobe. Sie wollen das nicht? Sind gar nicht abgehärtet? Da hilft nur noch der von Verkäuferinnen vergangener Jahre vielgepriesene Übergangsmantel. Der erlebt seine Renaissance. Ganzjährig.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort